Facilitated communication

Facilitated communication

Gestützte Kommunikation ist die deutschsprachige Entsprechung des englischsprachigen Fachbegriffs „Facilitated Communication“ (kurz: FC). Die Gestützte Kommunikation gilt als Methode der Unterstützten Kommunikation, einem Fachgebiet, das sich mit alternativen und ergänzenden Kommunikationsformen für Menschen beschäftigt, die nicht oder nur unzureichend über Lautsprache verfügen.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung und Technik

In ihrer heutigen Form wurde die Gestützte Kommunikation Ende der 1970er Jahre von der Australierin Rosemary Crossley entwickelt, die einen Weg zur Kommunikation mit einer jungen cerebralparetischen Frau suchte. Später wurde die Methode auch bei Menschen mit Autismus und Down-Syndrom angewandt, heutzutage unabhängig von der medizinischen Diagnose allgemein bei Personen mit einer schweren Kommunikationsbeeinträchtigung [1].

Bei der Gestützten Kommunikation ist die alternative Kommunikationsform fast immer die Schriftsprache, in Einzelfällen werden auch alternative Symbolsysteme benutzt, beispielsweise Piktogramme. Die jeweiligen Symbole werden dabei entweder auf einer Kommunikationstafel bereitgestellt oder auf einer Schreibmaschine, einem Computer oder einem Sprachausgabegerät.

Das Besondere bei der Gestützten Kommunikation ist, dass die Symbole von der kommunikationsbeeinträchtigten Person (Schreiber oder Nutzer genannt) unter Hilfestellung einer zweiten Person, dem so genannten Stützer angesteuert werden. Der Stützer soll dem Schreiber das Zeigen auf die Buchstaben bzw. das Tippen auf der Tastatur erleichtern, indem er die Hand oder ein anderes Körperteil des Schreibers berührt, leichten Gegendruck ausübt, die Auswahl offensichtlich falscher Tasten verhindert und ähnliche körperliche Hilfestellungen gibt. Hierbei gilt das Prinzip der Minimalstützung. Um eine unabhängige Kommunikation zu ermöglichen, wird es als wichtig erachtet, die physische Stütze von Hand bis Schulter immer weiter zurück zu nehmen und diese schlussendlich sogar ganz auszublenden.

Weitere Komponenten der Methode sind die begleitende emotionale und verbale Unterstützung. Der Schreiber wird ermutigt und erfährt Wertschätzung, seine Äußerungen werden verbalisiert und ihm dadurch rückgemeldet. Diese Komponenten sind allerdings nicht spezifisch für die Methode FC, vielmehr sind sie Merkmal fast aller Methoden der Unterstützten Kommunikation.

Spezifisch für die Gestützte Kommunikation ist auch nicht der Körperkontakt an sich, sondern

  • dass der Körperkontakt nicht direkt nach der Anbahnungsphase vollständig ausgeblendet wird und
  • dass auch bei den in Körperkontakt entstandenen Mitteilungen die Autorenschaft dem Nutzer zugeschrieben wird. Der Stützer versteht sich lediglich als Katalysator bei der Umsetzung von Gedanken des Schreibers in Tippbewegungen; die Stütze gilt als „krankengymnastische Hilfestellung“ [2].

Nach den Annahmen der Befürworter der Gestützten Kommunikation fördert die Gestützte Kommunikation bis dahin unentdeckte, aber bereits vorhandene kognitive und kommunikative Fähigkeiten zutage. Angenommen wird, dass die Schreiber nur deswegen nicht ungestützt auf Symbole zeigten, weil die entsprechende motorischen Umsetzung misslingen, also eine Apraxie vorliegen würde. Diese grundlegende Kompetenzzuschreibung ist ein weiteres Element der Methode.

Kritik

Trotz häufigen Einsatzes der Methode in der Praxis wird die Gestützte Kommunikation in Wissenschaft und Fachkreisen sehr kontrovers diskutiert und sogar mehrheitlich als unwirksam und in manchen Fällen auch schädlich abgelehnt.

Nach Meinung der Befürworter wird es dem FC-Schreiber durch die Hilfestellungen ermöglicht, gezielt z.B. auf Bilder, Symbole zu zeigen oder Tasten zu bedienen um etwas mitzuteilen. Kritikern zufolge wird der FC-Schreiber durch dieses Verfahren darauf trainiert, geführt durch unbewusste Muskelimpulse des Helfers bestimmte Tasten anzusteuern, ohne den Sinn dieses Prozesses zu verstehen. Gestützte Kommunikation wäre damit ein Spezialfall des so genannten Carpenter-Effekts [3] und hätte mit Kommunikation nichts zu tun. Vielmehr würde die Hilfsperson dem FC-Nutzer - unbewusst und unbeabsichtigt - zeigen, auf welche Taste er zu drücken habe, so dass die Hilfsperson selbst Urheber des entstehenden Textes wäre.

Von Kritikern wurde auch mehrfach auf die formalen und inhaltlichen Parallelen dieser Kommunikationstechnik zum spirituellen Ouija hingewiesen.[4] Vertreter der Gestützten Kommunikation räumten zwar ein, dass ein Teil der entstandenen schriftlichen Ergebnisse möglicherweise auf einem „Ouija-Effekt“ beruhe. Dies könne aber durch verbessertes Training der Stützer verhindert werden.[5]

Seit den 1990er Jahren wurde die Frage nach der Autorenschaft der mit der Gestützten Kommunikation produzierten Texte von verschiedenen Forschungsgruppen untersucht. Nach einer Vergleichsuntersuchung von Biermann (1999) über sämtliche 44 bis dahin publizierten Studien konnten ca. 80 % der untersuchten FC-Schreiber keinerlei authentische Kommunikation produzieren, hingegen war bei 77 % der untersuchten Schreiber Stützereinfluss nachweisbar.

