Epistyl

Epistyl
Gebälk am Tempel des Hephaistos von oben nach unten:
Geison
Fries mit Triglyphen
Architrav
Tempel E in Selinunt mit Architrav und Teil des Frieses

Der Architrav (von italienisch architrave, aus griechisch ἀρχι, archi-, Ober-, Haupt- und lateinisch trabs, Balken) ist ein auf einer Stützenreihe ruhender Horizontalbalken. In der Antike wurde der Architrav auch Epistyl genannt, da er hier meist auf Säulen ruht (Epistyl von griechisch auf den Säulen liegend).

Der Architrav verteilt die Last der oberen Architekturglieder, insbesondere des zur Dachkonstruktion gehörenden Gebälkes, auf Pfeiler oder Säulen, kann aber auch am oberen Wandabschluss vorkommen. Er erscheint bereits in der ägyptischen, vorderasiatischen und vorgriechischen Bauweise. Man unterscheidet zwischen monolithischem und mehrreihigem Architrav, bei dem mehrere Blöcke hintereinander zu liegen kommen.

Je nach Baustil kommen in der Architektur unterschiedliche Ausbildungen des Architravs zum Einsatz. Vor allem für die dorische und die ionische Ordnung wurden in der griechischen Architektur verschiedene Formen entwickelt, die später auch für die korinthische Ordnung eingesetzt wurden. Die römische Architektur modifiziert hingegen die griechischen Architravformen nur leicht. Bei der Dimensionierung der Architravblöcke ging man bis an die Grenzen des technisch Umsetzbaren. So wog etwa der mittlere Architravblock am Artemision von Ephesos 24 Tonnen und musste mittels Flaschenzügen auf über 20 Meter Höhe gehoben werden.

Der dorische Architrav ist meist glatt und wird an seinem oberen Ende von einer Taenia genannten, vortretenden Abschlussleiste bekrönt. An der überstehenden Unterseite dieser Taenia sind wiederum kleine Leisten, Regulae, angebracht, an denen konische Tropfen, die Guttae, hängen. Die Anzahl dieser Guttae ist klassischer Weise auf sechs festgelegt, doch kommen gerade in der Frühzeit der dorischen Steinarchitektur auch Ausbildungen mit vier Guttae vor. Die Regulae sind so verteilt, dass je eine Regula einer Triglyphe des dorischen Triglyphenfrieses korrespondiert. Obgleich die Außenseite des Architravs normalerweise glatt gearbeitet sein sollte, gibt es auch Ausnahmen, bei denen der Architrav Träger figürlicher Reliefs ist, etwa am Athenatempel in Assos. Die ursprünglich sehr mächtigen und hohen Architrave der dorischen Architektur werden im Verlauf der Entwicklung flacher und erreichen in klassischer Zeit nurmehr ungefähr zwei Drittel des unteren Säulendurchmessers an Höhe. In der römischen Architektur kann der dorische Architrav gar nur auf eine flache Platte reduziert sein.

Der Architrav der ionischen und der korinthische Ordnung kann ebenfalls glatt gearbeitet sein, weist aber in der Regel zwei oder – klassisch – drei horizontale Streifen, sogenannte Fascien, auf. Je nachdem spricht man von einem Zwei- oder Drei-Fascien-Architrav, und Fenster oder Türen, die mit Fascien umzogen sind, bezeichnet man daher auch als architraviert. Die oberen Fascien der Architrave kragen jeweils leicht vor die unteren. Den oberen Abschluss bildet ein Wellenprofil, das meist mit einem Eierstab zwischen Astragalen verziert ist. Auch in der ionischen Architektur gibt es Ausnahmen von der Regel, die Architravfläche nicht mit Reliefs zu verzieren. So waren etwa am archaischen Apollontempel von Didyma die Architravecken mit Gorgonen verziert, denen sich Löwen an den Seiten anschlossen. Allerdings kannte der frühe ionische Tempel keinen eigenständigen Fries als Bauglied, der derartige Reliefs hätte aufnehmen können.

Ab dem Hellenismus konnte die Unterseite ionischer Architrave, insbesondere an Bauten korinthischer Ordnung mit Soffitten geschmückt sein, die mit einfachen Rundstäben oder floralen Ornamenten gefüllt waren. Auch ergreift der Dekorationswille der Architekten und Bauherren ab der späten Republik und im Prinzipat von den Fascien Besitz, deren Übergänge nun mit Wellenprofilen, etwa dem lesbischen Kymation, und ganzen Profilabfolgen überzogen werden.

Literatur

  • Heiner Knell: Architektur der Griechen: Grundzüge. Wiss. Buchges., Darmstadt 1988, ISBN 3-534-80028-1
  • Wolfgang Müller-Wiener: Griechisches Bauwesen in der Antike. C.H.Beck, München 1988, ISBN 3-406-32993-4
  • Gottfried Gruben: Die Tempel der Griechen. Hirmer, München 2001 (5. Aufl.), ISBN 3-7774-8460-1

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