Aktphotographie

Aktphotographie
Weiblicher Akt

Als Aktfotografie bezeichnet man ein Genre der künstlerischen Fotografie, dessen Thema die Darstellung des nackten (Vollakt) oder teilweise nackten (Halbakt) menschlichen Körpers ist. Es stellt somit die Umsetzung des künstlerischen Aktes mit den technischen Mitteln der Fotografie dar.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Entwicklung

Eine der ersten Aktfotografien von E. Delacroix und Eugène Durieu aus dem Jahre 1853. Fotos dienten dem Maler Delacroix als Vorlage für seine gemalten Akte

Der Akt ist ein klassisches Motiv in der bildenden Kunst; bereits die frühen Hochkulturen (Sumer, Ägypten, Kreta, Indien unter anderem) kennen Aktdarstellungen. Die Entwicklung lässt sich weiter verfolgen über die griechische Plastik, mit Einschränkungen auch durch die Kunst des Mittelalters bis in die europäische Kunst der Neuzeit. Seit der Renaissance gehört das Studium des menschlichen Körpers zur Ausbildung an Kunstakademien.

Die extrem langen Belichtungszeiten in den ersten Jahren der Fotografie, in der Regel zwischen 10 bis 30 Minuten, machten Fotografien von Menschen zu einem schwierigen, wenn nicht gar unmöglichen Unterfangen. Erst die Entwicklung lichtempfindlicherer Platten und verbesserter Objektive ermöglichte Portraitaufnahmen allgemein und Akte im Besonderen.

Die ersten Daguerreotypien mit erotischen Darstellungen dürften etwa um 1845 bei Pariser Händlern aufgetaucht sein. Sie waren Unikate und wurden häufig entsprechend dem Zeitgeschmack handkoloriert. Zu den ersten Aktfotografen zählen beispielsweise Philippe Derussy, E. Delacroix, Eugène Durieu und B. Braquehais. Meistens zogen die Fotografen jedoch die Anonymität vor, ihre Arbeiten wurden „unterm Ladentisch“ gehandelt, um nicht ins Visier von Polizei und Justiz zu geraten. Wer trotzdem „erwischt“ wurde, wie der Pariser Fotograf Felix-Jaques-Antoine Moulin, musste mit empfindlichen Geld- und Gefängnisstrafen rechnen. Ihre Modelle fanden sie bei für Maler und Akademien arbeitenden Professionellen, den Tänzerinnen der Varietés oder auch bei den Prostituierten.

Künstlerische Aktfotografien waren vor 1860 eher selten. Um den Wünschen ihrer Kunden zu entsprechen, stellten die Fotografen meistens „pikante“, oft auch ziemlich „deftige“ Aktbilder her, die jedoch den Unwillen der Moral- und Gesetzeshüter erregten. In den 1920er Jahren erschlossen reformistische, freiheitliche Bewegungen in Deutschland, die sich schon vor dem Ersten Weltkrieg bemerkbar gemacht hatten, auch der Aktfotografie neue Themenfelder. Neue Motive fanden Fotografen wie Gerhard Riebicke in der Freikörperkultur, die ebenso wie der Schönheits- und Ausdruckstanz mit einem neuen Körpergefühl und einem anderen Umgang mit Nacktheit experimentierte.

Der gesellschaftliche Dissens zu Fragen von Sitte und Moral war damit aber nicht aufgelöst. Entsprechend zwiespältig war die Rolle der Aktfotografie im Nationalsozialismus. Die Nazis duldeten nur solche Arbeiten, die, wie solche von Leni Riefenstahl, ihrem ideologischen Rassenwahn dienstbar gemacht werden konnten und ihren Vorstellungen von „Volkshygiene“ nicht zuwider liefen.

Subgenres und Sujets

High-Key Aktfoto

Aktfotografie bietet drei grundlegende Darstellungsformen des Aktes:

  • Den „klassischen“ Vollakt (einfacher Hintergrund, Vollakt, Modell ist vollständig nackt),
  • die Darstellung von Detailansichten (Details des Körpers, abstrahierend und anonymisierend, Betonung auf Formen und Strukturen, Nahaufnahme),
  • sowie den Halbakt (Modell ist teilweise bekleidet oder teilweise durch Accessoires verhüllt).

Neben diesen drei Grundformen hat sich die Aktfotografie in zahlreiche Sub-Genres oder Sujets mit verschiedenen, teilweise spezifischen, Techniken aufgefächert. Dazu gehören beispielsweise:

Aktfotografie und Recht

Aktmodell

Die Grenzen zwischen Aktfotografie und erotischer Fotografie sind fließend, den subjektiven Moralvorstellungen des Einzelnen und den jeweiligen kulturellen Vorstellungen von „guten Sitten“ unterworfen.

Zur Pornografie lässt sich die Aktfotografie anhand der Definition jener abgrenzen: eine Darstellung wird heute nach deutschem Recht als pornografisch bezeichnet, wenn sie unter Hintenansetzen sonstiger menschlicher Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher, anreißerischer Weise in den Vordergrund rückt, und wenn ihre objektive Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend zur Aufreizung des Sexualtriebs abzielt (Stefen, 1989). Das deutsche Strafgesetzbuch (StGB) beinhaltet ein Totalverbot bestimmter pornografischer Schriften, die als sozialschädlich eingestuft werden (§ 184 Abs. 3).
Aktfotografien beabsichtigen hingegen nicht primär eine sexuelle Erregung und sind neben einem ästhetischen und handwerklichen Anspruch auch durch menschliche Achtung gekennzeichnet.

