Eschrichtiidae

Eschrichtiidae
Grauwal
Grauwal

Grauwal

Systematik
Klasse: Höhere Säugetiere (Eutheria)
Ordnung: Wale (Cetacea)
Unterordnung: Bartenwale (Mysticeti)
Familie: Eschrichtiidae
Gattung: Eschrichtius
Art: Grauwal
Wissenschaftlicher Name
Eschrichtius robustus
(Lilljeborg, 1861)

Der Grauwal (Eschrichtius robustus) ist ein Bartenwal, der in arktischen bis warm-gemäßigten Gewässern lebt. Der Grauwal ist der einzige Vertreter der monotypischen Gattung Eschrichtius und wird in eine eigene Familie Eschrichtidae gestellt.

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Grauwale erreichen eine Länge von 13 bis 15 Metern und ein Gewicht von 25 bis 34 Tonnen. Diese Wale sind schiefergrau bis dunkelgrau. Durch die massenhafte Besiedlung der Haut durch parasitische Krebstiere wie Seepocken und Walläuse erscheinen Grauwale auf Entfernung oft weiß gefleckt. Besonders häufig lassen sich Entenmuscheln auf dem Kopf und der Schwanzflosse des Grauwales nieder. Der Kopf ist spitz zulaufend. Das Rostrum ist stark gewölbt. Die Finne fehlt, entlang des Rückens gibt es jedoch mehrere buckelartige Hervorwölbungen. Die Fluke ist relativ breit und eingekerbt. Die Kehle des Grauwals ist in der Regel von zwei, maximal von bis zu sieben Furchen durchzogen. Auf jeder Seite des Mauls befinden sich etwa 150 Barten von 40 Zentimeter Länge.

Grauwal

Der Grauwal hat zwei Atemlöcher und kann den Blas bis zu vier Meter hoch ausstoßen. Das ausgestoßene Wasser-Luftgemisch steigt senkrecht nach oben und erscheint als herzförmige Nebelsäule.

Die Lebenserwartung der Grauwale liegt bei 50 bis 60 Jahren.

Merkmale eines Glattwals

Ein recht stark gewölbtes Rostrum weist auf einen Glattwal hin. Trotz eines dem Blauwal entsprechend spitzen Kopfes, hat der Grauwal ein im Verhältnis stärker gewölbtes Rostrum, als die Furchenwale. Auch die beim Grauwal fehlende Finne ist ein Merkmal der Glattwale. Eine relativ breite und eingekerbte Fluke ist ebenso typisch für die Tiere der Glattwal-Familie.

Verbreitung

Verbreitungsgebiet

Grauwale leben heute nur noch im Pazifik, dabei wird eine westpazifische und eine ostpazifische Population unterschieden. Die einstmals im Atlantik lebenden Grauwale sind spätestens im 17. Jahrhundert ausgestorben.[1] Diese atlantischen Grauwale lebten vor Spitzbergen, Grönland und Kanada sowie im Winter vermutlich vor Nordafrika.

Grauwale leben dauerhaft näher an den Küsten als jede andere Walart. Sie verbringen den Sommer in polaren Gewässern und ziehen im Winter südwärts. Die ostpazifische Population überwintert vor den Küsten von Kalifornien und Mexiko. Die Tiere des Westpazifik halten sich im Sommer vor Sibirien und um die Kamtschatka-Halbinsel auf. Den Winter verbringen sie vor Korea und Japan.

Lebensweise

springender Grauwal

Grauwale sind langsame Schwimmer und erreichen maximale Geschwindigkeiten von acht Kilometern pro Stunde. Gewöhnlich tauchen Grauwale vier bis fünf Minuten, bevor sie wieder auftauchen. Während sich die Wale an der Oberfläche aufhalten, vollführen sie oft Sprünge, bei denen sie mit Kopf und Oberkörper aus dem Wasser stoßen und sich dann wieder zurückfallen lassen. Oft halten sich die Grauwale dabei nur wenige Kilometer vor der Küste auf. Ein Jahr ist bei den Grauwalen in drei Phasen Nahrungsaufnahme, Wanderung und Fortpflanzung gegliedert.

Nahrungsaufnahme

Die ostpazifische Population verbringt die Sommermonate in den nährstoffreichen Regionen des Beringmeers. Im Herbst erfolgt die Wanderung in den Süden, wo sich die Grauwale vor der kalifornischen Küste fortpflanzen. Nach einigen Monaten kehren sie in die nördlicheren Nahrungsgründe zurück. Die westpazifische Population verbringt die Sommermonate in den nördlichen Bereichen des vor Japan gelegenen Ochotskischen Meeres. Die Fortpflanzung erfolgt im Winter nach einer Wanderung in südlichere Bereiche des Pazifik.

