Eisenkrankheit

Eisenkrankheit

Die Hämochromatose (Syn. Primäre Siderose, Hämosiderose, Siderophilie, Eisenspeicherkrankheit, engl. hematochromatosis) (von griech. haima = Blut, chroma = Farbe), umfasst eine Gruppe autosomal-rezessiver Erbkrankheiten, von der Männer wesentlich häufiger betroffen sind als Frauen. Bei der Erkrankung kommt es zu einer erhöhten Aufnahme von Eisen im oberen Dünndarm. Der Gesamtkörpereisengehalt steigt dadurch von ca. 3–5 g (Normwert) auf bis zu 80 g. Diese Überladung führt im Laufe der Jahre zu Organschädigungen, insbesondere von Leber, Bauchspeicheldrüse, Herz, Milz, Hirnanhangdrüse, Schilddrüse und Haut.

Klassifikation nach ICD-10
E83.1 Störungen des Eisenstoffwechsels
Hämochromatose
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Inhaltsverzeichnis

Symptome

Typische Symptome der Hämochromatose sind

  • Gelenkschmerzen, vor allem in den Händen, bei Bewegung zunehmend
  • starke Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Reizbarkeit, Anfälligkeit für Infekte
  • Verringerung der Libido, Impotenz; Veränderung und Ausfall der Monatsblutung durch Eiseneinlagerung in der Hypophyse
  • graubraune Hautpigmentierung, rötliche Flecken, später Bronzetönung der Haut (auch als Bronzediabetes bezeichnet)
  • Haarausfall, frühzeitige „graue Haare“
  • Krämpfe im Oberbauch, Brustschmerzen, unregelmäßiger Herzschlag
  • chronische Hepatitis bis zur Leberzirrhose durch Eiseneinlagerung in der Leber
  • Diabetes mellitus durch Eiseneinlagerung in die Bauchspeicheldrüse (Pankreas)
  • Milzvergrößerung (Splenomegalie)
  • später auch Minderung und Störung der Herzfunktion (Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen)

Pathogenese

Der absolute Gehalt an Körpereisen beträgt beim gesunden Erwachsenen ca. 3–5 g. Ein gesunder Mensch scheidet täglich ca. 1 mg aus und nimmt auch 1 mg über die Nahrung wieder auf, dadurch wird die Eisenhomöostase aufrechterhalten. Bei der Hämochromatose ist dieses Gleichgewicht gestört, weil im oberen Dünndarm die Eisenaufnahme gesteigert ist. In der Folge kommt es zur Eisenspeicherung in Leber (Folgen: Hepatomegalie, Zirrhose, erhöhtes Risiko für Leberzell-Karzinome), Herz, Pankreas (Folge: Diabetes mellitus), Hypophyse (Folge: Libidoschwäche, Impotenz, unregelmäßige Monatsblutungen), Nebenniere, Schilddrüse, Nebenschilddrüse, Haut (Folgen: Bronzefärbung, Pigmente) sowie Gelenken (schmerzhafte Erkrankungen, Arthritiden).

Ein Mechanismus ist der Defekt des 1996 entdeckten HFE-Gens. Das HFE-Genprodukt ist assoziiert mit dem Transferrin-Rezeptor (TfR). Abhängig von der Blutkonzentration nehmen HFE und TfR den Fe-Transferrin-Komplex aus dem Blut auf. Diese Aufnahme erfolgt über rezeptorvermittelte Endozytose in ein Endosom. Ist diese Aufnahme dysreguliert, wird immer weiter Eisen aufgenommen, auch wenn die jeweilige Zelle eigentlich schon genug Eisen eingelagert hat. Besonders deutlich wird dies in der Leber, der im normal regulierten Eisenstoffwechsel auch eine gewisse Speicherfunktion zukommt, was die unregulierte Aufnahme erleichtert.

Durch die erhöhte Aufnahme ist das Transferrinlevel im Blut ungewöhnlich niedrig. Dies wird im Darmepithel durch erhöhte Eisenabgabe in das Blut über IREG1 bzw. Ferroportin ausgeglichen. Die Regulation dieser Eisenabgabe in den Kreislauf wird vermutlich systemisch durch das Peptid Hepcidin reguliert. Das Hepcidin wird in der Leber gebildet, und vermutlich wirken sowohl Hämojuvelin, Transferrinrezeptor 2 als auch HFE auf die Synthese dieses Peptids in der Leber ein. Der genaue Mechanismus ist ungeklärt.

