- Enzyklopädisten
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In seinem engeren Sinne bezeichnet der Begriff Enzyklopädist die Beiträger zu den siebzehn zwischen Juni 1751 und Dezember 1765 erschienenen Textbänden der Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers.
Inhaltsverzeichnis
Die Beiträger zur Encyclopédie
Herkunft
Der familiäre Hintergrund von 114 der insgesamt 140 namentlich bekannten Beiträger zur Encyclopédie ist – zumindest in Umrissen – bekannt.[1] Mindestens sechs der sechzehn nicht-französischen und vier der 124 französischen Enzyklopädisten entstammten dem Hochadel. Der polnische Graf Ogiński gehörte zu einer der führenden Adelsfamilien des Großherzogtums Litauen, die Familien Neckers, Tronchins, Lubières', Bertrands und Poliers zum Schweizer Patriziat. Unter den Franzosen kamen Boufflers, Jaucourt, Tressans und Turgot aus hochadeligen Familien. Mindestens 36 weitere Enzyklopädisten entstammten dem niederen Adel, etwa Bordeu, dessen Vater als Arzt in Izeste bei Pau in eine Adelsfamilie eingeheiratet hatte, oder Bourgelat, dessen Vater, ein reicher Lyonnaiser Tuchhändler, für seine Verdienste als Ratsherr (échevin) nobilitiert wurde. Von den übrigen 130 stammten mindestens 31 aus Familien des gehobenen Bürgertums; ihre Väter waren etwa Ärzte, Apotheker, Anwälte, Richter, Großhandelskaufleute oder Ingenieure. Vier gehörten dem niederen Bürgertum an; ihre Väter waren etwa Grundschullehrer oder Krämer. Mindestens 16 Enzyklopädisten kamen aus Handwerkerfamilien, wie etwa der Uhrmacher Berthoud oder der Goldschmied Magimel. Dies wirkte sich aber nicht zwangsläufig negativ auf ihren Bildungsgrad aus, wie der Fall Diderots zeigt, dessen Vater – ein erfolgreicher Messerschmiedemeister – ihm eine bestmögliche Ausbildung angedeihen ließ.
Bildungsgrad
Die meisten der 140 namentlich bekannten Enzyklopädisten hatten eine ausgezeichnete Ausbildung durchlaufen. Fälle wie derjenige Jean Romillys, der schon früh im väterlichen Uhrmacherbetrieb mitarbeiten musste und dessen Manuskripte überdurchschnittlich viele Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehler aufwiesen, waren die Ausnahme. Bei insgesamt 87 Enzyklopädisten und damit rund 62 Prozent, ist der Besuch eines collège belegt. Von diesen besuchten neun protestantische Schulen außerhalb Frankreichs, wie etwa Jaucourt, dessen Vater ihn an die Académie de Genève schickte, an der auch andere Enzyklopädisten Aufnahme fanden. Mindestens 25 der aus Frankreich stammenden Enzyklopädisten besuchten von Jesuiten geleitete collèges, darunter 18 solche, die dem Jansenismus nahestanden. Im Anschluss an ihre Schulausbildung besuchte die Mehrzahl der Enzyklopädisten die Universität, wobei sich die meisten für Medizin, Recht oder Theologie einschrieben. 24 erreichten den Grad eines Doktors der Medizin, 25 weitere erzielten einen Abschluss als Juristen. Zusammenfassend bezeichnet Kafker die Enzyklopädisten als eine für ihre Zeit außergewöhnlich gebildete Gruppe, deren Bildungsgrad ihren jeweiligen sozialen Aufstieg sehr gefördert habe.[2]
Berufe
Unter den Berufen der Enzyklopädisten lassen sich drei größere Gruppen ausmachen: 23 unter ihnen praktizierten als Ärzte, 24 lehrten an Schulen oder Universitäten und weitere 24 dienten als königliche Beamte. Die nächstgrößere Gruppe war die der Kleriker, die sich in sechs katholische Pfarrer und vier protestantische Pastoren aufteilte. Neun weitere arbeiteten als Anwälte und Richter. Militärische Karrieren hatten dagegen nur wenige der Enzyklopädisten eingeschlagen; unter diesen nahm Ogiński als General der litauischen Armee den höchsten Rang ein. Vier der Enzyklopädisten waren Unternehmer. Allut übernahm die Glasmanufaktur seines Vaters, Bouchu war in der Eisenverarbeitung tätig und die beiden Verleger der Encyclopédie David und Le Breton gehörten zur Pariser Buchhändler- und Druckergilde, der Communauté des libraires et imprimeurs. Darüber hinaus waren zwei als Architekten (Blondel und Lucotte), einer als Diplomat (Grimm), einer als Apotheker (Montet), zwei als Geographen (d’Anville und Robert de Vaugondy) und einer als Bildhauer (Falconet) tätig.
