- Falkenjagd
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Ein Falkner (oder Beizjäger) betreibt die Jagd mit Greifvögeln wie Falken, Sperbern, Habichten, Adlern auf Federwild (z. B. Rebhuhn) und kleines Haarwild (z. B. Kaninchen, Hasen). Zur Falknerei gehört auch das Abrichten und die Pflege der eingesetzten Greifvögel. Viele Falknereien bieten auch eine Greifvogelschau an, die meist ein Falkner leitet.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Die Beizjagd entstand vermutlich vor etwa 3.500 Jahren in Mittelasien, da sie in der deckungslosen Steppe die zweckmäßigste Jagdform war. Ob die Ägypter die Beizjagd ausübten ist unklar. In Abydos in Ägypten wurde eine Grabstätte mit einbalsamierten Falken entdeckt. Die Falken-Mumien sind in Leinen eingewickelt und haben in großen, ovalen Tonsarkophagen gelegen. Einige von ihnen haben auch goldverzierte Masken. Daneben sind auch intakte Falkeneier gefunden worden. Die oberste Gottheit war in Ägypten Horus, der Falke. Ein Assyrisches Relief in den Ruinen von Khorsabad aus der Zeit von 722-705 v. Chr. zeigt möglicherweise die Falknerei. Es zeigt einen Bogenschützen, der einen Greifvogel schießt und einen Helfer, der ihn fängt[1]. Um 400 v. Chr. richteten die Inder Falken ab. 75 n. Chr. jagten die Thraker mit Falken[2].
Beizjagd in Europa
Westliche Ausbreitung
Aristoteles (384-322 v. u. Z.) erwähnt die Falknerei bei den Thrakern und Indern[3]. Plinius (* 23, † 24. August 79) beschreibt um 79 n. u. Z. in seiner Naturalis historia die Beizjagd bei den Thrakern[4]. Griechen und Römer kannten die Beizjagd zwar, übten sie jedoch nicht aus[5]. Sie fingen noch Vögel mit Wurfhölzern, Schlagnetzen oder Leimruten. Die Germanen wurden mit der Beizjagd während der Zeit des 2. bis 4. Jahrhunderts n. u. Z. durch Vermittlung der Sarmaten bekannt, im Zuge der östlichen Ausdehnung der Goten. Die Germanen vermittelten ihre Kenntnis den Kelten. Erst der Sohn des römischen Kaisers Avitus, aus dem keltischen Stamm der Arverner soll die Falkenbeize in Rom eingeführt haben. Avitus hatte den König der Westgoten Theoderich I. dazu gebracht, sich gegen die Hunnen zu verbünden, gegen die sie 451 n. u. Z. in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern kämpften. Avitus wurde von 455 bis 456 weströmischer Kaiser[2]. 506 wurde die Beizjagd auf der Synode zu Adge in Gallien verboten.
Die Vandalen brachten sie im Verlauf der Völkerwanderung nach Spanien und machten die Völker der westlichen Mittelmeerküste Nordafrikas damit bekannt. Die Beizjagd erfreute sich bei den germanischen Stämmen bald großer Beliebtheit und ist durch germanische Stammesrechte der Franken in der Lex Salica (507-511 n. u. Z.) mit Bussbestimmungen für den Diebstahl von Beizvögeln und der Lex Ribuaria (613-625), der Langobarden im Edictum Rothari (643 n. u. Z.), der Bayern im Lex Baiuvariorum und der Burgunden in der Lex Burgundionum bezeugt.
Hochmittelalterliche Blüte
Die Beliebtheit der Beizjagd scheint in Europa seit karolingischer Zeit stark nachgelassen zu haben, erst im Rahmen neuer östlicher Kontakte infolge der Kreuzzüge erlebte sie im Hochmittelalter eine neue Blütezeit und entwickelte sich dabei zu einem Privileg und Statussymbol des Adels.
Die Techniken wurden durch Erfahrungsaustausch mit arabischen Falknern erheblich verfeinert. Kaiser Friedrich II., der in Sizilien leichten Zugang zum arabischen Fachwissen auf diesem Gebiet besaß, führte zum Beispiel die Falkenhaube ein, die bis dahin in Europa noch unbekannt war. Sein Falkenbuch (De arte venandi cum avibus, deutsch: "Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen") war der erste Traktat dieser Art in der europäischen Literatur. Für Friedrich II. war die Falknerei aufgrund der dafür benötigten Kombination aus Willensstärke und Fürsorge eine ideale Vorübung für die Menschenführung. Der ideale Falkner war für ihn der ideale Herrscher. Seine Erkenntnisse konnte Friedrich II. nicht nur auf arabische Quellen, sondern auch auf jahrelange eigene Beobachtung der in seinem Buch behandelten Tiere stützen.
Absolutismus
In Europa hatte diese prestigeträchtige Jagdform eine neuerliche Hochphase im Absolutismus. Sie ist kostspielig und erfordert eine große Anzahl an sehr gut geschultem Personal. Ein großes Falknerkorps war also eine Zeichen von Reichtum und Macht. Karl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach unterhielt mit 51 Mitarbeitern auf seinem Landsitz Triesdorf bei Ansbach eine der größten Falknereien in ganz Europa.