Die Hämochromatose wird autosomal-rezessiv vererbt, die Erkrankung wird also in der Regel nur dann manifest, wenn beide Ausführungen des Gens den Defekt besitzen (homozygote Mutation). Schwächere Formen der Hämochromatose sind allerdings auch bei heterozygoten Mutationen möglich. Die Penetranz der Mutation ist gering, etwa 30 % der Männer mit homozygoter Mutation und nur etwa 1 % der homozygoten Frauen entwickeln ein klinisch relevantes Krankheitsbild; bei heterozygoten Merkmalsträgern ist das Auftreten einer Erkrankung sehr selten.[1]

Einteilung der Hämochromatose

Primäre oder hereditäre Hämochromatose

Sie ist die häufigste Form der Hämochromatose, wird autosomal-rezessiv vererbt und bei über 80 % der Patienten durch eine C282Y-Mutation des Hämochromatose-Gens HFE ausgelöst. Derzeit sind fünf verschiedene Gene bekannt, deren Defekte alle zu einer hereditären Hämochromatose führen können:

  • Typ1: HFE (Genlocus 6p21.3) – (C282Y-Mutation in 90 % der Fälle, H63D-Mutation 3–5 %, sowie 16 weitere extrem seltene Mutationen des Gens)
  • Typ2A: HJV (Genlocus 1q21) – Hemojuvelin
  • Typ2B: HAMP (Genlocus 19q13.1) – Hepcidin
  • Typ3: TFR2 (Genlocus 7q22) – Transferrin Rezeptor 2
  • Typ4: SLC11A3 (Genlocus 2q32) IREG1 bzw. Ferroportin (autosomal-dominanter Erbgang)

Juvenile Hämochromatose

Sie ist eine seltene erbliche Form der Hämochromatose. Der auslösende genetische Defekt ist bislang unbekannt (er wird auf dem Chromosom 1 lokalisiert). Das klinische Bild ist mit der klassischen primären Hämochromatose vergleichbar. Die Manifestation erfolgt früher, bereits im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Es gibt schwere Verlaufsformen, oft mit Herzbeteiligung und Hypogonadismus.

Neonatale Hämochromatose

Die neonatale Hämochromatose ist eine sehr seltene Form, die ebenfalls vermutlich autosomal-rezessiv vererbt wird. Der auslösende genetische Defekt ist bislang unbekannt. Sie tritt bereits im Kindes- oder Neugeborenenalter auf, ihr Verlauf ist meist sehr schwer.

Sekundäre Hämochromatose (erworbene Eisenüberladung)

Ursache dieser Eisenüberladung ist eine ineffektive Erythropoese bei gestörter Hämosynthese und/oder Hämolyse. Häufige Grunderkrankungen sind Thalassämie und sideroblastische Anämie. Diese Form tritt insbesondere bei Patienten mit häufigen Bluttransfusionen auf.

Verlauf der Krankheit

  • Erste Symptome treten bei Männern zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf, bei Frauen meist erst später, da die Menstruation für eine natürliche Eisenausscheidung sorgt.
  • Im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu Müdigkeit, Impotenz und Ausbleiben der Monatsblutung (durch Schädigung der Hypophyse), Gelenksschmerzen und Schmerzen im Oberbauch.
  • In der Leber kommt es zunächst zu einer Fibrose (Vermehrung des Bindegewebes), dann zu einer Leberzirrhose (Vernarbung des Lebergewebes). Bei etwa 30 % der Patienten mit Leberzirrhose entwickelt sich nach etwa 20 Jahren ein bösartiges Leberzellkarzinom. (Diese Prognose gilt auch, wenn nach Eintritt des zirrhotischen Zustandes das überschüssige Eisen durch die Aderlasstherapie abgebaut wurde.)
  • Eine Herzmuskelerkrankung (Kardiomyopathie) wird bei 15 % der Patienten beobachtet.
  • Etwa 30 % der Patienten erleiden eine Gelenkerkrankung (Arthropathie), wobei die kleinen Gelenke der Hand meist zuerst betroffen sind.
  • Bleibt die Hämochromatose unbehandelt, ist die Lebenserwartung in schweren Fällen deutlich reduziert. Beginnt die Aderlasstherapie vor dem Eintreten eines Diabetes und einer Leberzirrhose, kann der Patient von einer normalen Lebenserwartung ausgehen.