Die Anwerbung der Beiträger
1745 – 1747
Im Herbst 1745 war der erste Anlauf zur Übersetzung der Cyclopedia, einem von Zeitgenossen hochgelobten Werk des Engländers Chambers ins Französische gescheitert. Die im Frühjahr 1745 erschienene Ankündigung einer auf der Cyclopedia basierenden Encyclopédie, ou Dictionnaire universel des arts & des sciences war vom Publikum jedoch mit so großem Interesse aufgenommen worden, dass der Pariser Verleger Le Breton im Oktober einen Neubeginn wagte und zu diesem Zweck nach geeigneten Autoren suchte. Wann genau Le Breton den späteren Herausgeber der Encyclopédie Diderot für das Projekt gewinnen konnte, ist nicht mit letzter Sicherheit festzustellen. Der Diderot-Biograph Arthur M. Wilson verweist auf die Möglichkeit, dass Antoine-Claude Briasson, einer der drei im Oktober 1745 von Le Breton als Partner herangezogenen Verleger den Kontakt vermittelt haben könnte, da Briasson bereits als Verleger von Diderots Übersetzung der Grecian history mit diesem in Kontakt stand.[3] Nach einer anderen – vor allem auf eine Überlieferung durch Condorcet gestützte – Variante war es der zwischenzeitlich als Herausgeber des Projektes fungierende Mathematiker Abbé Gua de Malves, der sowohl den Kontakt zu d’Alembert als auch den zu Diderot vermittelte. Für diese Variante spricht, dass Gua de Malves' Name gleichzeitig mit demjenigen d’Alemberts im Dezember 1745 in den Rechnungsbüchern Le Bretons auftaucht – ein paar Wochen vor der erstmaligen Erwähnung Diderots. Dagegen spricht allerdings, dass Concorcet in seiner 1786 anlässlich des Todes von Gua de Malves unternommenen Rückschau auf die Anfänge des Projektes auch andere angeblich von diesem angeworbene Autoren nennt, die jedoch nie für die Encyclopédie schrieben.[3] Die Tatsache, dass sowohl Gua de Malves als auch d’Alembert Mathematiker waren, legt es jedoch zumindest nahe, dass Gua de Malves d’Alembert anwarb, denn auch der Kontakt zu Pierre Tarin, einem anderen schon in dieser Phase beteiligten Beiträger und späteren Hauptautor der Artikel zur Anatomie und Physiologie, kam durch dessen Bekanntschaft mit Gua de Malves zustande. Eidous und Toussaint – beides wiederum spätere Hauptautoren – waren Freunde von Diderot und hatten diesem bei der Übersetzung des Medicinal dictionary von Robert James zur Seite gestanden.[4]
1747 – 1757
Nachdem Gua de Malves das Projekt bereits am 3. August 1747 verlassen hatte, übernahmen Diderot und d’Alembert die Verantwortung für die Encyclopédie. Ungeklärt ist dabei, inwieweit die Entscheidung, das Lexikonprojekt von einer reinen Übersetzung und Überarbeitung der Cyclopédia auf den späteren Umfang zu erweitern, von Diderot und d’Alembert oder bereits von Gua de Malves ausging. Für die erste Variante spricht jedoch, dass der Kreis der Mitarbeiter vor dem Ausscheiden Gua de Malves' noch verhältnismäßig klein war und die Anwerbung geeigneter Autoren mit der Übernahme der Herausgeberschaft durch Diderot und d’Alembert in eine neue Phase eintrat. D’Alembert, dessen wissenschaftliche Reputation zu jener Zeit größer als diejenige Diderots war, spielte hierbei eine zentrale Rolle. 