Grauwale legen bei ihren Wanderungen größere Strecken zurück als jede andere Walart. Die ostpazifische Population zieht jedes Jahr bis zu 10.000 Kilometer durch den Pazifik. Dies ist die längste bekannte Wanderung eines Säugetiers. Auf der Wanderung zwischen Nahrungs- und Fortpflanzungsgebieten bilden die Wale Gruppen von bis zu 16 Tieren. Üblich sind jedoch kleinere Gruppen von zwei oder drei Tieren. Trotzdem handelt es sich um äußerst soziale Tiere. So wurde beobachtet, wie kranke oder verletzte Artgenossen zum Atmen an die Wasseroberfläche gebracht wurden.[2]

Ernährung

Der Grauwal frisst fast ausschließlich während der Sommermonate. Die angefressenen Fettvorräte müssen dann für die lange Wanderung und die Fortpflanzungszeit genügen. Die Nahrung des Grauwals sind hauptsächlich Flohkrebse, aber auch Ruderfußkrebse und kleine Fische. Als einziger Wal geht der Grauwal auch am Meeresgrund auf Nahrungssuche. Die Filterung von Bodenbewohnern aus dem Schlamm des Meeresbodens ist eine einzigartige Ernährungsweise unter den Bartenwalen. Hierzu wirbelt er die Ablagerungen am Meeresgrund auf. Dieser Form der Nahrungsaufnahme sind die kurzen und robusten Barten des Grauwals angepasst. Die Grauwale rollen sich auf eine Seite und saugen langsam schwimmend das Bodensediment ein. Mit Hilfe der Barten werden anschließend die nahrungsrelevanten Meerestierchen aus dem Schlamm gefiltert. Meist rollen sich die Wale hierbei auf die rechte Seite, was eine schnellere Abnutzung der rechten Barten verursacht.[3]

Fortpflanzung

Grauwalkuh mit Kalb

Die Fortpflanzung der Grauwale findet in den Wintermonaten statt. Geschlechtsreife Weibchen werden häufig von zwei oder mehreren Männchen begleitet, entscheiden sich dann jedoch nur für einen Partner. Nach der Paarung kehren die Tiere für die Sommermonate in die nährstoffreichen nördlichen Gebiete zurück. Die Tragzeit beträgt elf bis zwölf Monate. Nach der Rückkehr der Muttertiere in die südlichen Wintergebiete werden die Kälber geboren. Jede Walkuh kann dabei nur ein Kalb gebären. Dies geschieht meist in geschützten Lagunen. Die Kälber sind bei der Geburt etwa fünf Meter lang und wiegen eine halbe Tonne. Sie begleiten ihre Mütter während der verbleibenden Zeit im Winterrevier und bei der folgenden Wanderung in die sommerlichen Nahrungsgründe. Im Spätsommer werden die Kälber schließlich entwöhnt und sind von nun an selbstständig.

Evolution und Systematik

Stammesgeschichte

Es gibt bislang keine fossilen Hinweise auf die Abstammung der Grauwale, da frühe fossile Funde sich nur unwesentlich von heutigen Formen unterscheiden.[4] Das älteste bekannte Fossil eines aufgrund von Schädelmerkmalen in die Eschrichtiidae eingeordneten Walskeletts stammt aus dem späten Pliozän (vor etwa 2 Millionen Jahren) aus der Yuchi-Formation bei Teshio auf Hokkaido, Japan.[5]

Systematik

Wilhelm Lillebjorg benannte den Grauwal bei seiner Erstbeschreibung 1861 nach Exemplaren vor der Küste Norwegens als Balaenoptera robusta. Die Einordnung des Grauwals in eine eigene Gattung Eschrichtius erfolgte durch John Gray 1864, der ihn damit nach Daniel Eschricht benannte. 1869 beschrieb Edward Drinker Cope die pazifische Art Rhachianectes glaucus, die nach Vergleichen der Skelettmorphologie mit Eschrichtius robustus vereint wurde und heute lediglich als getrennte Population betrachtet wird.

Die Familie der Grauwale besteht nur aus einer Gattung mit nur einer Art, dem Eschrichtius robustus. Der amerikanische Ozeanograph Michael Hall verwendete den Begriff Eschrichtius gibbosus, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Der Grauwal wird aufgrund von morphologischen Merkmalen zu den Bartenwalen gestellt. Er vereint Merkmale der Familien Furchenwale und Glattwale. So wurde 1951 die Einführung einer eigenen systematischen Familie für den Grauwal beschlossen.

