- European Pressurized Water Reactor
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Der Europäische Druckwasserreaktor (engl. European Pressurized Water Reactor, kurz EPR) ist ein neuer Kernreaktortyp basierend auf dem Druckwasserreaktor. Der EPR wurde in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre von den Unternehmen Siemens (Deutschland) und Framatome (Frankreich) gemeinsam entwickelt. Seit der Zusammenlegung der Nuklearaktivitäten beider Gesellschaften am 1. Januar 2001 werden die Arbeiten jetzt von Areva NP fortgeführt. Die Technologie basiert auf den Erfahrungen beim Bau und Betrieb der von den Muttergesellschaften entwickelten Druckwasserreaktoren vom Typ Konvoi (Siemens) und N4 (Framatome) und führt diese zusammen.
Inhaltsverzeichnis
Sicherheitskonzept
Der EPR zeichnet sich gegenüber früheren Reaktortypen vor allem durch ein verändertes Sicherheitskonzept aus. Nach Ansicht der Hersteller führt dieses Konzept zu einer etwa zehnmal geringeren Eintrittswahrscheinlichkeit für Unfälle sowie einem besseren Störfallmanagement gegenüber heutigen Druckwasserreaktoren.
Das Sicherheitskonzept des EPR begründet sich im Wesentlichen auf folgende Elemente:
- Optimierte Betriebs- und Sicherheitssysteme: Ein keramisches Auffangbecken (als Core-Catcher bezeichnet), für die Kernschmelze bei einem GAU. Das geschmolzene Kernmaterial rinnt über eine Rampe in ein Keramikbecken. Dort verteilt sich die Masse dünn und gleichmäßig, so dass sie leichter mit Wasser gekühlt werden kann. Damit es zu einer möglichst gleichmäßigen Schmelzeverteilung kommt, wird das Becken erst nach dem Austritt der Kernschmelze mit Wasser gekühlt. Das hierfür benötigte Wasser wird im Reaktorgebäude vorgehalten. Zusätzlich befindet sich an der Decke des Reaktorgebäudes ein Sprinklersystem, welches bei einem Störfall für zusätzliche Kühlung im Inneren des Reaktorgebäudes sorgt.
- Diversitäre Ersatzfunktionen für Sicherheitssysteme: Durch verschiedene Sicherheitssysteme, die denselben Zweck erfüllen, aber eine unterschiedliche Arbeitsweise besitzen, können Konstruktionsmängel eines bestimmten Sicherheitssystems besser ausgeglichen werden.
- Verbessertes Gebäudekonzept zur räumlichen Trennung von Systemen: Die sicherheitsrelevanten Funktionen sind vierfach redundant in jeweils vier Gebäuden um das Reaktorgebäude angeordnet. Die Gebäude sind strikt voneinander getrennt. Außerdem sind zwei der vier Bauten gegen äußere Einflüsse wie beispielsweise Flugzeugabstürze besonders gesichert.
- Nukleare Sicherheitsleittechnik des Unternehmens Areva (Teleperm XS).
- Erhöhte thermische Trägheit und verlängerte Karenzzeit durch geringe Leistungsdichte und große Wasserinventare.
- Doppelwandiges Containment aus Stahlbeton mit einer Gesamtdicke von 2,6 m.
Leistungsdaten
Technische Daten: Thermische Leistung 4.300 MWth Elektrische Leistung (Netto) 1.600 MW Elektrische Leistung (Brutto) 1.750 MW Wirkungsgrad (Netto) 37 % Elektrischer Eigenbedarf ca. 100 MW Investitionsausgaben 3.838 Mio € Bauzinsen 318 Mio € Kosten Stilllegung und Inbetriebnahme 320 Mio € Projektierte Betriebsdauer 60 Jahre Reaktorkühlsystem: Anzahl der Kühlkreisläufe 4 Betriebsdruck 15,5 MPa Temperatur Primärkreislauf Input 295,9 °C Temperatur Primärkreislauf Output 327,5 °C Gesamter Kühlmitteldurchsatz 23.000 kg/s Förderleistung 28.000 m³/s Elektrische Leistung pro Pumpe ca. 9 MW Wärmeübertragungsfläche je Dampferzeuger 7.960 m² Höhe des Dampferzeugers 23 m Reaktorkern: Aktive Kernhöhe 4,20 m Äquivalenter Kerndurchmesser 3,77 m Gesamtmasse im Kern 125 t Anzahl der Brennelemente 241 Anzahl der Brennstäbe je Brennelement 265 Anzahl der Steuerelemente 89 Anzahl Absorberstäbe 24 Mittlere Leistungsdichte im Kern 90,5 kW/L Mittlere Lineare Stableistung 157,3 W/cm Abbrand > 60 GWd/t
(„Gigawatt days“ pro Tonne Brennmaterial)Gewicht des Reaktordruckbehälters mit Deckel 526 t Höhe des Reaktordruckbehälters 12,7 m Durchmesser des Reaktordruckbehälters 4,9 m Wanddicke des Reaktordruckbehälters 0,25 m Höhe des Druckhalters 14,4 m Gewicht des Druckhalters 150 t Turbosatz: Anzahl der Turbinensätze 1 Anzahl der Niederdruckturbinen 3 Frischdampfdruck am Turbineneintritt 7,55 MPa Frischdampftemperatur am Turbineneintritt 291 °C Frischdampfdurchsatz 2.443 kg/s Drehzahl 1500 1/min Spannung Generator 27 kV Ausgangsspannung nach Transformation 400 kV Weltweiter Einsatz
Für den Einsatz in den USA wurde der European Pressurized Water Reactor in Evolutionary Pressurized Water Reactor umbenannt. Für Großbritannien gibt es die Version UK-EPR welche genau wie der US-EPR baugleich mit dem EPR ist aber auf Grund anderer Sicherheitsanforderungen in den jeweiligen Ländern anders qualifiziert wird. In Susquehanna sollen bis Ende 2008 alle Lizenzen für den Bau eingeholt worden sein während in Calvert Cliffs die Lizenzen für einen Bau eines 1710 MW starken US-EPR mit einer thermischen Leistung von 4.590 MW bereits seit 2007 vorliegen.[1][2][3]
Kritik
Der erste EPR in Olkiluoto war ursprünglich für 2009 geplant, jedoch verzögert sich die Inbetriebnahme aufgrund von Auslegungsänderungen ständig, sodass die Inbetriebnahme derzeit frühestens 2012 stattfinden wird.[4]
Auch die erhofften günstigen Baukosten werden nicht eintreten. Diese wurden ursprünglich mit 3,2 Milliarden Euro angegeben. Allerdings wurde dieses Ziel bereits 2007 um 700 Millionen Euro überschritten. Zusammen mit Bauzinsen und notwendigen Rücklagen sind die Investitionskosten aktuell bereits auf 5,2 Mrd. € angestiegen.[5] Dies entspricht spezifischen Investitionskosten von aktuell ca. 3000 €/kWp.
