- Fantasiestaat
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Als Mikronation werden Gebilde bezeichnet, die wie eigenständige souveräne Staaten auftreten und den Anschein erwecken, mit staatlicher Autorität zu handeln, obwohl bei Ihnen Eigenschaften fehlen oder wenigstens stark umstritten sind, die einen Staat nach Völkerrecht ausmachen. International anerkannte souveräne Staaten oder Institutionen verweigern daher die Anerkennung oder reagieren gar nicht, weil sie diese Gebilde und deren Ansprüche nicht ernst nehmen. Teilweise nehmen sich die Gründer selbst nicht ernst oder betreiben die Mikronation lediglich als Staatssimulation im Internet.
Die Staatshandlungen einer Mikronation und von dieser herausgegebene Ausweise, Urkunden und Dokumente gelten im Rechtsverkehr als unwirksam oder bestenfalls als das zivilrechtliche Auftreten der privaten Interessengruppe oder Einzelperson, die hinter der Mikronation steht. Überwiegend handelt es sich dabei um Personen, die als exzentrisch gelten, oder damit eigentlich ganz andere, meist wirtschaftliche oder lokalpolitische Interessen verfolgen.
Die Herkunft und Bedeutung des Begriffs Mikronation ist umstritten. Vor allem im deutschsprachigen Internet bezeichnen sich virtuelle Nationen, die lediglich als Simulation oder Computerspiel existieren, selbst als Mikronationen oder abgekürzt MN bzw. µN. Seit einigen Jahren setzt sich Mikronation jedoch zunehmend als Oberbegriff für alle Erscheinungsformen von Schein- und Fantasiestaaten bis hin zu Cybernationen und Staatssimulationen durch und findet sogar für vergleichbare historische Gebilde und staatsähnliche Anomalien der jüngeren Vergangenheit Verwendung.
Inhaltsverzeichnis
Abgrenzung
Mikronationen sind nicht mit Zwergstaaten zu verwechseln. Auch wenn deren Staatsgebiet nur relativ klein ist, handelt es sich ganz unzweifelhaft um richtige Staaten. Im Unterschied zur Mikronation erfüllen sie alle Voraussetzungen für einen Staat und sie werden international anerkannt.
Daneben bestehen weitere atypische Völkerrechtssubjekte, wie z. B. der Heilige Stuhl, der Souveräne Malteserorden oder das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, denen es ebenso an den Voraussetzungen zu einem Staat fehlt. Im Unterschied zu den Mikronationen werden diese jedoch international anerkannt.
Problematischer ist die Unterscheidung bei nicht anerkannten Staaten beziehungsweise bei Staaten, die nur von wenigen Staaten offiziell als Staat anerkannt werden. Diese Länder werden auch als stabilisiertes De-facto-Regime bezeichnet (z. B. Abchasien oder Republik China (Taiwan)). Hier werden die Grenzen fließend. Auch bei De-facto-Regimen sind die Voraussetzungen für einen Staat gelegentlich zweifelhaft. Mikronationen sind jedoch in der Regel nicht in der Lage, ein vergleichbares Maß an tatsächlicher Kontrolle (Staatsgewalt) über das beanspruchte Herrschaftsgebiet auszuüben.
Erscheinungsformen
Territoriale Scheinstaaten
Meist findet sich eine kleine Gruppe von Menschen oder gar eine Einzelperson, die den Herrschaftsanspruch für einen neuen Staat erklärt. Das neue Gebilde beansprucht entweder ein völkerrechtlich unklares Gebiet oder behauptet die Unabhängigkeit durch Abspaltung aus einem bestehenden Staat. Charakteristisch für viele Mikronation-Projekte ist das Erklären von unbewohnten Inseln bzw. Atollen anderer anerkannter Staaten zum eigenen Staatsgebiet. Der Besitz eines Territoriums soll die Legitimität des Anspruchs als Staat unterstreichen. Aus demselben Grund haben die meisten Mikronationen eine Flagge, Nationalhymne oder auch Ehrenzeichen und geben Pässe, Briefmarken und Münzen heraus.
Die bekanntesten Beispiele für territoriale Scheinstaaten sind die Hutt-River-Provinz (eine Farm in Westaustralien, die sich von Australien für unabhängig und zu einem freien Fürstentum erklärt hat), Sealand (eine ehemalige Seefestung vor der britischen Südost-Küste in der Nordsee) und die Conch Republic (Key West in Florida).
An der deutschen Grenze bei Aachen existierte bis 1919 die Mikronation Neutral-Moresnet, die durch Uneinigkeit bei der Grenzziehung zwischen Preußen/Deutschland und den Niederlanden/Belgien über hundert Jahre lang keinem der Länder zugeordnet werden konnte.
Virtuelle Mikronationen
Siehe Hauptartikel: Virtuelle Nation
Oft ist es schwierig, eine Mikronation von einem imaginären Land zu unterscheiden. Rein virtuelle Nationen bezeichnen sich besonders in Deutschland selbst oft als Mikronationen und existieren nur im Internet als Website. Sie nehmen für sich allerdings keine staatlichen Rechte in Anspruch, sondern sind lediglich zumeist forenbasierte Rollenspiele oder Politik-Simulationen.
Die Mitglieder der virtuellen Mikronationen können dort beispielsweise virtuelle Bürgerrechte erwerben und simulieren dort ein komplettes Staatswesen inklusive der wirtschaftlichen Beziehungen (Wirtschaftssimulation). Es gibt demokratische und diktatorische Mikronationen.
Man schätzt, dass es derzeit alleine im deutschsprachigen Internet ungefähr 80 Mikronationen gibt. Diese unterhalten zum Teil auch diplomatische Beziehungen und sind auf virtuellen Weltkarten von Internet-Welt-Organisationen verzeichnet. Einige virtuelle Mikronationen betreiben auch die Erforschung des virtuellen Weltraums.
Liste von territorialen Scheinstaaten
- Republik Freies Wendland (1980)
- Conch Republic (gegründet 1982 – inoffiziell bis heute)
- Freistadt Christiania (seit 1971)
- Hay-on-Wye
- Neue Slowenische Kunst Staat (seit 1991)
- Principality of Hutt River (seit 1970)
- Königreich von Araukanien und Patagonien (seit 1860)
- Republik Kugelmugel (seit 1976)
- Freie Republik Sombora (seit 2006)
- Freie Republik von Saugeais
- Fürstentum Sealand (seit 1967)
- Antikes Fürstentum Seborga (seit 1994)
- Gay & Lesbian Kingdom of the Coral Sea Islands (seit 2004)
- Ladonien (seit 1996)
- Churfürstentum Diefenbach-Sechshaus (seit 1986)
- Sultanat Occusi Ambeno (seit den 1970ern)
- Historisch:
- Autonome Republik Utopia (Berlin, 3. Oktober 1990)
- Bunte Republik Neustadt (1990–1993)
- Dorfrepublik Rüterberg (bis 2002: „Dorfrepublik 1961/1967–1989“)
- Republik Minerva (Minerva-Riffe, Südpazifik, 1972)
- Freie Republik Schwarzenberg (1945; 48 Tage lang)
- Neutral-Moresnet (1815–1919)
Literatur
- J. Ryan, G. Dunford und S. Sellars: Micronations. Lonely Planet Publications, September 2006.
- Micronations: Castles in the air., in: The Economist, December 24th 2005 – January 6:
- Fabrice O'Driscoll: Ils ne siégent pas á l'ONU ÉDITIONS DES PRESSES DU MIDI Publications, März 2000.
Weblinks
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