1753 warb er Montesquieu für das Projekt an und wahrscheinlich war er es auch, der ein Jahr später Voltaire zur Mitarbeit bewegen konnte. Über bereits bestehende Kontakte stellte d’Alembert darüber hinaus auch die Verbindung zu Le Sage, dem späteren Autor des Artikels zur mathematischen Logik und zu seinem Kollegen La Chapelle, dem späteren Hauptautor im Themenbereich Mathematik her. Diderot verfolgte bei der Anwerbung dieselbe Strategie der Ausnutzung bestehender Kontakte. Bouchu, der spätere Autor des langen Artikels „Forges (Grosses-)“ kam aus Diderots Heimatstadt Langres, mit Rousseau, dem späteren Hauptbeiträger auf dem Gebiet der Musik, war Diderot bereits seit dessen Übersiedlung nach Paris zu Beginn der 1740er Jahre freundschaftlich verbunden. Viele andere Enzyklopädisten wie Le Roy, Daubenton, Marmontel oder Saint-Lambert kannten sowohl Diderot als auch d’Alembert.
Nach 1757
Nach dem Skandal um d’Alemberts Artikel „Genève“ im Jahr 1757 stellte eine Reihe der etablierten Beiträger die Mitarbeit ein.
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Alphabetische Liste der namentlich bekannten Autoren
Die nachfolgende Liste erfasst alle 140 namentlich bekannten Beiträger zur Encyclopédie in alphabetischer Reihenfolge. Hauptbeiträger (nach Kafker) sind hervorgehoben.
A- Abbes
- Alembert; Naturwissenschaften, aber auch eine Reihe anderer Themen wie Religion und Philosophie
- Allard
- Allut
- Anville
- Argenville; Gartenbau
- Arnauld
- Aumont; Medizin
- Authville
B- Barthez, Paul-Joseph
- Barthez de Marmorières
- Beauzée; Grammatik
- Bellin; Maritimes
- Berthoud
- Bertrand
- Blondel; Architektur
- Bordeu
- Bouchaud
- Boucher d’Argis; Jurisprudenz
- Bouchu
- Boufflers
- Bouillet, Jean
- Bouillet, Jean-Henri-Nicolas
- Boulanger
- Bourgelat; Pferde
- Brisson
- Brosses
- Brullé
C- Cahusac; Tanz, Musik und Feste
- Collot
- Compt
D- Damilaville
- Daubenton, Louis-Jean-Marie; Biologie
- Daubenton, Pierre
- David
- Deleyre
- Desmahis
- Desmarest
- Diderot; Religion, Philosophie, Politik, Wirtschaft und viele weitere Themenbereiche
- Douchet
- Duclos
- Dufour
- Du Marsais; Grammatik
- Durival, Jean Luton
- Durival, Nicolas Luton
E- Eidous; Heraldik, Hufschmiedekunst, Reitkunst
F- Faiguet
- Falconet
- Fenouillot
- Formey; Religion, Philosophie, Wissenschaft und andere Themen
- Fortbonnais
- Fouquet
G- Genson
- Goussier
- Grimm
- Grosley
- Gueneau
- Guillotte
H- Holbach; Wissenschaft, Religion, Politik und andere Themen
J- Jaucourt; Religion, Politik, Wirtschaft, Medizin, Literatur und viele andere Themen
K- Kurdwanowski
L- La Bassée
- La Chapelle; Mathematik
- La Condamine
- La Motte-Conflans
- Landois; Kunst
- Lavirotte
- Le Blond; Militärwesen
- Le Breton
- Lefebvre
- Le Moniier
- Lenglet
- Le Romain
- Le Roy, Charles
- Le Roy, Charles-Georges
- Le Roy, Jean-Baptiste; Technik
- Le Sage
- Lezay-Marnésia
- Liebault
- Louis; Chirurgie
- Lubières
- Lucotte
M- Magimel