Diagnose

Bei Verdacht auf Hämochromatose - also bei Vorliegen wenigstens einiger der oben genannten Symptome - werden zunächst die Laborparameter ermittelt. Wenn die Transferrinsättigung höher als 60 Prozent und das Serumferritin hoch ist (> 300 ng/ml), wird in einem Gentest festgestellt, ob eine homozygote C282Y-Mutation oder eine andere spezifische Mutation vorliegt. Falls ja, sollte unverzüglich die Therapie (in der Regel Aderlässe, siehe unten) eingeleitet werden. Falls der Gentest negativ ist, kann in einer Leberbiopsie die Eisenkonzentration und der Eisenindex ermittelt werden. Bei einem Eisenindex von größer 1,9 und einer hohen Eisenkonzentration gilt die Diagnose „Hämochromatose“ ebenfalls als nachgewiesen. (Quelle: der unten angegebene Weblink der Hämochromatose-Vereinigung Deutschlands.)

Therapie

Ziel der Therapie ist eine Entleerung oder zumindest Reduzierung der Eisenspeicher, was am wirksamsten durch eine Aderlasstherapie erreicht wird. Anfangs sollte ein Aderlass von 300–500 ml pro Woche durchgeführt werden, dabei werden zur Entleerung der Eisendepots etwa 10 bis 20 Aderlässe benötigt. Man setzt die Aderlasstherapie solange fort, bis der Ferritinspiegel unter 20 µg/l fällt (Richtlinien der „American Hemochromatosis Society“). Zur Aufrechterhaltung eines normalen Eisengehalts muss mit regelmäßigen Aderlässen behandelt werden.

Eine andere Therapieform ist die Erythroapherese, wobei mehr Erythrozyten pro Behandlung entnommen werden können, wodurch die Häufigkeit der Behandlung reduziert werden kann und der Ferritinwert schneller absinkt als bei der einfachen Aderlasstherapie. Diese Therapieform ist allerdings aufwendiger, die Kostenübernahme durch die Krankenkassen noch nicht geklärt.

Auch die Gabe von Deferoxamin (Desferal®) dient der Eisenreduktion, diese Therapie ist aber nicht so wirksam. Sie wird nur angewandt, wenn eine Blutarmut (Anämie) oder fortgeschrittene Herzmuskelschwäche (Kardiomyopathie) besteht. Die Deferoxaminbehandlung ist aufwändig (Dauerinfusion an 5–7 Tagen pro Woche), hat häufig Nebenwirkungen (Seh- und Hörstörungen) und ist weniger wirksam als der Aderlass oder die Apherese.

In Deutschland wurde zwischen 2001–2004 von der Medizinischen Hochschule Hannover in Zusammenarbeit mit der Kaufmännischen Krankenkasse KKH in einem Modellversuch die Akzeptanz einer freiwilligen Screening-Analyse getestet. Da bei der Hämochromatose mit der Aderlasstherapie eine effektive Behandlung zur Verfügung steht, ermöglicht die Entdeckung noch symptomloser Genträger eine rechtzeitige Behandlung Betroffener, bevor Organschäden auftreten.

Prognose

Unbehandelt führen die schweren Verlaufsformen der Hämochromatose zum frühzeitigen Tod. Bei einem Behandlungsbeginn vor Auftreten einer Leberzirrhose und eines Diabetes mellitus kann von einer normalen Lebenserwartung ausgegangen werden.

Der Grad der Eisenüberladung und der Zeitpunkt des Beginns einer Aderlasstherapie haben einen entscheidenden Einfluss auf die Prognose der Erkrankung. Die folgende Tabelle zeigt die Häufigkeit der Symptome vor und nach der Aderlasstherapie. (Quelle Hämatochromatose-Vereinigung Deutschland e. V.)

Häufigkeit der Symptome vor und nach Therapie

Symptome bei Diagnose nach Therapie
Lebererkrankung 90 % 38 %
Hautpigmentierung 81 % 12 %
Oberbauchbeschwerden 62 % 29 %
Gelenkbeschwerden 42 % 27 %
Potenzminderung 37 % 33 %
Schwächezustand 81 % 23 %

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Allen, Katrina J. et al.: „Iron-Overload-Related Disease in HFE Hereditary Hemochromatosis.“ N Engl J Med 2008; 358: S. 221-230
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