Bei den 20 % der FC-Schreiber, die mindestens eine authentische Kommunikation produzierten, entsprach dann allerdings das Niveau der FC-Kommunikation in der Regel dem der Kommunikation ohne Stütze. In manchen Fällen lag das Niveau auch niedriger, so dass also mit Gestützter Kommunikation zwar Informationen übertragen werden konnten, diese jedoch ohne deren Hilfe genauso gut oder gar besser übertragen werden. Die einzige Studie, die unter kontrollierten Bedingungen der Gestützten Kommunikation eine Verbesserung der Kommunikation bestätigte [6], ist aufgrund methodischer Mängel nur mit Vorbehalt interpretierbar [7].

Es gibt Fälle von schädlichen Anwendungen der FC. In den USA ist die Gestützte Kommunikation unter anderem deshalb in Misskredit geraten, weil es durch sie in vielen Fällen zu falschen Beschuldigungen bezüglich eines angeblichen sexuellen Missbrauchs der FC-Nutzer durch Familienangehörige und Betreuer kam.

Ausblick

Um eine möglichst unabhängige Kommunikation zu gewährleisten, bedarf es nach Meinung der Befürworter einer aufwändigen Ausbildung sowie ständiger Fortbildungen der Stützpersonen. Ebenso sollten Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden, wie zum Beispiel das Einbauen von Aufgabenstellungen, aus deren Antworten sich ableiten lässt, dass diese nur von den FC-Nutzern selbst stammen können oder aber die von Beginn an forcierte Vorbereitung des Schreibens ohne Stützung [8].

Nach Meinung der Kritiker [9][10] hingegen handelt es sich bei der Stützersteuerung in der Gestützten Kommunikation nicht um einen Kunstfehler, der durch entsprechende Vorsichtsmaßnahmen vermieden werden könnte. Vielmehr führe der Prozess der FC-Anbahnung, fachmännisch durchgeführt, automatisch zur Stützersteuerung, das heißt zu einem sensomotorischem Zusammenspiel zweier Menschen, bei dem das Ziel der Arm- und Handbewegungen der einen Person durch Hinweisreize der anderen Person vorgegeben werde.

Siehe auch

Quellen

  1. Sozialministerium Bayern: Gestützte Kommunikation (PDF)
  2. vgl. Bundschuh 1998
  3. harvard.edu (PDF)
  4. s. Dillon 1993; Spitz 1997
  5. s. Donnellan/Leary 1997; Biklen 1993
  6. Untersuchung von Weiss, Wagner & Bauman 1996
  7. vgl. z.B. Mostert 2001
  8. FC-Netz.de: Empfehlungen
  9. Heilpädagogik online, 3/2003
  10. sonderpaed-forum.de: FC

Literatur

  • Biermann, Adrienne: Gestützte Kommunikation im Widerstreit. Berlin: Edition Marhold 1999.
  • Biklen, Douglas: Communication Unbound: How Facilitated Communication is Challenging Traditional Views of Autism and Ability/Disability. New York: Teachers College Press 1993 ISBN 0807732214
  • Bundschuh, Konrad/Basler-Eggen, Andrea: Gestützte Kommunikation (FC) bei Menschen mit schweren Kommunikationsbeeinträchtigungen. München: Ludwig-Maximilians-Universität 2000. (PDF)
  • Crossley, Rosemary: Gestützte Kommunikation: Ein Trainingsprogramm. Weinheim, Basel: Beltz 1997.
  • Dillon, Kathleen M.: Facilitated Communication, Autism, and Ouija, in: Skeptical Inquirer 17 (3) 1993, S. 281-287; dt.: Ouija, in: Randow, Gero von (Hg.): Der Fremdling im Glas und weitere Anlässe zur Skepsis, entdeckt im „Skeptical Inquirer“, Reinbek: Rowohlt 1996, S. 107-121
  • Donnellan, Anne M./Leary, Martha R.: Movement Differences and Diversity in Autism/Mental Retardation. Madison (WI): DRI Press 1997
  • Eichel, Elisabeth: Gestützte Kommunikation bei Menschen mit autistischer Störung. Dortmund: Projekt-Verlag 1996.
  • Gmür, Pascale und Schmid, Otmar: Meine Denksprache. Menschen, die nicht reden können, finden Worte. Dokumentarfilm zur gestützten Kommunikation. 2005. 57 Minuten, als DVD und VHS erhältlich. www.fc-zentrum.ch
  • Lang, Monika: Gestützte Kommunikation – Versuch einer Standortbestimmung. In: Geistige Behinderung 2/2003, S. 139-147.
  • Nußbeck, Susanne: Gestützte Kommunikation: Ein Ausdrucksmittel für Menschen mit geistiger Behinderung? Göttingen: Hogrefe 2000.
  • Probst, Paul: Gestützte Kommunikation: Eine unerfüllbare Verheißung in Autismus Nr. 56/2003 (PDF)
  • Probst, Paul: "Communication unbound - or unfound"? - Ein integratives Literatur-Review zur Wirksamkeit der "Gestützten Kommunikation"("Facilitated Communication") bei nichtsprechenden autistischen und intelligenzgeminderten Personen. In: Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychiatrie und Psychotherapie 53, S. 93-128 (PDF)
  • Spitz, Herman H.: Nonconscious Movements. From Mystical Messages To Facilitated Communication. Mahwah (NJ): Lawrence Erlbaum Associates 1997 ISBN 0805825630
  • Zöller, Dietmar: Gestützte Kommunikation (FC): Pro und Contra. Berlin: Weidler 2002.

Weblinks


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