- Erlöserkirche Berlin-Lichtenberg
-
Die Erlöserkirche (auch Erlöserkirche Berlin-Lichtenberg genannt) ist ein evangelisches Gotteshaus im Berliner Ortsteil Rummelsburg in der Victoriastadt, das von 1890 bis 1892 errichtet wurde.
Inhaltsverzeichnis
Lage
Die Kirche steht auf einer etwa 2000 m² großen Fläche in der Nöldnerstraße 43, die zur Bauzeit Prinz-Albert-Straße hieß. Auf dem Gelände befinden sich auch noch das zugehörige Gemeinde- und das Pfarrhaus.
Baugeschichte
1889 entstand die politisch selbstständige Landgemeinde Boxhagen-Rummelsburg, die aus dem Gutsbezirk Boxhagen, der einst sich am Rummelsburger See erstreckenden Rummelsburger Heide und dem Lichtenberger Kietz gebildet wurde. Bei der Gründung wohnten hier schon rund 11.000 Menschen. Somit entstand bereits am 4. Mai 1890 eine eigene Parochie mit der evangelischen Erlöser-Gemeinde, und noch am gleichen Tag wurde mit der Grundsteinlegung durch die Kaiserin Auguste Victoria der Bau einer neuen Kirche begonnen. Zwei kleinere Kirchen mussten dafür weichen.
Der Kirchenbau geht auf Entwürfe der Architekten Conrad Wilhelm Hase und Max Spitta zurück, die mit einem großen Gebäude im neugotischen Stil der wachsenden Kirchengemeinde im dicht besiedelten Arbeiterviertel Boxhagen-Rummelsburg ein neues Haus bescherten, das am 21. Oktober 1892 eingeweiht wurde. Im Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin befinden sich die Originalpläne zur Kirche und zum Gemeindehaus.[1] [2] [3] [4] [5] [6]
Die Baukosten der Kirche von etwa 230.000 Mark kamen teilweise von dem preußischen Kronprinzen und späteren Kaiser Wilhelm II. und seiner Gemahlin Auguste Victoria sowie aus Spendensammlungen von eigens gegründeten Vereinen: einem evangelisch-kirchlichen „Hülfsverein“ (1888) und einem Kirchenbauverein (1890). Im Vorstand des Hilfsvereins bestimmte der Oberhofmeister Ernst August Freiherr von Mirbach (auch „Glockenaujust“ genannt):
„Ich habe bestimmt, dass für die Gestalt derselben die von Prof. Conrad Hase erbaute Apostelkirche in Hannover zum Muster zu nehmen ist.“
Die Erlöserkirche ist die erste von 52 Kirchen, die im Rahmen eines großangelegten Kirchenbauprogramms fertiggestellt wurde. Das Kaiserpaar besuchte diese Kirche nach ihrer Fertigstellung häufig. Noch heute sind die beiden prächtigen Stühle vorhanden, die sie bei ihren Besuchen benutzten.
Da nicht nur die geistige, sondern auch die materielle Not der Menschen zu lindern war, entstand bereits in den Jahren 1892-93 nebenan das Gemeindehaus in zur Kirche passenden neugotischen Formen. Die Pläne hierzu stammen ebenfalls von Max Spitta.[7] Das Gemeindezentrum beherbergte eine Suppenküche, eine Krankenstation und – wie es damals hieß – eine Kleinkinderbewahranstalt, die es heute immer noch gibt – es ist die evangelische Kindertagesstätte, die 1894 eröffnet wurde und 1992 ein neues Haus erhielt.
In den 1980-er Jahren wurde die Kirche bekannt durch – von Polizei und Staatssicherheit ständig überwachten – Aktivitäten der DDR-Friedensbewegung. Im Herbst 1989 gingen Bilder von Protestveranstaltungen und Fürbittgottesdiensten um die ganze Welt.
Danach wurde es ruhiger um die Kirche. Die Christengemeinde kümmerte sich nun wieder mehr um Soziales, organisierte Konzerte und Gesprächsrunden und gründete einen Chor mit einer eigenen Kinderabteilung, der seit September 2001 durch den „Förderverein des Chores der Erlöserkirche e.V.“ tatkräftig unterstützt wird.
Seit 2001 ist die Erlöserkirche eine von vier Predigtstätten der Paul-Gerhardt-Gemeinde Berlin-Lichtenberg.
Baubeschreibung
Äußeres
Die Erlöserkirche ist ein stattlicher Klinkerverblendbau in Formen der norddeutschen Backsteingotik. Sie ist als kreuzförmige Basilika mit polygonalem Chorschluss konzipiert. Daran schließt sich östlich die achteckige Sakristei an. Der vorgelagerte quadratische Turm mit langem sechsseitigen Spitzhelm wird von vier kleinen Ziertürmchen flankiert und hat insgesamt eine Höhe von 60 Metern.
