- Elektrokution
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Der elektrische Stuhl ist eine Vorrichtung zur Hinrichtung eines Verurteilten durch elektrischen Strom.
Inhaltsverzeichnis
Erfindungsgeschichte
Zufällig wurde der Zahnarzt Albert Southwick 1881 Zeuge eines Unfalls, bei dem ein betrunkener alter Mann einen Stromgenerator berührte und sofort starb. Er erzählte dieses Ereignis seinem Freund, Senator David McMillan, der es wiederum Gouverneur David B. Hill mit dem Gedanken weitererzählte, das Erhängen als grausame Hinrichtungsmethode zu ersetzen. 1886 rief das Parlament des Staates New York eine Kommission ins Leben, die eine „menschliche und bequeme“ Art der Hinrichtung finden sollte. Man beauftragte Thomas Edison mit der Untersuchung einer Hinrichtungsmethode per Elektrizität.
Der elektrische Stuhl wurde von Edisons Mitarbeiter Harold P. Brown entwickelt. Da Edison sich stark für Browns Arbeit einsetzte, gilt er als Erfinder des elektrischen Stuhls. Edison und George Westinghouse, der den Wechselstrom propagierte, lieferten sich damals einen erbitterten Streit darüber, welche Stromart sicherer in der Anwendung sei. Edison versuchte, durch mehrere Tests mit Katzen und Pferden die Gefährlichkeit des Wechselstroms seines Widersachers zu belegen. Dabei wurde von Harold P. Brown sogar die Elefantenkuh Topsy, die drei ihrer Wärter getötet hatte, mit Wechselstrom „hingerichtet“. Das Tier wurde getötet, indem es mit seinen Füßen auf Metallplatten gestellt und durch Ketten fixiert wurde, bevor Wechselstrom durch die Metallplatten geleitet wurde. Auch der elektrische Stuhl wurde für Wechselstrom entworfen und Edison schlug den Begriff „Electrocution“ oder „to westinghouse“ für die Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl vor. Westinghouse wehrte sich dagegen öffentlich. Er beauftragte einen bekannten Staranwalt mit dieser Angelegenheit. Westinghouse bangte um den Ruf seiner Firma, die mit der mutmaßlich gefährlichen Wechselspannung Geld verdienen wollte. Nach 14 Monaten war die Anhörung vorbei, und Edison durfte den elektrischen Stuhl zum Einsatz für eine Hinrichtung vorbereiten. Die meisten Experimente durch Edison und Brown fanden 1888 in Edisons West Orange Laboratorium in New Jersey statt.
Praxisgeschichte
Die elektrische Hinrichtung wurde am 1. Januar 1889 eingeführt. Im Staat New York trat ein Gesetz in Kraft, das die Hinrichtung von zum Tode verurteilten Verbrechern durch Benutzung des elektrischen Stuhls vorsah. Diese zuvor an Tieren erprobte, gegenüber dem Erhängen als „menschlicher“ empfundene Todesart kam am 6. August 1890 im Auburn-Staatsgefängnis im Bundesstaat New York erstmals zum Einsatz.
Der erste auf einem elektrischen Stuhl hingerichtete Mensch war William Kemmler, der wegen eines Axtmordes an einer Frau zum Tode verurteilt wurde. Die Hinrichtung im Auburn Prison wurde durch den State Electrician Edwin Davis durchgeführt. Kemmler wurde auf dem präparierten Stuhl festgezurrt und mit jeweils einer Elektrode am Rücken und einer am Kopf verbunden (die Beinelektrode wurde erst später eingeführt). Zunächst wurde eine Spannung von 1000 Volt eingestellt. Nachdem der Strom eingeschaltet wurde, krampfte Kemmler unter starkem Zucken und wand sich vor Schmerzen. Nach 17 Sekunden wurde der Strom erstmals abgeschaltet. Zum Entsetzen der anwesenden Ärzte und Zeugen lebte Kemmler jedoch noch. Der Verurteilte röchelte, keuchte und erbrach sich. Man entschloss sich daher, die Spannung zu verdoppeln und somit auf 2000 Volt zu erhöhen. Erst als der Strom nach weiteren 70 Sekunden abgeschaltet wurde, war der Verurteilte tot. Ein der Hinrichtung als Zeuge beiwohnender Reporter der New Yorker Presse bezeichnete anschließend diese neue Hinrichtungsmethode als eine äußerst grausame und qualvolle Art, jemanden zu töten: „Ein entsetzliches Schauspiel – weit schlimmer als Erhängen.“ Auch George Westinghouse war fassungslos: They would have done better with an axe. („Mit einer Axt hätten sie es besser gemacht.“), wird er zitiert.
Die erste Frau, die durch den elektrischen Stuhl hingerichtet wurde, war Martha M. Place am 20. März 1899. Sie wurde wegen Mordes an ihrer Stieftochter Ida zum Tode verurteilt. Auch sie starb wie zuvor schon William Kemmler durch Edwin Davis als State Electrician. Der erste elektrische Stuhl in Texas, wie in einigen anderen Staaten der USA Old Sparky genannt, wurde 1924 von einem zum Tode verurteilten Häftling erbaut und war knapp 40 Jahre in Betrieb. Erst 1964 wurde er durch ein moderneres Modell ersetzt. Besonderes Aufsehen erregte der Prozess gegen die der Spionage beschuldigten Ethel und Julius Rosenberg, die am 19. Juni 1953 exekutiert wurden. Die erste Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl nach der Aussetzung der Todesstrafe durch den Obersten Gerichtshof zwischen 1972 und 1976 fand am 25. Mai 1979 statt, als John Arthur Spenkelink in Florida hingerichtet wurde.