Durch molekularbiologische Studien wurde eine nahe Verwandtschaft zwischen Grauwalen, dem Buckelwal (Megaptera novaeangliae) sowie dem Blauwal (Balaenoptera musculus) festgestellt, der demnach näher mit diesen beiden Arten verwandt sein soll als mit allen anderen Arten der Gattung Balaenoptera.

Walfang und Schutz

Walbeobachtung

Als küstennah lebende Spezies wurde der Grauwal schon früh von Menschen gejagt. Ob dies der Grund für das sehr frühe Aussterben der europäischen Bestände (um 500 n. Chr.) ist, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Die westatlantischen Grauwale starben um 1700 aus. Seitdem lebt der Grauwal nur noch im Pazifik. Die westpazifischen Populationen wurden im 18. und 19. Jahrhundert von japanischen Walfängern geplündert. Es ist heute sogar unklar, ob die Grauwale des Westpazifik noch existieren. Gelegentliche Sichtungen vor den koreanischen Küsten können auch verirrte Einzeltiere aus dem Ostpazifik sein. Walforscher gehen höchstens noch von einer Population von 200 Tieren aus.

Die Überwinterungsplätze der ostpazifischen Grauwale wurden 1846 entdeckt. Hiernach wurden Walfangstationen an den dortigen Küsten eingerichtet und binnen weniger Jahre Tausende Wale getötet. Erst 1946 wurde die Art unter Schutz gestellt und so vor dem Aussterben bewahrt. Seitdem sind die Bestände wieder gewachsen, so dass es heute etwa 22.000 Grauwale gibt. Doch selbst für diese im Vergleich zu früher geringe Zahl reichen die Nahrungsvorräte anscheinend nicht mehr aus, wie aufgrund der Sichtung von mageren und anscheinend hungernden Tieren angenommen wird. [6] Seit einigen Jahren werden von der indigenen Bevölkerung Russlands ca. 110 Grauwale jährlich kontrolliert gejagt.[7]

Walfänger gaben den Grauwalen im 19. Jahrhundert den Beinamen Teufelsfisch. Die Ursache hierfür waren wütende Angriffe von Walkühen, die ihre Kälber schützen wollten.[8]

An der nordamerikanischen Küste sind Grauwale wegen ihrer Küstennähe ein sehr beliebtes Ziel für den modernen Waltourismus. Touristen können mit Booten bis auf wenige Meter an die Grauwale herangebracht werden.

Einzelnachweise

  1. Merkmale des Grauwals
  2. Detlef Singer: Faszination Tier & Natur, Gruppe 1 – Säugetiere, München ohne Jahresangabe
  3. WCDS Walschutz
  4. Cetaceen.de: Systematik der Wale
  5. Hiroto Ichishima, Eri Sato, Tsumoru Sagayama, Masaichi Kimura: The oldest record of Eschrichtiidae (Cetacea: Mysticeti) from the late pliocene, Hokkaido, Japan. Journal of Paleontology 80, 2006; Seiten 367-379 (Abstract)
  6. Lt. DDP-Bericht in den Bremer Nachrichten vom 14. September 2007, Hinweis auf Elizabeth Alter in "Proceedings of the National Academy of Sciences".
  7. Tabelle über die jährlichen Jagdzahlen
  8. Informationen zum Grauwal

Literatur

  • M. Carwardine: Wale und Delfine. Delius Klasing, 1996 (hochwertiger Führer)
  • Ralf Kiefner: Wale und Delfine weltweit. Jahr Top Special Verlag, 2002 (Führer der Zeitschrift "tauchen", sehr detailliert)
  • J. Niethammer, F. Krapp (Hrsg): Handbuch der Säugetiere Europas. Band 6: Meeressäuger, Tel 1A: Wale und Delphine 1. AULA-Verlag, Wiesbaden 1994 (sehr detailliertes Fachbuch)
  • R. R. Reeves, B. S. Stewart, P. J. Clapham, J. A. Powell: See Mammals of the World – a complete Guide to Whales, Dolphins, Seals, Sea Lions and Sea Cows. A&C Black, 2002, ISBN 0-7136-6334-0 (Führer mit zahlreichen Bildern)
  • DDP-Bericht in den Bremer Nachrichten vom 14. September 2007 mit Hinweis auf Elizabeth Alter in "Proceedings of the National Academy of Sciences"

Weblinks


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