Fadenfisch

Fadenfisch
Blaue Zuchtform des Zwergfadenfisch mit den deutlich erkennbaren, namensgebenden Flossenstrahlen

Der populäre Überbegriff Fadenfische ist keine wissenschaftliche Kategorie (kein Taxon), sondern eint süd- und südostasiatische Labyrinthfische, die neben der akzessorischen Atmung mit ihrem Labyrinthorgan über ein weiteres gemeinsames Merkmal verfügen: lang ausgezogene erste Bauchflossenstrahlen mit denen sie in der Lage sind, Berührungs- und Geschmacksreize aufzunehmen. Diese Fähigkeiten unterstützen sie bei der räumlichen Orientierung, bei der Nahrungssuche und im Rahmen der innerartlichen Kommunikation.

Inhaltsverzeichnis

Systematik

Aufgrund neuer Erkenntnisse über die stammesgeschichtliche Entwicklung der Labyrinthfische wurden auch die Fadenfische im zoologischen System neu eingeordnet. Waren sie (nach Britz 1995) bisher Mitglieder der Unterfamilie Trichogasterinae (Fadenfischartige):

  • Unterordnung: Anabantoidei
    • Familie: Osphronemidae
      • Unterfamilie: Trichogasterinae; Gattungen: Colisa, Ctenops, Luciocephalus, Parasphaerichthys, Sphaerichthys, Trichogaster

so stehen sie nun (nach Rueber et. al. 2006) bei den Hechtkopfartigen (Unterfamilie Luciocephalinae):

  • Unterordnung: Anabantoidei
    • 1. Familie: Anabantidae
      • 1.1 Unterfamilie: Anabantinae; Gattung: Anabas
      • 1.2 Unterfamilie: Ctenopominae; Gattungen: Ctenopoma, Microctenopoma, Sandelia
    • 2. Familie: Helostomatidae
      • 2.1 Unterfamilie: Helostomatinae; Gattung: Helostoma
    • 3. Familie: Osphronemidae
      • 3.1 Unterfamilie: Belontiinae; Gattung: Belontia
      • 3.2 Unterfamilie: Macropodusinae; Gattungen: Betta, Macropodus, Malpulutta, Parosphromenus, Pseudosphromenus, Trichopsis
      • 3.3 Unterfamilie: Luciocephalinae; Gattungen: Colisa, Ctenops, Luciocephalus, Parasphaerichthys, Sphaerichthys, Trichogaster
      • 3.4 Unterfamilie: Osphroneminae; Gattung: Osphronemus

Traditionell werden Fadenfische aufgrund ihrer geografischen Verbreitung in zwei Gruppen getrennt:

Vier kleinere Arten, „Westliche Fadenfische“ aus Südasien (Indien und Burma): Honiggurami, Colisa chuna (Hamilton 1822) - Gestreifter Fadenfisch, Colisa fasciata (Bloch & Schneider 1801) - Dicklippiger Fadenfisch, Colisa labiosus (Day 1877) - Zwergfadenfisch, Colisa lalia (Hamilton 1822)

Vier größere Arten, “Östliche Fadenfische” aus Südostasien, weit im indonesischen Raum verbreitet, deren ursprünglichen Vorkommen nicht mehr feststellbar sind, weil sie bereits vor ihrer wissenschaftlichen Entdeckung als menschliche Nahrungsquelle von Thailand bis auf die Inselwelt der Philippinen verbreitet wurden: Mosaikfadenfisch, Trichogaster leerii (Bleeker 1852) - Mondscheinfadenfisch, Trichogaster microlepis (Günther 1861) - Schaufelfadenfisch, Trichogaster pectoralis (Regan 1910) - Gepunkteter Fadenfisch, Trichogaster trichopterus (Pallas 1770)

Systematische Fragen

Seit einiger Zeit diskutieren vorwiegend Aquarienfischpfleger den Status der hier verwendeten wissenschaftlichen Gattungsnamen. Einige sind der Ansicht, nach dem Prioritätsprinzip der Internationalen Regeln für die zoologische Nomenklatur müssten die „Westlichen Fadenfische“ in die Gattung Trichogaster, die „Östlichen Fadenfische“ in die Gattung Trichopodus gestellt werden. Alle Wissenschaftler, die sich intensiv mit der Taxonomie süd- und südostasiatischer Labyrinthfische befassen, teilen diese Auffassung nicht. Sie verwenden seit einer Arbeit von Liem im Jahr 1963 bis heute konsequent die hier wiedergegebenen Gattungszuordnungen. Verbindlich ist die jeweils tagesaktuelle Zuordnung des „Eschmeyer“ (von Bill Eschmeyer, California Academy of Sciences, und Ron Fricke, Staatliches Museum für Naturkunde Stuttgart, geführter „Catalog of Fishes“).