- Mallet; Handel, Geschichte, Literatur, Religion und weitere Themen
- Malouin
- Margency
- Marmontel
- Menuret
- Millot
- Monnoye
- Montamy
- Montdorge
- Montesquieu
- Montet
- Montlovier
- Morand
- Morellet
N- Naigeaon
- Necker
OP- Paillasson
- Papillon
- Paris de Meyzieu
- Penchenier
- Perrinet d'Orval
- Perronet
- Pesselier
- Pestre
- Petit
- Pezay
- Polier
- Prades
QRS- Saint-Lambert
- Sanchez
- Sauvages
- Seguiran
- Soubeyran
T- Tarin; Anatomie und Physiologie
- Thomas
- Toussaint; Jurisprudenz
- Tressan
- Tronchin
- Turgot
V- Vandenesse; Medizin und Pharmazie
- Venel; Chemie, Medizin und andere Themen
- Villiers
- Vinfrais
- Voglie
- Voltaire
W- Watelet
- Willermoz
Y- Yvon
Übersicht über die verwendeten Autorensiglen
Sigle Autor * Diderot — Holbach a Lenglet A Boucher d’Argis b Venel (siehe auch „B“) B Cahusac (manchmal auch irrtümlich mit „b“ gekennzeichnet) B.E.R.M. Beauzée (siehe auch „E.R.M.“) c Daubenton, Pierre C Pestre d Aumont D Goussier D.J. Jaucourt e Bourgelat E La Chapelle E.R.M. Beauzee und Douchet (siehe auch „B.E.R.M.“) f Villiers F Du Marsais g Barthez, Paul-Joseph G Mallet h Morellet (in den Bänden 8, 11 und 14 möglicherweise auch irrtümlich mit „H“ gekennzeichnet) H Toussaint (siehe auch „h“) I Daubenton, Louis-Jean-Marie K Argenville L Tarin m Menuret (in den Bänden 9 und 10 manchmal irrtümlich mit „M“ gekennzeichnet) M Malouin (siehe auch „m“) N Vandenesse O Alembert P Blondel Q Le Blond (manchmal auch irrtümlich mit „q“ gekennzeichnet) R Landois S Rousseau (manchmal auch irrtümlich mit „s“ gekennzeichnet) T Le Roy, Jean-Baptiste V Eidous V.D.F. Fortbonnais X Yvon Y Louis Z Bellin Literatur
Hilfsmittel
- Frank Arthur Kafker: The encyclopedists as individuals: a biographical dictionary of the authors of the Encyclopédie, Oxford 1988, ISBN 0-7294-0368-8.
- Richard N. Schwab / Walter E. Rex (Hrsg.): Inventory of Diderot’s Encyclopédie, 7 Bände, Oxford 1971–1984.
Darstellungen
- Frank Arthur Kafker: The encyclopedists as a group: a collective biography of the authors of the Encyclopédie, Oxford 1996, ISBN 0-7294-0521-4.
- John Lough: The contributors of the Encyclopédie, in: Richard N. Schwab / Walter E. Rex (Hrsg.): Inventory of Diderot's Encyclopédie, Band 7: Inventory of the plates, with a study of the contributors to the Encyclopédie, Oxford 1984, ISBN 0-7294-0310-6, S. 484–517.
- Frank Arthur Kafker: A List of Contributors to Diderot’s Encyclopedia, in: French Historical Studies 3, 1 (1963), S. 106–122.
- Jacques Proust: Diderot et l’Encyclopédie, Paris 1962.
Anmerkungen
- ↑ Hierzu und zum folgenden vgl. Kafker, The Encylopedists as a group, Kapitel „The Encyclopedists before the publication of the Encyclopédie“, S. 3–16.
- ↑ „For their time, the Encyclopedists were an exceptionally well-educated group, and their education faciliated their social ascent“, Kafker, The Encylopedists as a group, S. 9.
- ↑ a b Arthur M. Wilson, Diderot, New York 1972, S. 78f.
- ↑ Kafker, The Encylopedists as a group, S. 36f.
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