Entführung der Landshut

Entführung der Landshut

Die Entführung des Flugzeugs Landshut (Boeing 737-200 der Lufthansa) am 13. Oktober 1977 und die erfolgreiche Befreiung der Geiseln am 18. Oktober 1977 war Teil des so genannten Deutschen Herbstes. Das Ereignis stand in engem Zusammenhang mit der Schleyer-Entführung, der Entführung des damaligen Arbeitgeberpräsidenten in der Bundesrepublik Deutschland durch die Rote Armee Fraktion (RAF). Damit sollte die Freilassung von inhaftierten Mitgliedern der so genannten ersten Generation der RAF erpresst werden. Die Geiselbefreiung in Mogadischu war Anlass für die Selbstmorde der führenden RAF-Mitglieder Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in der so genannten Todesnacht von Stammheim. Deren Tod hatte unmittelbar die Ermordung von Hanns Martin Schleyer zur Folge.

Inhaltsverzeichnis

Verlauf der Entführung

Beginn

Am 13. Oktober 1977 wurde die Lufthansa-Maschine mit der Flugnummer LH 181, die planmäßig von Palma de Mallorca (Spanien) nach Frankfurt am Main fliegen sollte, von einem aus vier Personen – zwei Männern und zwei Frauen – bestehenden palästinensischen Terrorkommando der PFLP namens Martyr Halimeh entführt. Sie hatten – in Kosmetikkoffern und einem Radio versteckt – zwei Pistolen, vier Handgranaten und etwa 500 Gramm Plastiksprengstoff an Bord gebracht.[1] Ihr Anführer war der dreiundzwanzigjährige Zohair Youssif Akache, der sich Captain Martyr Mahmud nannte. Die drei anderen Entführer waren die arabische Israelin Suhaila Sayeh (nach ihrer Heirat später Souhaila Andrawes) alias Soraya Ansari und die im Libanon geborenen Wabil Harb alias Riza Abbasi und Hind Alameh alias Shanaz Gholoun. An Bord des Flugzeugs befanden sich neben den Entführern 82 Passagiere und fünf Besatzungsmitglieder, darunter, drei Mitglieder der Crew einberechnet, mindestens 23 Deutsche.

Verlauf

Route der Flugzeugentführung

Die Maschine wurde im französischen Luftraum entführt und nach Rom geleitet, wo sie aufgetankt wurde und Mahmud erstmals die Forderungen seines Kommandos verkündete. Diese waren identisch mit denen der Entführer von Hanns Martin Schleyer: die Freilassung von elf in Deutschland inhaftierten RAF-Terroristen. Zusätzlich forderte man die Entlassung zweier Gesinnungsgenossen aus der türkischen Haft sowie 15 Millionen US-Dollar.

Von Rom aus flog die Maschine über Larnaka und Bahrain weiter nach Dubai. Hier gelang es am 16. Oktober dem Piloten Jürgen Schumann den Behörden Informationen über die Anzahl der Entführer mitzuteilen. Durch ein Interview des Verteidigungsministers von Dubai – der heutige Herrscher des Emirats Dubai und Premierminister, Verteidigungsminister sowie Vizepräsident der Vereinigten Arabischen Emirate Muhammad ibn Raschid Al Maktum – erfuhren auch die Entführer davon. Daraufhin ließ Mahmud den Flugkapitän im Gang niederknien und drohte, ihn bei einem weiteren Vorfall zu erschießen.

Seit Larnaka folgte den Entführern eine Maschine mit Beamten der GSG 9. Nach erneutem Auftanken flog die Landshut weiter nach Aden im damaligen Südjemen. Die dortige Regierung ließ jedoch alle Landebahnen blockieren. Da der Treibstoff zur Neige ging, blieb der Crew keine andere Möglichkeit, als die Landshut auf einem Sandstreifen neben der Startbahn zu landen. Dem Kapitän wurde das Verlassen des Flugzeugs gestattet, um das Fahrwerk zu inspizieren. Jürgen Schumann kehrte erst nach längerer Zeit und mehreren Anrufen Mahmuds zum Flugzeug zurück. Die Gründe für das zwischenzeitliche Verschwinden des Kapitäns sind unbekannt. Es wird vermutet, dass er von den jemenitischen Behörden in Gewahrsam genommen wurde und deshalb erst verspätet zurückkehren konnte. Scheich Ahmed Mansur, der Kommandeur der Sondereinheit, die das Flugzeug umstellt hatte, behauptet, dass Schumann ihn im Flughafengebäude dazu bewegen wollte, auf die Forderungen der Entführer einzugehen und damit den Weiterflug zu verhindern.[2][3] Mahmud erschoss Schumann nach dessen Rückkehr im Mittelgang des Flugzeugs mit einem gezielten Kopfschuss, bevor dieser die Gründe seines Verschwindens darlegen konnte. Dies geschah offenbar auch, um den Forderungen der Entführer mehr Nachdruck zu verleihen.