Nebraska ist heute der einzige Bundesstaat der USA, in dem der elektrische Stuhl die einzige Exekutionsmethode ist. Allerdings wurde diese Hinrichtungsmethode vom obersten Gericht des Bundesstaates am 8. Februar 2008 für verfassungswidrig erklärt, da sie eine besonders „grausame und ungewöhnliche“ Hinrichtungsart sei.[1] Das Gericht begründete weiter: „Es ist das Kennzeichen einer zivilisierten Gesellschaft, dass wir Grausamkeit bestrafen, ohne sie selbst anzuwenden“.[2]
Außerdem führen die Staaten Alabama, Florida, Georgia, South Carolina, Virginia und Illinois diese Methode noch immer fort, nachdem sie in vielen Staaten bereits abgeschafft worden war. In Arkansas, Kentucky und Tennessee werden die Todeskandidaten nur noch mit der Giftspritze exekutiert, allerdings können die Verurteilten, sofern das entsprechende Verbrechen noch vor dem Abschaffungsdatum stattfand, auf eigenen Wunsch auch auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet werden. Als bislang letzter Verurteilter wurde der Doppelmörder James Earl Reed in South Carolina am 20. Juni 2008 auf dem elektrischen Stuhl exekutiert.Die Philippinen verwendeten von 1924 bis 1976 ebenfalls den elektrischen Stuhl.[3] Andere Länder verzichteten auf die Benutzung des elektrischen Stuhls.
Funktionsweise
Die zur Exekution vorgesehene Person wird mit mehreren breiten Lederriemen fest am Stuhl fixiert, weil zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich durch die Stromstöße stark verkrampft. Eine Elektrode wird am Kopf befestigt, eine weitere am nackten Bein. Dem Verurteilten werden in der Regel eine Tonsur auf dem Kopf rasiert und die Kontaktstellen mit etwas Flüssigkeit (meist gesättigte Kochsalzlösung) befeuchtet. In der Regel befindet sich ein salzwasserdurchtränkter Naturschwamm zwischen Haut und Elektrode. Die Augen werden dem Verurteilten verbunden, um zu verhindern, dass die Augäpfel aus ihren Höhlen treten.
Bei der Exekution werden mindestens zwei Stromstöße angewendet, die der körperlichen Statur des Verurteilten entsprechend unterschiedlich lange andauern. Zunächst werden 2000 Volt eingesetzt, um den Widerstand der Haut zu brechen. Danach wird ein zweiter Stoß mit weniger Spannung durchgeführt, um den Stromfluss zu reduzieren und Brände zu vermeiden. Bei der Hinrichtung fließt üblicherweise ein Strom von 6–14 Ampere und der Körper erhitzt sich auf über 59 Grad Celsius. Der Tod tritt sowohl durch eine unkontrollierte Depolarisation wichtiger Muskeln (z. B. Herz und Zwerchfell) als auch durch die Denaturierung, also das Stocken von Eiweißen, ein.
Es gibt zahlreiche Berichte darüber, dass die Körper der Verurteilten zu brennen begannen oder Transformatoren überhitzten, sodass die Exekutionen unterbrochen werden mussten. 1946 versagte die Methode beispielsweise bei Willie Francis, der Berichten zufolge „Take it off! Let me breathe!“ (Deutsch: „Hört auf! Lasst mich atmen!“) schrie. Darauf sollte ein Prozess vor dem US Supreme Court (Francis vs. Resweber) [4]klären, ob Francis nun bereits hingerichtet sei oder nochmals exekutiert werden müsse. Francis verlor den Prozess und wurde ein Jahr später bei seiner zweiten Hinrichtung getötet.
Selbst bei korrekt vollzogenen Hinrichtungen können starke Verbrennungen an der Haut auftreten, sodass diese an den Kontaktstellen, zum Teil am Stuhl oder vielmehr an den Elektroden, festbrennt. Der Verurteilte verliert bei seiner Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl vollständig die Kontrolle über seine Muskulatur. Dies hat zur Folge, dass die meisten Verurteilten während der Hinrichtung defäkieren. Teilweise wurden die elektrischen Stühle an diese Bedingungen angepasst.
Referenzen
- ↑ http://www.n-tv.de/916398.html Elektrischer Stuhl in Nebraska verfassungswidrig
- ↑ Gericht verbietet elektrischen Stuhl, Focus Online, 9. Febr. 2008
- ↑ [1]
- ↑ [2]
Weblinks
- CCADP.org (Kanadische Organisation gegen die Todesstrafe – Geschichte des elektrischen Stuhls (englisch)
- Sammlung elektrischer Stühle – bizarr und affirmativ zur Todesstrafe
- Reto U. Schneider: Die «menschliche» Hinrichtung. Artikel über Elektrokutionsexperimente aus NZZ-Folio
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