Fortpflanzungsverhalten

Alle Fadenfische vermehren sich nach einem weitestgehend identischen Grundmuster. Die Männchen bauen an der Wasseroberfläche oder unter Blättern von Schwimmpflanzen ein Schaumnest, das aus mit einem speichelartigen Sekret ummantelten Luftblasen besteht. Trichogaster-Arten verwenden oft zusätzlich andere Baustoffe, beispielsweise Pflanzenteile. Unter diesem Schaumnest, an dem ständig weiter gearbeitet wird, wirbt das Männchen bis sich ein paarungsbereites Weibchen einfindet, mit dem es nach einem arttypischen ritualisierten Verhalten direkt unter dem Schaumnest laicht. Die relativ kleinen Eier sind leichter als Wasser (Schwimmeier) und steigen in das Schaumnest auf. Ist der Laichakt beendet, verlässt das Weibchen das Nestrevier. Die Brutpflege erfolgt ausschließlich durch das Männchen (Vaterfamilie). Bei einer Wassertemperatur von 24 bis 28 °C schlüpfen nach etwa 24 bis 30 Stunden sehr kleine Larven. Sie tragen einen relativ großen Dottersack mit einem Ölanteil, der sie durch seinen Auftrieb weiter unter dem Schaumnest hält. Aus dem Nestbereich gespülte Larven werden vom Männchen mit dem Maul aufgenommen und zurück in das Nest gespuckt. Zwischen dem dritten und fünften Lebenstag schwimmen die schnell wachsenden Jungfische frei und nehmen gleich selbständig Nahrung auf. Sie verlassen den unmittelbaren Nestbereich worauf der Brutpflegetrieb des Männchens erlischt.

Bedeutung für den Menschen

“Östliche Fadenfische“ sind für die menschliche Ernährung im südostasiatischen Raum von nicht unerheblicher Bedeutung. Auf Märkten stellen sie regelmäßig einen beachtlichen Anteil des Frischfischangebots dar. Aufgrund ihrer besonderen Atmung ist es möglich, sie sehr lange lebend anzubieten. Aus diesem Grund wurden sie auf dem gesamten südostasiatischen Festland und auf vielen Inseln dieses Raums eingebürgert.

Für Evolutionsbiologen und Verhaltensforscher sind Fadenfische, wie die Gesamtheit der Labyrinthfische überhaupt, ein aufschlussreiches Forschungsgebiet.

Seit dem Ende des 19. Jahrhundert sind Fadenfische sehr verbreitete und populäre Aquarienfische. Aus drei Colisa-Arten (alle außer C. fasciata) und dem Gepunkteten Fadenfisch wurden mehrere Farbschläge gezüchtet, die zum Standardangebot des Aquarienfischhandels zählen.

Literatur und Quellen

  • Britz, R. (2001): The genus Betta -- monophyly and intrarelationships, with remarks on the subfamilies Macropodinae and Luciocephalinae (Teleostei: Osphronemidae). Ichthyological Exploration of Freshwaters v. 12 (no. 4): 305-318.
  • Britz, R. and M. Kottelat (2002): Parasphaerichthys lineatus, a new species of labyrinth fish from southern Myanmar (Teleostei: Osphronemidae). Ichthyological Exploration of Freshwaters v. 13 (no. 3): 243-250
  • Britz, R. (1995): Zur phylogenetischen Systematik der Anabantoidei (Teleostei, Percomorpha) unter besonderer Berücksichtigung der Stellung des Genus Luciocephalus. Morphologische und ethologische Untersuchungen. Diss. Tübingen, 1-125.
  • Derijst, E. (1997): Nota over de geldigheid van de genusnamen: Trichogaster Bloch & Schneider, 1801; Trichopodus Lacepède, 1801; Polyacanthus Cuvier, 1829 en Colisa Cuvier, 1831 (Perciformes: Belontiidae); met commentaar over de publicatiedata van de werken van Bloch & Schneider en van Lacepède..... Aquarium Wereld v. 50 (no. 9): 217-236
  • Kokoscha, M. (1998): Labyrinthfische. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart. ISBN 3-8001-7431-6.
  • Kottelat, M. (1989): Zoogeography of the fishes from Indochinese inland waters with an annotated check-list. Bulletin Zoölogisch Museum, Universiteit van Amsterdam v. 12 (no. 1): 1-55.
  • Roberts, T. R. (1989): The freshwater fishes of western Borneo (Kalimantan Barat, Indonesia). Memoirs of the California Academy of Sciences No. 14: i-xii + 1-210.
  • Rüber, L., R. Britz, H. H. Tan, P. K. Ng & R. Zardoya (2004): Evolution of mouthbrooding ans life-history correlates in the fighting fish genus Betta. Evolution 58(4): 799-813.
  • Rüber, L., R. Britz & R. Zardoya (2006): Molecular Phylogenetics and Evolutionary Diversification of Labyrinth Fishes (Perciformes: Anabantoidei). Systematic Biology, London, 55(3): 374-397.
  • Tan, H. H. and P. K. L. Ng (2005): The labyrinth fishes (Teleostei: Anabanatoidei, Channoidei) of Sumatra, Indonesia. The Raffles Bulletin of Zoology Suppl. no. 13: 115-138.

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