Mogadischu

Die Maschine wurde erneut aufgetankt, hob am 17. Oktober ab, nur noch von dem Copiloten Jürgen Vietor gesteuert und nahm Kurs auf die somalische Hauptstadt Mogadischu, wo sie gegen 4:30 Uhr (MEZ) landete. Da die Behörden im Südjemen das Ausladen der Leiche des Piloten untersagt hatten, wurde sie erst hier über eine Notrutsche aus dem Flugzeug geschafft. Die Entführer setzten ein Ultimatum bis 15 Uhr MEZ, um die RAF-Mitglieder aus der Justizvollzugsanstalt Stuttgart zu entlassen.

Damit die Zeit ausreichte, den Hauptteil des Kommandos der deutschen GSG-9 vor Ort zu schaffen, wurden die Entführer mit der Nachricht getäuscht, ihrer Forderung würde nachgegeben, die Überführung der RAF-Gefangenen nach Mogadischu aber würde mehrere Stunden benötigen. Daraufhin verlängerten die Entführer, die in der Zwischenzeit bereits die Passagiere mit Alkohol übergossen und ihre Sprengkörper scharf gemacht hatten, das Ultimatum erneut, diesmal bis zum 18. Oktober, 1:30 Uhr MEZ.

Somalia befand sich in dieser Zeit in einem kriegerisch ausgetragenen Konflikt mit Äthiopien. Wie das Nachbarland bezog es seine Waffen aus der Sowjetunion. Um die Auseinandersetzung zu gewinnen, war es an einer Annäherung an den Westen und westlichen Waffenlieferungen interessiert, die bis zur Landshut-Entführung jedoch abgelehnt wurden.[4] Das Land galt gleichzeitig als palästinenserfreundlich, was ein Grund der Entführer gewesen sein mag, nach mehreren Landeverboten anderer Staaten Mogadischu anzufliegen. Somalias Präsident Siad Barre wurde die Lieferung von Waffen in Aussicht gestellt sowie über die Nationalität der Entführer getäuscht und im Glauben gelassen, es handele sich um drei Deutsche und einen Palästinenser. Daraufhin stimmte er einer „Joint-Operation“, also einer gemeinsamen Befreiungsaktion zu.[5]

Werner Maihofer begrüßt Wischnewski nach Verlassen der Sondermaschine am 20. Oktober, Aufnahme aus dem Bundesarchiv

Am 18. Oktober um 0:05 Uhr MEZ stürmte das GSG-9-Kommando unter Führung von Ulrich Wegener in der Operation Feuerzauber die in Mogadischu gelandete Landshut. Während der siebenminütigen Aktion wurden drei der vier Geiselnehmer getötet, lediglich Souhaila Andrawes überlebte. Außerdem wurden ein GSG-9-Mann sowie die Stewardess Gabriele Dillmann (heute Gabriele von Lutzau) verletzt. Um 0:12 Uhr MEZ konnte der mitgereiste Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt den erfolgreichen Abschluss der Aktion melden.

Es wurde immer wieder behauptet, an der Operation seien auch zwei Angehörige der britischen Spezialeinheit SAS sowie indirekt ein somalisches Ranger-Bataillon beteiligt gewesen. Wegener dementierte dies zuletzt in einem Interview mit der Welt vom 13. Oktober 2007.[6] Darin spricht er davon, dass ihm von der SAS sowohl planerische Unterstützung als auch neu entwickelte Blendgranaten angeboten worden waren. Er entschloss sich jedoch nach einem Test der Granaten in Dubai, diese nicht im Flugzeug zu verwenden. Ebenso lehnte er die vom SAS vorgeschlagene Taktik zugunsten eigener Überlegungen ab, d.h. der Zugriff erfolgte über alle Ein- und Ausgänge der Maschine und nicht bloß über einen Zugang.

Folgen

Die inhaftierten RAF-Mitglieder Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin und Andreas Baader begingen am Morgen des 18. Oktober Selbstmord. Irmgard Möller überlebte die so genannte Todesnacht von Stammheim. Am Tag darauf gab die RAF die Ermordung von Hanns Martin Schleyer bekannt. Seine Leiche wurde am 19. Oktober 1977 in Mülhausen im französischen Elsass aufgefunden.

Die Befreiungsaktion geschah auf Befehl der Bundesregierung. Wie der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt später zugab, hätte er im Falle eines Scheiterns der Befreiungsaktion oder bei zu vielen toten Geiseln seinen Rücktritt eingereicht. Es lag bereits eine fertige Rücktrittserklärung vor, die nach der geglückten Aktion vernichtet wurde.[7]

Die Einsatzgruppe des Bundesgrenzschutz (BGS) beim Verlassen der Lufthansa-Sondermaschine „Stuttgart“ am 17. Oktober, Aufnahme aus dem Bundesarchiv

Durch den Erfolg der Operation erlangte die bis dato nahezu unbekannte GSG 9 internationale Bekanntheit.

