- Erdbebenwelle
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Seismische Wellen, auch Erdbebenwellen genannt, werden bei einem Erdbeben durch den so genannten Herdvorgang ausgelöst und breiten sich von dort radial im Erdinneren aus. Auf ihrem Weg durch das Erdinnere können diese Wellen gebrochen, reflektiert, gebeugt, gestreut, absorbiert und umgewandelt werden. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Erdbebenwellen ist abhängig vom Wellentyp und vom Material, das die Wellen durchlaufen. Insbesondere auf den Materialeigenschaften beruht die Erforschung des Erdinneren anhand von durch Erdbeben ausgelösten oder durch Sprengung oder Vibration hervorgerufenen seismischen Wellen.
Man unterscheidet zunächst grundsätzlich zwischen Raumwellen (P- und S-Wellen) und Oberflächenwellen (Love- und Rayleigh-Wellen).
Inhaltsverzeichnis
Raumwellen
Die Bezeichnungen der im folgenden beschriebenen Primärwellen (P-Wellen) und Sekundärwellen (S-Wellen) beziehen sich darauf, dass sich erstere schneller ausbreiten. An einem vom Bebenherd entfernten Ort werden zuerst die P-Wellen und erst später die S-Wellen aufgezeichnet. Aus der Zeitdifferenz zwischen dem Einsetzen der P- und der S-Wellen kann die Entfernung zum Herd errechnet werden. Können an drei verschiedenen Orten auf diese Weise die Entfernung zum Bebenherd und die Laufrichtung der Wellen bestimmt werden, kann der Bebenherd im Rahmen der Messgenauigkeit bestimmt werden.
P-Wellen
Die P-Wellen oder Primärwellen schwingen in Ausbreitungsrichtung (Longitudinalwelle) und können sich in festen Körpern, Flüssigkeiten und Gasen ausbreiten. Es handelt sich dabei um Verdichtungswellen (auch: Druck- oder Kompressionswellen). Ein alltägliches Beispiel für Verdichtungswellen ist der Schall in der Luft oder im Wasser. Die P-Wellen können sich in festen Gesteinen, aber auch in Flüssigkeiten wie Wasser oder den quasi flüssigen Teilen des Erdinneren ausbreiten. Wie bei Schallwellen in der Luft werden hier die Teilchen im Boden geschoben und gezogen, wobei die Bewegung in Ausbreitungsrichtung der Welle erfolgt.
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der P-Wellen lässt sich mit folgender Formel berechnen:
wobei K der Kompressionsmodul, μ der Schermodul und ρ die Dichte des die Welle durchlaufenden Materials ist.
Obwohl die Dichte innerhalb der Erde mit der Tiefe ansteigt, wird dieser Effekt in der obigen Formel durch ein stärkeres Ansteigen von K and μ überkompensiert, so daß man i.a. ein Ansteigen der P-Wellen Geschwindigkeit mit der Tiefe beobachtet.
In der Erdkruste liegen die Werte der P-Wellen Geschwindigkeit zwischen 5000 bis 7000 m/s (zum Vergleich: Schallgeschwindigkeit in Luft ca. 340 m/s, in Granit ca. 5000 m/s, in Wasser ca. 1500 m/s) und über 8000 m/s in Erdmantel und -kern[1].
S-Wellen
Die S-Wellen oder Sekundärwellen schwingen quer zur Ausbreitungsrichtung (Transversalwelle). Da sie zur Verscherung des Ausbreitungsmediums führen, werden sie auch Scherwellen genannt. S-Wellen können sich in festen Körpern, jedoch nicht in Flüssigkeiten oder Gasen ausbreiten, da die beiden letzteren keinen (nennenswerten) Scherwiderstand haben. Man kann daher flüssige Bereiche im Erdinneren daran erkennen, dass dort keine S-Wellen laufen.
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der S-Wellen berechnet sich mit folgender Formel:
Mit typischen Werten der elastischen Konstanten innerhalb der Erde ergibt sich in erster Näherung für das sogenannte vp / vs-Verhältnis der ungefähre Wert von . Damit ergeben sich für die S-Wellen Geschwindigkeiten von 3000–4000 m/s in der Erdkruste und etwa 4500 m/s im Erdmantel.