Die Sanierung begann im Jahr 2000 mit Dach- und Turmerneuerungen, eine neue Turmuhr wurde eingebaut.
Inneres
Im Innern zeigt sich das Mittelschiff kreuzrippengewölbt, die Seitenschiffe tragen Kreuzgratgewölbe. Durch die Seitenschiffe wie auch in den Querarmen und unter dem nördlichen Eingangsjoch befindet sich eine umlaufende, massive Empore auf breiten, gedrückten Spitzbögen.
Die Ausstattung (Altar, Taufstein, Kelch, Kanzel, Hauptportale, Glocken, Gestühl) ist noch weitgehend aus der Erbauungszeit erhalten. Das Altarblatt mit der Darstellung der Errettung Petri aus dem Meer (laut kircheneigenem Titel Der sinkende Petrus) wurde 1892 von Ernst Koerner geschaffen. Sehenswert ist auch die Kanzel.
1892 wurde eine erste Orgel eingebaut [8], die im Krieg zerstört wurde. Die Orgel aus den Jahren 1940-43 stammt von der Potsdamer Orgelbaufirma Alexander Schuke.
Infolge eines Bombenangriffs auf Berlin-Rummelsburg am 26. Februar 1945 wurden die originalen Altarfenster zerstört. - Die jetzt vorhandenen figürlichen Glasfenster im Chor wurden 1947/48 nach Entwürfen Paula Jordans von der Quedlinburger Firma Müller ausgeführt. In den Seitenschiffen sind einige ursprüngliche Farbfenster erhalten, die Wappen alter Städte zeigen (z. B. Bietau).
Bei der Innenrenovierung in den Jahren 1967/68 wurde die ursprüngliche farbige Ornamentik des Chorraumes und des Querschiffes weiß übermalt. Im Rahmen der denkmalgerechten Totalsanierung von 2005 bis Ende 2007 konnte mit hohem Aufwand die Originalausmalung wieder hergestellt werden, die Spitta in seinen Plänen detailliert gezeichnet hatte.[9] [10]
1993 installierte man eine moderne Heizung und schließlich wurde auch die klangschöne Orgel generalüberholt. Die Kanzel und das Altarbild wurden gereinigt und ausgebessert. Mit einem Gottesdienst weihte die Gemeinde ihre vollständig erneuerte Kirche am 27. Januar 2008 wieder ein.
Quellen
- Institut für Denkmalpflege (Hrsg.): Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR. Hauptstadt Berlin II. Henschelverlag, Berlin 1987, ISBN 3-362-00138-6. S. 207f.
- Günther Kühne, Elisabeth Stephani: Evangelische Kirchen in Berlin. 2. Aufl. CZV-Verlag, Berlin 1986, ISBN 3-7674-0158-4. S. 414.
- Wolfgang Triebler (Bearb.): Die Erlöserkirche Berlin-Lichtenberg. 1892-1992. Der Weg einer Gemeinde von der kaiserlichen Tradition bis zum Zusammenbruch der stalinistischen Diktatur. Gemeindekirchenrat der Erlöserkirchgemeinde, Berlin-Lichtenberg 1992 (=Festschrift).
- Flyer Die evangelisch-lutherische Erlöserkirche zu Berlin-Lichtenberg, 1892-2008; Hrsg. Ev. Paul-Gerhardt-Gemeinde, 2008
Weblinks
- Max Spitta: Grundrisszeichnungen, Ausmalungen, Längsschnitte u.a. aus dem Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin in der Universitätsbibliothek, Inv. Nr.16796 bis 16803
- Seiten des Chores der Erlöserkirche
- Homepage der Paul-Gerhardt-Gemeinde
- Einträge zur Erlöserkirche und zum Gemeindehaus in der Berliner Landesdenkmalliste
Fußnoten
- ↑ Grundriss, Inv.-Nr. 16796
- ↑ Emporengeschoss, Inv.-Nr. 16797
- ↑ Lageplan und Querschnitt, Inv.-Nr. 16798
- ↑ Längsschnitt, Inv.-Nr. 16799
- ↑ Seitenansicht, Inv.-Nr. 16800
- ↑ Gesamtansicht, Inv.-Nr. 16801
- ↑ Gemeindehaus mit drei Grundrissen, Inv.-Nr. 16809
- ↑ Ansicht der Orgel in den Plänen von Spitta, Inv.-Nr. 16810
- ↑ Ausmalung des Querhauses, Inv.-Nr. 16802
- ↑ Ausmalung des Chores, Inv.-Nr. 16803
52.50142913.481217Koordinaten: 52° 30′ 5″ N, 13° 28′ 52″ O
Wikimedia Foundation.