- Einwanderungsrecht der EU
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Die flankierenden Maßnahmen zum Freien Personenverkehr stellen eine Politik der Europäischen Gemeinschaft dar und befassen sich mit Wanderungsbewegungen von Drittstaatsangehörigen. Insofern bilden sie einerseits einen Teil des Freien Personenverkehrs, indem sie die lediglich Unionsbürger selbst betreffende Freizügigkeit ergänzen. Andererseits dienen sie gemeinsam mit den Bestimmungen über die Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und die Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen dem übergeordneten Konzept eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Die flankierenden Maßnahmen zum freien Personenverkehr umfassen die Asylgewährung, die Aufnahme von Flüchtlingen, die Visa-Politik sowie die Einwanderung aus Drittstaaten.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Gewährung von Zutritt zum eigenen Staatsgebiet gegenüber Ausländern wird traditionell als Kernstück der staatlichen Souveränität betrachtet. Von jeher bestanden deshalb auf diesem Gebiete erhebliche Vorbehalte der Mitgliedstaaten gegen eine europäische Integration. Aus diesem Grund war lange Zeit keine irgendwie geartete Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet vorgesehen.
Bald zeigte sich jedoch, dass die im Zuge des Binnenmarkts und der Freizügigkeit vorgesehene Öffnung der Binnengrenzen und die Abschaffung der Personenkontrollen nur möglich war, wenn die Mitgliedstaaten im Bereich der Überwachung der Außengrenzen kooperieren. Andernfalls hätten Drittstaansangehörige für ihre Einreise bzw. Zuwanderung den Mitgliedstaat mit den insofern liberalsten Vorschriften auswählen, von diesem aus dann aber in jeden anderen Mitgliedstaat ihrer Wahl weiterreisen können.
Diese Kooperation erfolgte in den Schengener Übereinkommen von 1985 bzw. 1990. Der Vertrag von Maastricht wies der EU überdies in ihrer intergouvernemental geprägten 3. Säule „Zusammenarbeit in den Bereichen Inneres und Justiz“ Kompetenzen für die Harmonisierung der Asyl-, Visa- und Zuwanderungsvorschriften zu. Der Vertrag von Amsterdam 1997 überführte beide Bereiche in die supranational ausgerichtete 1. Säule, mithin den EG-Vertrag.
Aufgrund der Protokolle Nr. 3 bis 5 zum EU-Vertrag nehmen die Mitgliedstaaten Großbritannien, Irland und Dänemark an der Kooperation im Bereich des Freien Personenverkehrs nur sehr eingeschränkt teil.
Europäische Union – Geschichte, Struktur und Verträge 1951 * 1957 1965 1986 1992 1997 2001 2007 ** Europäische Gemeinschaften (EG ***) E U R O P Ä I S C H E U N I O N ( E U ) Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS bzw. Montanunion) (2002 ausgelaufen → EG) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) Europäische Gemeinschaft (EG) *** EG: EGKS, EWG (EG seit 1993), Euratom Justiz und Inneres (JI) (JZZ und Personenverkehr → EG) Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) Europäische Atomgemeinschaft (EAG bzw. Euratom) Vertrag von
Paris (* Jahr der Unterzeichnung)Vertrag von
RomFusions-
vertragEEA Vertrag von
MaastrichtVertrag von
AmsterdamVertrag von
NizzaVertrag von
Lissabon (** noch nicht in Kraft)
„DREI SÄULEN“ – EG (EGKS, EWG / EG, Euratom), GASP, PJZSZiele
Nach Art. 14 Abs. 2 des EG-Vertrages (EGV) soll in einem „Raum ohne Binnengrenzen“ der freie Verkehr von „Personen“ gewährleistet sein. Dies betrifft ausdrücklich nicht nur die Unionsbürger, sondern auch Drittstaatsangehörige. Dementsprechend sieht Art. 62 Nr. 1 EGV für beide Gruppen die Abschaffung der Personenkontrollen an den Binnengrenzen vor.
Im Interesse eines „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ sieht Titel IV des EG-Vertrags insofern jedoch eine Reihe von einschränkenden flankierenden Maßnahmen vor. Es sind dies:
- Festlegung von Normen und Verfahren, die die Mitgliedstaaten bei Kontrollen an der EU-Außengrenze einzuhalten haben, Art. 62 Nr. 2 lit.a EGV
- Festlegung gemeinsamer Visa-Vorschriften (visapflichtige Drittstaaten, Voraussetzungen für Visumserteilung, einheitliche Visumsgestaltung), Art. 62 Nr. 2 lit.b. EGV
- Harmonisierungen im Asyl- und Flüchtlingsrecht (Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats; Mindestnormen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen als Flüchtlinge bzw. Asylberechtigte sowie für ihre Aufnahmen und ihren Schutz im Mitgliedstaat; EU-interne Lastenverteilung), Art. 63 Nr. 1, 2 EGV.
- Harmonisierungen im Einwanderungsrecht (Einreise- und Aufenthaltsvoraussetungen für legale Einwanderung; Bekämpfung illegaler Einwanderung
Akteure und Maßnahmen
Seit Übernahme der Vorschriften über den freien Personenverkehr in die supranational ausgerichtete 1. Säule der EU vollzieht sich die Rechtssetzung in diesem Bereich im institutionellen Rahmen und nach den Bestimmung des EGV. Nach Art. 61 ff. erlässt der Rat hierzu „Maßnahmen“; er ist also nicht auf eine bestimmte Handlungsform, sondern kann zwischen den in Art. 249 EGV genannten Rechtsakten, insbesondere der Verordnung und der Richtlinie frei wählen.