Falknerei heute
Auch heute noch wird in Europa die Beizjagd betrieben. Eine gewisse wirtschaftlich-technische Bedeutung hat sie auf manchen Flughäfen, wo Falkner an der Vertreibung von Vogelschwärmen arbeiten, die für moderne Flugzeugtriebwerke eine Gefahr darstellen (Vogelschlag, engl. "bird strike"). Um die Falknerei heute in Deutschland zu betreiben, muss man zuerst eine reguläre Jägerprüfung absolvieren und danach einen Falknerjagdschein erwerben, da die Beizjagd dem Jagdrecht unterliegt.
Als Krone dieser Jagdart gilt die Anwartefalknerei, bei der Greifen des hohen Fluges (vornehmlich Wanderfalken) eingesetzt werden, da diese aus dem Sturzflug heraus jagen. Bei anderen Falkenarten dauert die Ausbildung zur Anwartefalknerei länger und ist schwieriger, da sie nicht auf dem natürlichen Jagdverhalten dieser Greifvögel beruht. Man kann die Anwartefalknerei nur auf Flugwild und dabei auch nur auf solche Vögel betreiben, die sich am Boden, in Büschen oder im Wasser vor Feinden drücken, also bei Anblick von Falke oder Hund unbeweglich verharren. Zu diesen Wildarten zählen zum Beispiel Rebhuhn, Fasan, Wildente und Elster.
Bei der Beizjagd auf Rebhühner und Fasane ist ein guter Vorstehhund unverzichtbar, der das Wild sicher vorstehen (anzeigen) muss. Wenn der Hund also vorsteht, wird dem Falken die Falkenhaube abgenommen und der Falke zum Steigen geworfen. Der Falke ist darauf trainiert, hoch in der Luft (je höher, desto besser, in der Regel 100 bis 200 Meter) genau über dem Falkner anzuwarten. Wenn er nun in einer passenden Position über dem Hund ist, erhält dieser den Befehl einzuspringen und damit das Wild hochzujagen. Der Falke greift sofort an, geht in einen 90 bis 45 Grad Sturzflug über, beschleunigt noch (bis ca. 350 km/h) und legt dabei die Schwingen ganz an den Körper an, bis der Falke fast den Erdboden erreicht hat, dann öffnet er die Schwingen halb, schwingt sich mit unverminderter Geschwindigkeit in die Flugbahn des verfolgten Vogels ein und schlägt ihn mit den Klauen in der Luft. Ein solcher Stoß hat einen sehr hohen Impuls.
Falkner sind aufgrund des täglichen Umgangs und der Jagd mit dem eigenen Vogel auch Experten in der Pflege und Beurteilung verletzt aufgefundener Greifvögel. Sie können sehr gut einschätzen, ob ein solcher Greifvogel jemals wieder jagdtauglich sein wird und ob eine Chance auf Auswilderung besteht. Durch die falknerischen Techniken ist er auch in der Lage, einen gesundgepflegten Greifvogel erst einmal in der falknerischen Obhut "probefliegen" zu lassen, um zu testen, wie gut er sich erholt hat. Eine Freilassung ohne ausreichende Genesung würde unweigerlich den Tod des Vogels zur Folge haben. Mittlerweile betreiben sehr viele Falkner (oder Falkner-Gruppen) Auswilderungsstationen, in denen verletzte Greifvögel gesund gepflegt werden, damit sie wieder in die Freiheit entlassen werden können.
Aufgrund ihrer Erfahrungen im Umgang mit Greifvögeln haben einige Falkner auch als erste angefangen, die Falken und andere Greifvögel zu züchten. So ist es auch den Falknern und ihren Auswilderungsprogrammen zu verdanken, dass der Wanderfalke wieder zahlreich in der Natur vorkommt. 2004 wurde beispielsweise der 1000ste Wanderfalke vom DFO (Deutscher Falkenorden) ausgewildert, und auch das erste seit 30 Jahren in Dänemark brütende Wanderfalkenpaar stammt aus Auswilderungen des DFO (Weib, weiblicher Greif) bzw. aus einem schwedischen Projekt (Terzel; männlicher Greif), welches eng mit dem DFO zusammenarbeitet.
Beizjagd in Zentralasien
Die Beizjagd wurde in einem Gebiet, das von der heutigen Türkei bis nach China reicht, intensiv gepflegt. Marco Polo, der sich im 13. Jahrhundert mutmaßlich am Hof des Kublai Khan aufhielt, berichtete, dass dieser mit 10.000 Falknern aufbrach, um in den Ebenen seines Reiches auf Wolf, Fuchs und Hase zu jagen[6]. Wenn diese Zahl auch wahrscheinlich übertrieben ist, so dürfte dem Hofstaat des Mongolenherrschers tatsächlich eine sehr große Zahl von Falknern angehört haben.
