Ernst Kirchweger Haus

Ernst Kirchweger Haus
Das Ernst-Kirchweger-Haus

Das Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) ist ein seit 1990 besetztes Haus in Wien-Favoriten. Das Gebäude ist ein weit über die Grenzen Wiens hinaus bekanntes Zentrum der autonomen Szene und beherbergt einige politisch, kulturell und sozial engagierte Gruppierungen und Projekte. Am 7. November 2008 wurde die Besetzung für beendet erklärt, nachdem alle im Haus vertretenen Gruppen Mietverträge unterzeichnet haben.

Fast täglich finden Veranstaltungen verschiedenster Art wie Konzerte, Lesungen, Diskussionsrunden, Info- und Beratungsabende statt. Das Haus wurde nach dem Kommunisten und KZ-Überlebenden Ernst Kirchweger benannt, der 1965 bei einer antifaschistischen Demonstration von einem rechtsextremen Gegendemonstranten tödlich verletzt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Pochoir in Wien an einer Hauswand „EKH bleibt“

Das Gebäude in der Wielandgasse 2 - 4 wurde in den zwanziger Jahren (laut Dehio 1931) von tschechischen und slowakischen Arbeitern nach Plänen von Josef Hofbauer und Wilhelm Baumgarten als Komensky-Schule für Kinder von Slowaken und Tschechen in Wien erbaut. Es ist eines der ältesten Stahlbetonbauwerke Wiens. Im Gebäude war mit dem Wielandtheater auch eine zu dieser Zeit regelmäßige bespielte Bühne untergebracht.

1945 ging das Objekt in Besitz der Kommunistischen Partei Österreichs über. Am 23. Juni 1990 wurde das Haus besetzt und nach dem Kommunisten und KZ-Überlebenden Ernst Kirchweger benannt. Dieser war 1965 bei einer Demonstration gegen den nationalsozialistische und antisemitische Aussagen machenden Universitätsprofessor Taras Borodajkewycz von einem rechtsextremen Gegendemonstranten so schwer verletzt worden, dass er wenig später an den Folgen verstarb.[1] [2] Zum Zeitpunkt der Besetzung durch die linken bzw. autonomen Aktivisten und den türkischen Verein ATIGF war ein Großteil des Gebäudes bereits seit Jahren unbenützt.

Ende Oktober 2004 verkaufte die KPÖ das Ernst-Kirchweger-Haus an eine Immobiliengesellschaft, deren Geschäftsführer Kontakte zur rechtsextremen Szene und die frühere Mitgliedschaft in der neonazistischen Aktion Neue Rechte (ANR) vorgeworfen wurden.[3] Dieses Vorgehen löste massive Proteste aus und wurde vor allem mit der finanziellen Misere der KPÖ begründet, die nach einem Gerichtsurteil DDR-Gelder, die unrechtmäßig an sie geflossen waren, wieder an die Bundesrepublik Deutschland zurückzahlen musste. Zahlreiche Initiativen und Einzelpersonen wie z.B. die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek sprachen sich vehement für ein weiterhin autonomes Ernst-Kirchweger-Haus aus.

Ziele/Gründe

Transparent bei einer „EKH Bleibt“-Aktion.

Gemeinsames Ziel der Beteiligten war und ist ein internationalistisches antifaschistisches Zentrum:

Wir, verschiedene österreichische und ausländische Gruppen – AsylantInnen, Obdachlose, AktivistInnen der Antifa-Bewegung u.a. – haben dieses Haus besetzt, um unsere Vorstellungen von kollektivem Zusammenleben und -arbeiten verwirklichen zu können. Das Haus im Besitz der KPÖ wird großteils nicht oder nur vorübergehend benutzt. Wir fordern die leerstehenden Räume für uns und die teilweise benützten zur gemeinsamen Arbeit gegen Faschismus, Rassismus und Fremdbestimmung.[4]

Viele der sozialen und politischen Aktivitäten der im Haus angesiedelten Gruppen und Organisationen, wie etwa der anarchistischen „Schwarzen Distel“, stehen immer wieder unter Beobachtung der Staatspolizei, da Verbindungen etwa zu den Urhebern des gescheiterten Anschlags von Ebergassing angenommen wurden.