Zudem wurde Stéphane Lhomme, einer der Wortführer des französischen Netzwerks für den Atomausstieg, im Jahr 2006 vom französischen Inlandsgeheimdienst (DST) in Gewahrsam genommen und seine Wohnung durchsucht, mit der Begründung, er habe gegen das Militärgeheimnis verstoßen.[6] Lhomme behauptet, aufgezeigt zu haben, dass auch der EPR dem gezielten Absturz eines Flugzeugs nicht standhalten würde.[7] Auch John H. Large, ein britischer Experte für Nuklearsicherheit, kritisiert, dass man bei Sicherheitsfragen von falschen Annahmen ausgeht.[8]
Geplante Standorte
Der erste Auftrag zum Bau eines solchen Reaktortyps am Standort Olkiluoto wurde 2003 vom finnischen Stromkonzern TVO erteilt. Nach Verzögerungen soll der Reaktor nicht vor 2012 fertig werden.[9] Die zweite Anlage wird im Kernkraftwerk Flamanville im Norden Frankreichs seit Dezember 2007 gebaut. Weitere Auftragsverhandlungen wurden in China geführt, wo eine Zusage erteilt worden ist für zwei Reaktoren am Standort Taishan, dessen Reaktoren 2013/2014 den Leistungsbetrieb aufnehmen sollen. In Litauen sind zum Ersatz des bestehenden Kernkraftwerk Ignalina, das 2009 vom Netz gehen soll, zwei bis vier Blöcke mit EPR vorgesehen, die jedoch frühestens 2015 in Betrieb gehen können. Des weiteren sind je ein US-EPR im Kernkraftwerk Bell Bend[10] und im Kernkraftwerk Calvert Cliffs geplant. Verhandelt wird zur Zeit auch mit der südafrikanischen ESKOM und der dortigen Regierung über den Bau zweier Kraftwerke für die Kapregion und möglicher zehn weiterer. Am 4. Februar 2009 wurde bekannt, dass Areva zwei bis sechs EPR in Indien bauen soll. Mindestens 2 davon sollen am Standort Jaitapur entstehen.[11] In Italien sollen mindestens vier neue EPR Kernkraftwerke errichtet werden. [12]
Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht der sich im Bau befindlichen und geplanten europäischen Druckwasserreaktoren wieder:
Standort Nettoleistung Baubeginn ursprünglich geplante Fertigstellung momentan geplante Fertigstellung ursprünglich veranschlagte Kosten momentan veranschlagte Kosten Olkiluoto 3 (Finnland) 1600 MW 12.08.2005 Juni 2009 2012 2,5 Mrd Euro 5,2 Mrd Euro Flamanville 3 (Frankreich) 1600 MW 03.12.2007 01.05.2012 2013 3,3 Mrd Euro 4 Mrd Euro Taishan 1 (China) 1600 MW September 2009[13] 2013 2013 - - Taishan 2 (China) 1600 MW Januar 2010[13] 2013 2013 - - Penly 3 (Frankreich) 1600 MW 2012 2017 - - Weblinks
- Allgemeines zum EPR vom Hersteller AREVA
- Kritik der IPPNW von 2003: Sicherheitstechnische Defizite des Europäischen Druckwasser-Reaktors (EPR)
Referenzen
- ↑ United States Nuclear Regulatory Commission - Lizenzen für Calverts Cliff genehmigt (englisch)
- ↑ PPL to pursue a third Susquehanna nuclear unit (englisch)
- ↑ PPL to Use Areva's Nuclear Reactor Design in Application to NRC (englisch)
- ↑ Arbeiten an Europäischem Druckwasserreaktor verzögern sich weiter. Yahoo! (17. Oktober 2008). Archiviert vom Original am 18. Oktober 2008. Abgerufen am 18. Oktober 2008.
- ↑ 5,2 Milliarden Euro
- ↑ Sortir du Nucléaire - Stéphane Lhomme
- ↑ Un expert décrypte pour Greenpeace le document EPR "confidentiel défense" - Greenpeace
- ↑ Analyse du document «Confidentiel Defense» - Greenpeace
- ↑ Brüchiges Skelett beim AKW-Neubau - taz
- ↑ bell Bend Nuclear - Technologie (englisch)
- ↑ Pressemitteilung über Verhandlungen über Bau in Indien
- ↑ Der Spiegel - Atom-Comeback - Franzosen bauen Kernkraftwerke in Italien (Zugriff am 24. Februar 2009)
- ↑ a b WNA Information Paper China (englisch)
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