Oberflächenwellen
Neben den P- und S-Wellen gibt es noch die so genannten Oberflächenwellen. Sie entstehen dadurch, dass P- oder S-Wellen in die Erdoberfläche hinein gebrochen werden. Wie bei den S-Wellen erfolgt die Partikelbewegung oder Schwingung senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Jedoch zeichnen sie sich dadurch aus, dass sie an der Oberfläche geführt laufen und dass die Amplituden der Wellen mit der Tiefe abnehmen. Die Energie der Oberflächenwellen nimmt zudem mit der Entfernung r nur um einen Faktor 1/r ab und nicht wie die der Raumwellen um den Faktor 1/r2 (jeweils unter Vernachlässigung der Dämpfung). Die Oberflächenwellen breiten sich in vertikale und horizontale Schwingungen aus.
Love-Wellen
Die Love-Wellen wurden nach dem britischen Mathematiker A. E. H. Love benannt, der 1911 als erster ein mathematisches Modell für die Ausbreitung dieser Wellen aufstellte. Sie sind die schnellsten Oberflächenwellen, breiten sich mit rund 2000-4400 m/s (abhängig vor allem von der Frequenz und damit der Eindringtiefe in die Erdkruste), aber langsamer als die S-Wellen aus. Die Bodenbewegung erfolgt in horizontaler Richtung, senkrecht zur Ausbreitungsrichtung.
Rayleigh-Wellen
Die Rayleigh-Wellen wurden nach Lord Rayleigh benannt, der 1855 die Existenz dieser Wellen mathematisch voraussagte, noch bevor sie tatsächlich beobachtet wurden. Bei Rayleigh-Wellen rollt der Boden in einer retrograden elliptischen Bewegung ähnlich wie Meereswellen. Dieses Rollen bewegt den Boden sowohl auf und ab als auch hin und her in Ausbreitungsrichtung der Welle. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit beträgt, abhängig vor allem von der Wellenlänge, etwa 2000–4000 m/s. Die meisten Erschütterungen, die bei einem Erdbeben gespürt werden, sind in der Regel Rayleigh-Wellen, deren Amplituden viel größer als die der übrigen Wellenarten werden können. Die zerstörerische Wirkung von Erdbeben geht daher weitgehend auf diesen Wellentyp zurück.
Scholte-Wellen
Scholtewellen sind Grenzflächenwellen die sich entlang der Grenzfläche "flüssig-fest", also beispielsweise am Meeresboden, ausbreiten. Sie sind ebenso wie die Rayleigh-Wellen vom P- SV-Typ. Das bedeutet, dass sie elliptisch in der Radial-Vertikal-Ebene polarisiert sind. Ist der Untergrund geschichtet, so ist die Scholtewelle dispersiv. Die Scholtewellenn besitzt dann frequenzabhängige Ausbreitungsgeschwindigkeiten. Außerdem bilden sich zusätzlich zur Fundamentalmode auch höhere Moden aus.
Fortpflanzung im Erdinnern
Die Dichte der Gesteine nimmt zum Erdinnern hin zu. Bei jedem Übergang von einem weniger dichten zu einem dichteren Gestein erhöht sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer seismischen Welle, im umgekehrten Fall wird die Ausbreitungsgeschwindigkeit geringer. Nach dem Snelliusschen Brechungsgesetz wird eine seismische Welle also mit zunehmender Tiefe "vom Lot weg" gebrochen, mit abnehmender Tiefe wird sie "zum Lot hin" gebrochen. Dies ist die Ursache für den typischen Verlauf von seismischen Wellen, der im Profil als Bogen zu erkennen ist (siehe Abbildung).
Siehe auch
Quellen
- ↑ Seismic Wave Demonstrations and Animations Sofern nicht anders vermerkt, Quelle für die Ausbreitungsgeschwindigkeiten im Artikel
Weblinks
- erdbeben-in-bayern.de, Liste der verschiedenen Wellentypen mit Diagrammen.
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