Die Beize mit dem Steinadler (russisch Berkut, Berkutschi = Adlermann) zu Pferde ist eine Jagdart zentralasiatischer Völker. Da die Adlerweibchen größer und stärker sind als die Männchen, werden sie als Beizvögel bevorzugt. Kirgisische und kasachische Falkner bevorzugen Steinadler aus dem Südural, da sie wegen ihrer Größe auch zur Wolfsjagd verwendet werden können.
Der Berkut packt die Wirbelsäule des Wolfes mit einem Fuß. Wenn der Wolf seinen Kopf wendet, um den Vogel zu beißen, greift der Adler mit dem anderen Fuß die Schnauze und kann so den Wolf bewegungsunfähig halten. Der Adler hält ihn so lange nieder, bis der Jäger kommt und das Tier tötet. Der Adler muss dabei sehr geschickt und schnell vorgehen, denn zu langsames oder falsches Greifen kann dazu führen, dass der Wolf den Fuß des Adlers erwischt und den Kampf für sich entscheidet. Jeder Krallenfuß des Adlers kann mit einer gehörigen Kraft zupacken, die es dem Vogel ermöglicht, mit den Krallen durch die Schädeldecke in den Kopf zu greifen.
Federspiel
Ein Federspiel ist das wichtigste Trainingszeug für Greifvögel des hohen Fluges, die gezähmt werden sollen. Ein Falkner setzt diese Beuteattrappe zur Zähmung seines Vogels ein. Man versteht darunter ein Stoff- oder Lederkissen, auf dem beiderseitig Vogelflügel befestigt sein können. Dieser „Köder“ hängt an einer ca. 2m langen Schnur, die der Falkner über seinem Kopf mehrmals wie ein Lasso kreisen lässt - u. a. als Zeichen für den Vogel, dass er zu seinem Falkner zurückkommen soll aber auch, um den Greif zu konditionieren. Zur Belohnung erhält der Vogel ein Fleischstück, welches zuvor am Kopfende des Federspiels befestigt worden ist.
Literatur
- Beatriz E. Candil García, Arjen E. Hartman: Ars Accipitraria: An Essential Dictionary for the Practice of Falconry and Hawking. Yarak Publishing, London 2007, ISBN 978-0-9555607-0-5
- Simone Behnke: Federspiel. 1. Auflage Lübbe, Bergisch Gladbach 2006, ISBN 3-404-15261-1
- Horst Schöneberg: Falknerei - Der Leitfaden für die Prüfung und Praxis. 2. Auflage. Peter N. Klüh, Darmstadt 2004, ISBN 3-933459-14-1 (nur zu bestellen unter Weblink:Falconaria [1])
- Heinz Brüll, Günther Trommer (Hrsg.): Die Beizjagd - Ein Leitfaden für die Falknerprüfung und für die Praxis. 4. Auflage. Paul Parey, Berlin 1997, ISBN 3-8263-8428-8
- Kurt Lindner: Beiträge zu Vogelfang und Falknerei im Altertum. Quellen und Studien zur Geschichte der Jagd, Band 12. de Gruyter, Berlin und New York 1973, ISBN 3-11-004560-5
- Kurt Lindner: Die deutsche Habichtslehre. Das Beizbüchlein und seine Quellen. Quellen und Studien zur Geschichte der Jagd, Band 2. 2., erweiterte Ausgabe. de Gruyter, Berlin 1964
- Arnold von Vietinghoff-Riesch, Max Pfeiffer: Falken über uns. Klüh, Darmstadt 1998, ISBN 3-933459-00-1 (Reprint der 1937 bei Reimer, Berlin, erschienenen Original-Ausgabe.)
- Deutscher Falkenorden: Greifvögel und Falknerei 2004
- Vögele, Hans-Heinrich (1931): Die Falknerei - Eine ethnographische Darstellung. Veröff. Geograph. Inst. Univ. Königsberg; Reihe Ethnographie. Als Buch: Neumann-Neudamm, Königsberg, 106 S. mit zahlr. Illustr.
- Bergengruen, Werner (1947): Die drei Falken. Verlag "Die Arche", Zürich. Die Novelle spielt der Blütezeit der Falknerei im ausgehenden Mittelalter in einer fiktiven süditalienischen Stadt
Filmographie
- Universum-Dokumentation: Jäger, Sammler, Fährtenleser, von Gerardo Olivares
- Geo-Reportage: Die Herren der Adler
Weblinks
- Fotos von Falknervorführungen
- Fotos von der Beizjagd
- Historie der Falknerei
- Übersicht aller Falknerein in Deutschland
Einzelnachweise
- ↑ Austen Henry Layard: Niniveh und seine Ueberreste, Leipzig 1850
- ↑ a b Joseph Meyer: Meyers Konversations-Lexikon, Mythologisches. Falkenjagd., Gotha 1885-1892
- ↑ Eduard Sacken: Die K.k. Ambraser-Sammlung, Wien 1855
- ↑ Gaius Plinius Secundus: Naturalis historia, Liber X, Kapitel 8, 79
- ↑ Jakob Grimm: Geschichte der deutschen Sprache, Leipzig 1848
- ↑ Dr. Johann Ernst Rudolph Kaeuffer: Geschichte von Ost-Asien, Leipzig 1860
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