In Visa-Fragen entscheidet er heute nach Art. 67 Abs. 3, 4 EGV mit qualifizierter Mehrheit entweder im Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 EGV oder aber zumindest nach Anhörung des Parlaments. Für die übrigen Gegenstände gilt nach Art. 67 Abs. 2 EGV zunächst das Einstimmigkeitsprinzip; der Rat hat aber die Möglichkeit, durch einstimmigen Beschluss die Materie künftig dem Mitentscheidungsverfahren zu unterstellen.
In jedem Fall hat die Kommission ein Initiativrecht und das Parlament wird je nach Gegenstand in unterschiedlichem Maße beteiligt. Die Mitwirkungsrechte beider Organe sind damit erheblich ausgeprägter als in der 3. Säule, dem der freie Personenverkehr früher angehört hatte.Die Mitgliedstaaten schließlich behalten nach Art. 64 Abs. 1 EGV das Recht zum Erlass von Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und zum Schutz der inneren Sicherheit. Der Rat kann sie dabei nach Art. 64 Abs. 2 EGV unterstützen.
Maßnahmen im Bereich des freien Personenverkehrs unterliegen grundsätzlich in vollem Maße der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs. Für das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV besteht jedoch die Besonderheit, dass gemäß Art. 68 Abs. 1 EGV vorlageberechtigt (und gleichzeitig vorlageverpflichtet) nur solche nationalen Gerichte sind, deren Entscheidungen mit Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden können. Nach Art. 68 Abs. 3 EGV können der Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten beim EuGH auch Gutachten über die Auslegung von Rechtsakten im Bereich des freien Personenverkehrs einholen.
Umsetzung
Grenzkontrollen
Der Wegfall der Personenkontrollen an den Binnengrenzen bei gleichzeitigem Ausbau der Kontrollen an der Schengen-Außengrenze ist mittlerweile erfolgt. Im Zuge dessen sind mehrere Austausch- und Weiterbildungsprogramme für Grenzbeamte aufgelegt worden, u.a. SHERLOCK, ODYSSEUS und ARGO.
Visum
Im Bereich der gemeinsamen Visumspolitik sind inzwischen die VO 539/01 über die visumspflichtigen Drittstaaten sowie die VO 1683/95 über die einheitliche Visumsgestaltung ergangen. Auf dem EU-Gipfel im Tampere 1999 wurde die Einrichtung gemeinsamer Büros in Drittstaaten für die Ausstellung von EU-Visa beschlossen. Bisher existiert eine solche Einrichtung nur in Istanbul.
Asyl, Flüchtlingswesen
Die asyl- und flüchtlingspolitischen Aufträge des Art. 63 EGV hat der Rat bisher erst teilweise umgesetzt: Die Bestimmung des für die Prüfung von Asylanträgen zuständigen Staats erfolgt heute durch die an das ältere Dubliner Übereinkommen anknüpfende VO 343/2003; zur Vermeidung von Mehrfachanträgen wurde das Fingerabdrucksystem EURODAC etabliert.
Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern stellt RL 2003/9 auf; sie beziehen sich u.a. auf Wohnung, Ernährung und Kleidung, auf die Wahrung der familiären Einheit, auf ärztliche Betreuung und den Zugang zu Bildung. Nach einem Jahr Aufenthalt soll dem Asylbewerber überdies der Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt werden. Was die Mindestnormen für die Anerkennung als Flüchtling bzw. Asylberechtigter betrifft, so ist es bisher bei unverbindlichen Vorschlägen und Entschließungen des Rates geblieben.
Zur Finanzierung von Maßnahmen bei einem Massenzustrom von Flüchtlingen wurde ein Europäischer Flüchtlingsfonds mit einem Volumen von 216 Mio. € für 5 Jahre eingerichtet; für Pilotprojekte zugunsten von Flüchtlingen stehen in geringerem Umfang Mittel aus dem EQUAL-Programm des Europäischen Sozialfonds zur Verfügung. Ein Aktionsplan aus dem Jahr 1998 sieht die Bildung einer Taskforce „Asyl und Migration“ sowie Vorschläge zur Eindämmung der Flüchtlingsflut aus bestimmten Ländern durch humanitäre Hilfe, auch in Zusammenarbeit mit dem UNHCR vor.
Einwanderung
Mindeststandards für die Einreise- und Aufenthaltsbedingungen für legale Einwanderer wurden durch mehrere Richtlinien festgelegt. RL 109/03 sichert Personen, die sich mindestens 5 Jahre legal in einem EU-Staat aufhalten, deren Unterhalt gesichert ist und die über eine Krankenversicherung verfügen, die Gleichbehandlung mit Inländern bei Arbeit, Bildung, Sozialleistungen etc. zu. RL 86/03 regelt die Familienzusammenführung. Ein Richtlinienvorschlag der Kommission aus dem Jahr 2001 befasst sich mit dem Einreiserecht für bestimmte Erwerbstätige, für die auf dem Arbeitsmarkt Bedarf besteht.
Die illegale Einwanderung wird unter anderem mit RL 51/01 bekämpft, die Geldstrafen für hierin verwickelte Beförderungsunternehmen vorsieht. In seiner Entscheidung Nr. 2004/573/EG regelt der Rat die Rückführung illegal eingereister Drittstaatsangehöriger mit Sammelflügen.
Siehe auch
Literatur
- Peter-Christian Müller-Graff / Friedemann Kainer: Asyl-, Einwanderungs- und Visapolitik. In: Werner Weidenfeld/Wolfgang Wessels (Hrsg.): Europa von A bis Z. Berlin 2006, ISBN 3832913785, S. 69ff.
- Thomas Oppermann: Europarecht. München 2005, ISBN 3406535410, S. 504ff
Weblink
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3. Säule: Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen
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