Aktuelle und ehemalige Projekte im Haus

  • Archiv der Sozialen Bewegungen (mittlerweile umgezogen)
  • Autonome Fahrradwerkstatt
  • Föderation der Arbeiter, Arbeiterinnen und Jugendlichen aus der Türkei in Österreich
  • Deserteursberatung - Kostenlose Beratung in Asyl- und Fremdenrechtsfragen (mittlerweile umgezogen)
  • Flughafen-Sozialdienst - Notschlafstelle für Flüchtlinge im EKH
  • Frauenbanden
  • Frauenschreibwerkstatt
  • Hausfrauen
  • Infomaden (ein Infoladen)
  • Que(e)r-Beisl (mittlerweile umgezogen)
  • Rechtshilfebeisl - Punkerstammtisch für von Repression Betroffene
  • Rosa Antifa (eine lokale Antifa-Gruppe) (mittlerweile umgezogen)
  • Schräge Klänge
  • TATblatt (mittlerweile eingestellt)
  • Verein für audiovisuelle Selbstbestimmung
  • Volxbibliothek (mittlerweile umgezogen)
  • Volxtheater Favoriten
  • Volxtheaterkarawane
  • Wohnbereich

Mehrere Projekte des Hauses werden von der Gemeinde Wien mitfinanziert. Darüber gibt es immer wieder Diskussionen im Wiener Stadtparlament, da viele dieser Aktivitäten umstritten sind, und teilweise (wie etwa bei der Beratung illegaler Einwanderer - Sans Papiers) in rechtlichen Grauzonen operiert. Bekannt wurde auch eine Spende des ehemaligen Innenministers Caspar Einem an das TATblatt, die von Jörg Haider aufgedeckt wurde, um einen Skandal zu erzeugen. Dieser blieb jedoch aus. Mehrere Aktivisten der Volxtheaterkarawane wurden nach Antiglobalisierungsprotesten in Genua von der Polizei festgehalten, was zu einer nationalen Debatte um die Weitergabe von geheimpolizeilichen Daten führte, da die Dossiers mehrerer Personen an die italienischen Behörden weitergegeben wurden.

Einzelnachweise

  1. DÖW: Neues von ganz rechts - Februar 2005
  2. Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie: Kirchweger, Ernst 12.1.1898 - 2.4.1965, Wien
  3. FM4 Realkapitalismus schwer gemacht, 3. November 2004
  4. ekhbleibt.info im Internet Archive

Weblinks

48.177516.3786111111117Koordinaten: 48° 10′ 39″ N, 16° 22′ 43″ O


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Ernst-Kirchweger-Haus — Das Ernst Kirchweger Haus Das Ernst Kirchweger Haus (EKH) ist ein seit 1990 besetztes Haus in Wien Favoriten. Das Gebäude ist ein weit über die Grenzen Wiens hinaus bekanntes Zentrum der autonomen Szene und beherbergt einige politisch, kulturell… …   Deutsch Wikipedia

  • Ernst-Kirchweger-Haus — The Ernst Kirchweger Haus (EKH) is a building in Vienna s 10th district, Favoriten.Since June 23, 1990, it has been a squatted social centre, which hosts migrants and refugees, community activities, and political groups.The squatters, who… …   Wikipedia

  • Ernst Kirchweger — (* 12. Jänner 1898, in Wien; † 2. April 1965 ebenda) war das erste politische Todesopfer in Österreich nach 1945. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Kirchwegers Tod 3 Gedenken …   Deutsch Wikipedia

  • Ernst Kirchweger — (1897 or 1898 – April 3, 1965 in Vienna) was the first person to die as a result of political conflict in Austria s Second Republic.From 1916 to 1918, Ernst Kirchweger participated in World War I as a sailor in the Austro Hungarian Navy.… …   Wikipedia

  • Kirchweger — ist der Nachname folgender Personen: Ernst Kirchweger (1898−1965), österreichischer Widerstandskämpfer Heinrich Kirchweger (1809−1899), deutscher Eisenbahningenieur Siehe auch: Ernst Kirchweger Haus Diese Seite ist …   Deutsch Wikipedia

  • Besetztes Haus — in Stuttgart (2005) Eine Hausbesetzung ist die Inbesitznahme leerstehenden Wohnraums gegen oder jedenfalls ohne Berücksichtigung des Willens des Eigentümers. Besetzte Häuser werden in einigen Ländern, z. B. Frankreich, England, Polen und Ungarn,… …   Deutsch Wikipedia

  • Wielandgasse — Straßentafel Wielandgasse Die Wielandgasse befindet sich im 10. Wiener Gemeindebezirk, Favoriten. Sie wurde 1866 (damals noch im 4. Bezirk, Wieden) nach dem deutschen Dichter Christoph Martin Wieland benannt. Seit 1874 gehört sie zum neu… …   Deutsch Wikipedia

  • KPDÖ — Kommunistische Partei Österreichs Bundessprecherin Melina Klaus …   Deutsch Wikipedia

  • KPOE — Kommunistische Partei Österreichs Bundessprecherin Melina Klaus …   Deutsch Wikipedia

  • KPÖ — Kommunistische Partei Österreichs Bundessprecherin Melina Klaus …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”