Dass die geplante Kernfusionsanlage JET nicht wie zunächst von der westdeutschen Regierung favorisiert in Garching bei München auf dem Gelände des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik gebaut wurde, sondern im britischen Culham, war keine unmittelbare Folge der Befreiungsaktion im Sinne eines Dankes an die britische Regierung für die angebotene Unterstützung, wie es zum Teil behauptet wird.[8] Grund für die Unterstützung des britischen Standorts war vielmehr, dass der Ministerrat sich bereits mehrheitlich in einer Probeumfrage für Culham ausgesprochen hatte und die westdeutsche Regierung zur Gesichtswahrung ihren Vorschlag zurückzog.[9]

Somalia erhielt von der Bundesrepublik Deutschland eine staatliche Entwicklungshilfe in Höhe von 100 Millionen DM.

Landshut nach der Entführung

Die ehemalige „Landshut“ am 24. Oktober 2007 in Fortaleza, Brasilien

Entgegen landläufiger Meinung ist die „Landshut“ (Seriennummer 20254-230) nicht nach der Stürmung der Maschine in Mogadischu aufgrund der Beschädigungen außer Dienst gestellt worden. Sie flog bis 1985 unter der deutschen Registrierung D-ABCE für die Deutsche Lufthansa, wurde dann in die Vereinigten Staaten verkauft, flog 1987 bis 1988 in Südafrika für eine Cargogesellschaft und 1990 bis 1995 für eine französische Fluggesellschaft. Nach einem weiteren Verkauf wurde die ehemalige Landshut für den Gütertransport in Malaysia eingesetzt, 1997 in Indonesien zugelassen. Sie ging noch im selben Jahr wieder an die TransMile Indonesia Air zurück, 2002 erfolgte der letzte Eigentümerwechsel: bis zum Januar 2008 wurde sie für die TAF (Transporte Aéreo Fortaleza) Linhas Aereas unter dem Kennzeichen PT-MTB in Brasilien eingesetzt. Aufgrund eines schweren technischen Defekts am 14. Januar kurz vor dem Start in Fortaleza, Brasilien wurde das Flugzeug offiziell für fluguntauglich erklärt und noch am selben Tag endgültig, nach 38 Jahren und ca. 30.000 Flügen, außer Dienst gestellt. Sie ist auf einem abgelegenen Teil des Flughafens abgestellt.[10]

Der Name „Landshut“ wird von der Lufthansa weiter verwendet, im Jahr 2007 für einen Airbus A330 mit der Registrierung D-AIKE. [11]

Verfilmung

Die Entführung der Landshut war 1997 ein zentrales Element des zweiten Teils des Doku-Dramas Todesspiel von Heinrich Breloer. Der Anführer des Terrorkommandos, Zohair Youssif Akache alias "Captain Martyr Mahmud", wurde dabei von Birol Ünel verkörpert, Manfred Zapatka war als Bundeskanzler Helmut Schmidt zu sehen.

Die ARD ließ 2008 die Landshut-Entführung unter dem Titel Mogadischu verfilmen. Unter der Regie von Roland Suso Richter spielten Thomas Kretschmann den Kapitän Jürgen Schumann, Simon Verhoeven den Co-Piloten Jürgen Vietor[12], Saïd Taghmaoui den Terroristen "Captain Mahmud", Nadja Uhl die Stewardess Gabriele Dillmann, Christian Berkel den Bundeskanzler Schmidt, Jürgen Tarrach den Sondergesandten Hans-Jürgen Wischnewski und Herbert Knaup den GSG-9-Chef Ulrich Wegener.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Süddeutsche: Die "Landshut" wird entführt vom 12. Oktober 2007
  2. onlineFocus vom 25. August 2007 (abgerufen am 19. Juli 2008)
  3. Michael Hanfeld: Der wahre Held der „Landshut“, faz-net, 1. Dezember 2007 (abgerufen am 19. Juli 2008)
  4. einestages 29. September 2008
  5. ZDF Dokumentation „Das Wunder von Mogadischu“ 4. September 2007
  6. Interview mit Ulrich Wegener, Welt Online, 13. Oktober 2007 (abgerufen am 30. November 2008)
  7. Helmut Schmidt in der n-tv-Dokumentation Der Terror der RAF
  8. Denis Willson: A European Experiment: The Launching of the JET Project. Hilger, Bristol 1981, ISBN 0-85274-543-5
  9. Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1977. 1. Juli bis 31. Dezember, erschienen 2008, ISBN 978-3-48658-338-0, S. 1414–1416
  10. Airliners.net/ Airfleets.net
  11. http://www.charliebravo.de/lhtaufnamen/index.php
  12. http://www.welt.de/berlin/article1144910/Thomas_Kretschmann_spielt_Landshut-Pilot.html

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