Andererseits schützt das deutsche Grundgesetz explizit die Kunst: Die Kunst ist frei; die Freiheit der Kunst ist in Art. 5 Abs. 3 GG ohne Vorbehalt gewährleistet. Der Kunstbegriff ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf ein bestimmtes Niveau und daher auch nicht auf „wertvolle“ oder gar klassische Kunst beschränkt (Beschluss vom 3. Juni 1987, Az: 1 BvR 313/85, BVerfGE 75, 369). Die Abwägung zwischen Kunstschutz und anderen durch die Verfassung geschützten Rechtsgütern, beispielsweise Jugendschutz, beschäftigt regelmäßig die Gerichte, so beispielsweise im Juni 1990 im Fall Opus Pistorum.

Der Jugendschutz ist daher ein Problemfeld Sexualität darstellender Fotografie. Das Verbot (Indizierung) für Jugendliche unter 18 Jahren ist in Deutschland und anderen demokratischen Staaten nur im Rahmen einer Nachzensur möglich und kommt bei Aktfotografien kaum vor - häufiger müssen jedoch zum Beispiel in der Werbung oder in Zeitschriften verwendete Aktfotografien oder Akt-Darstellungen in anderen, weniger liberalen Ländern im Rahmen einer Vorzensur entfernt oder modifiziert werden.

Aktfotografie und Moralvorstellungen

„Weibliche Nacktheit muss man den Männern mit dem Teelöffel geben, nicht mit der Schöpfkelle“

Coco Chanel

Ob es sich bei einem Bild um Kunst, Kitsch oder gar Provokation handelt, liegt immer im Auge des Betrachters. Eine (ebenfalls subjektive) Definition von Günter Rinnhofer: „Ein Aktfoto ist dann gut, wenn das Modell es beim Geburtstag der Großmutter am Kaffeetisch rumzeigt und die Anwesenden es gut finden.“

Andere Definitionen sind weitaus kontroverser:

  • So ging es Horst Werner immer um die Provokation, um das Hervorrufen von Emotionen: Ihm war Abscheu oder Verstörung (zum Beispiel Akt auf einem Friedhof, Akte von Behinderten) lieber als Gleichgültigkeit.
  • Die Arbeiten von Jeff Koons bewegen sich zwischen Kitsch und Pornografie.
  • Fotografen wie Joel-Peter Witkin rufen mit ihren Arbeiten starke Emotionen bis hin zu Abscheu hervor.
  • Nan Goldin zeigt mit ihren Aktfotografien innere Ängste und Zwänge auf.
  • Bettina Rheims schockiert mit ihrer Direktheit.
  • Aktfotografien von Petter Hegre bewegen sich an der Grenze zur Pornografie.
  • Natacha Merritt exhibitionierte sich mit ihren Digital Diaries, indem sie sich bei sexuellen Handlungen mit sich selbst und verschiedenen Männern und Frauen fotografiert hat.
  • Henning von Berg möchte mit seinen Spaß-Happenings in der Öffentlichkeit bewusst provozieren und dadurch zum Nachdenken anregen.[1]
  • Terry Richardson macht überhaupt keine Unterschiede mehr zwischen Akt-, Porno-, Kunst- und Modeaufnamen. Er begibt sich oft selbst als Protagonist in seine Fotos.

Abgrenzung zu anderen Genres

Die Bestimmung des ästhetischen Wertes einer Aktfotografie und die Abgrenzung der Aktfotografie von der erotischen Fotografie ist intersubjektiv nur schwer zu leisten, darüber hinaus gibt es Überschneidungen mit der Pornografie - im Gegensatz zur Pornografie verfolgt die Aktfotografie jedoch nicht das Ziel, den Betrachter sexuell zu erregen. Das schließt natürlich nicht aus, dass Aktfotos auch aus diesem Grund betrachtet werden.

Aktfotografie und erotische Fotografie stehen immer im Spannungsfeld zwischen künstlerischer Freiheit, Ästhetik, Kitsch, Provokation und dem Verstoß gegen die „guten Sitten“ oder die Sexualmoral.

Die Aktfotografie gilt, neben der Porträtfotografie, als hohe Schule der Fotografie; neben technischen Fertigkeiten und einem gekonnten Umgang mit dem Licht als Gestaltungsmittel muss der Aktfotograf auch kommunikative Fähigkeiten mitbringen und eine positive Beziehung zu seinem Model aufbauen können. Üblicherweise wird zwischen Fotograf und Model ein Modelvertrag abgeschlossen, in dem neben Honorar Veröffentlichungsrechte und Anderes geregelt werden.

Beispiele für Aktfotografie

Wichtige Aktfotografen

Siehe auch

Quellen

  1. Naked city German photographer Henning von Berg captures the bare urban essentials of Berlin, Sydney - and now Montreal [1]

Literatur

  • David Daye: Aktfotografie München 2001, ISBN 3-87467-774-5
  • Roger Hicks, Frances Schultz: Aktfotografie München 1997, ISBN 3-87467-698-6
  • Michael Köhler, Gisela Barche: Das Aktfoto – Ästhetik, Geschichte, Ideologie Bucher, München 1985, ISBN 3-7658-0675-7
  • Martin Sigrist, Matthias Stolt: Die neue Akt Fotoschule Gilching 2000, ISBN 3-933131-00-6.
  • Achim Sommer, Nils Ohlsen (Hrsg.): Der Akt in der Kunst des 20. Jahrhunderts Wienand, Köln 2002, ISBN 3-87909-795-X.
  • Michael Köhler, Gisela Barche: Ansichten vom Körper – Das Aktfoto 1840-1986. Ed. Stemmle, Schaffhausen, ISBN 3-7231-6900-7
  • William F. Ewing (Herg.): Das Jahrhundert des Körpers – Figürliches Fotografieren. Seemann, Berlin 2000, ISBN 3-363-00747-7

Weblinks


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