16H

16H
Norton

Norton war ein englischer Hersteller von Motorrädern. Keine andere Marke gewann so oft das klassische Rennen um die Tourist Trophy auf der Isle of Man.

Inhaltsverzeichnis

Das Unternehmen und seine Geschichte

Das ursprüngliche Unternehmen wurde von James Lansdowne („Pa“) Norton im Jahr 1898 in Wolverhampton gegründet. Das Unternehmen war lange Zeit ansässig in der Bracebridge Street in Birmingham. Seit 1913 wurden Motorräder in verschiedenen Serien gebaut und eine Vielzahl von Rennsiegen errungen.

Norton war hierdurch einer der großen Namen in der britischen Motorradindustrie, vor allem bekannt dafür, für Jahrzehnte das europäische und dann weltweite Motorrad-Renngeschehen dominiert zu haben.

Das Rennen auf der Isle of Man in der irischen See, die „Senior TT“ (Tourist Trophy), ein Rennen in der Klasse bis 500 cm³, war das wichtigste Rennen in der Motorrad-Weltmeisterschaft bis in die 1960er Jahre. Dieses Rennen gewannen Fahrer auf Norton zehnmal in den Jahren zwischen den Weltkriegen und anschließend in jedem Jahr von 1947 bis 1954. Diese Serie von Rennsiegen ist unerreicht in der Welt; keine andere Motorradmarke war auch nur annähernd so erfolgreich in internationalen Rennwettbewerben.

Im zweiten Weltkrieg war das 500-cm³-Einzylinder-Modell 16 H, ein einfaches Seitenventiler-Motorrad (SV) die Standard-Ausrüstung der britischen Armee. Von diesem Motorrad-Typ, der in hohen sechsstelligen Stückzahlen produziert wurde, sind auch 60 Jahre nach Einstellung der Fertigung sämtliche Teile sowohl neu als sogenannter „New Old Stock“, also eingelagerte Teile aus der Produktion der 40er Jahre, als ebenso auch in moderner Nachfertigung zu erhalten.

1953 wurde Norton mit anderen britischen Motorrad-Herstellern (A.J.S., Matchless, James, Francis-Barnett) im AMC (Associated Motor Cycles)-Konzern zusammengeführt. 1963 wurde die Norton-Produktion in das Matchless-Werk in der Plumstead Road im Londoner Stadtteil Woolwich verlagert.

Nach dem zweiten Weltkrieg war die Marke Norton für die Qualität des Designs und für die Handling-Eigenschaften der Fahrwerke bekannt, insbesondere des sogenannten „Federbett“-Rahmens mit doppelten Rohrschleifen vom Lenkkopf zum Schwingenlager. Viele „Cafe Racer“, Motorrad-Eigenbauten und -Umbauten, entstanden auf der Basis des Norton-Federbettrahmens; motorisiert jedoch mit Zweizylinder-Triumph-Motoren, weil die starken Norton-Einzylindermotoren in den leichten Autos der Formel 3 Verwendung fanden und Nortonmotoren nicht einzeln käuflich waren, sondern nur in ganzen Motorrädern angeschafft werden konnten. Man verwendete greifbare Triumphmotoren und nannte diese Umbauten „Triton“, setzte also die Namen zusammen aus Triumph (-Motoren) und Norton (-Rahmen).

Anfang der 1960er Jahre wurden die USA der Hauptabsatzmarkt für Norton-Motorräder. Die finanzielle Lage des Unternehmens verschlechterte sich, bis 1966 durch die Hauptgläubigerbank ein Konkursverwalter für AMC bestellt wurde. Die Rettung kam durch die britische Firma Villiers, die die Produktions- und Vertriebsrechte der AMC-Motorradmarken übernahm. Im Jahre 1960 wurde das Unternehmen Norton an den Konzern Associates Motorcycles (AMC) verkauft, dem bereits die Marken AJS, Matchless und Villiers gehörten. Die Fabrik in Wolverhampton wurde geschlossen und die Produktion zog um zur AMC-Fabrik im Londoner Stadtteil Woolwich.

In den späten 1960er Jahren hatten die aufkommenden japanischen Wettbewerber die englische Motorradindustrie in einen allmählichen Abstieg getrieben. 1969 wurde die Norton Commando eingeführt. Ihr revolutionärer „Isolastic“-Rahmen und der außergewöhnlich kraftvolle Motor machten sie für eine Zeitlang wettbewerbsfähig mit den japanischen Superbikes jener Jahre. Trotz einiger Modellmodifikationen und starker Verkäufe ging das Unternehmen dennoch schleichend dem Konkurs entgegen, der dann im Jahre 1974 eintrat. Zuvor jedoch wurde 1973 mit Hilfen und Eingriffen seitens der britischen Regierung die Gesellschaft umfirmiert in Norton-Villiers-Triumph (NVT), indem man den Markennamen Triumph von BSA übernahm.

Im Zuge von Auseinandersetzungen und schweren Streiks ging das Unternehmen 1974 wieder in private Eigentümerschaft über, jedoch ging hiermit die Fertigung klassischer Norton-Motorräder stark zurück. Das Werk wurde als Kooperative weitergeführt, bis 1977 wurde das Modell Commando in kleinsten Stückzahlen auf handwerklicher Basis notdürftig weiter gebaut.

Norton Interpol 2

In den 1980er Jahren ging das Unternehmen durch verschiedene Erneuerungen. Man hatte einigen Erfolg in der Fertigung von Motorrädern für die Polizei und hiervon abgeleiteten Zivilversionen mit Wankelmotoren, die heutzutage begehrte Sammlerobjekte sind. Der Name Norton wurde im Jahre 1988 für anspruchsvolle Motorräder mit Wankelmotoren reaktiviert. Die neuen Modelle waren auch wieder in Rennen erfolgreich, z. B. gewann die NSR588 mit Zweischeiben-Wankel im Spondon-Rahmen die Senior TT im Jahre 1992 noch einmal, aber der wirtschaftliche Erfolg stellte sich nicht mehr ein. Nach dubiosen Finanzgeschäften wechselten die Besitzer des Werkes und der Rechte häufig.

Im Verlauf der 1990er Jahre begann der Amerikaner Kenny Dreer mit der Firma Norton Motorsports wieder, neue Commandos basierend auf den Plänen der 1970er Jahre zu entwickeln. Sein danach entstandenes Projekt, eine zeitgemäße Commando-Interpretation zu entwickeln und zu fertigen, ist jedoch derzeit wieder in der Schwebe, da Anfang/Mitte 2006 große finanzielle Schwierigkeiten auftraten, so dass eine Produktion derzeit ungewiss ist.

Dank der umfangreichen Ersatzteilversorgung durch Andover Norton von mehreren Norton-Spezialisten sind inzwischen komplette Neuaufbauten mit Hubräumen von bis zu 1.004 cm³ zu kaufen.

Die Motorräder

Nachfolgend eine Übersicht über die bekanntesten Norton-Motorräder, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Modell 16H

Unrestauriertes Modell 16H von ca. 1935

Das am häufigsten hergestellte Norton-Motorrad. Das Modell 16H war ein 500-cm³-Seitenventiler-Einzylinder mit etwa 14 PS, dessen sich auch die Englische Armee im Zweiten Weltkrieg bediente.

Unter dem Namen „Big Four“ existierten fast immer zeitparallel auch Versionen mit 600 cm³, die im Seitenwagen-Betrieb begehrt waren.

ES 2

Motor einer ES 2, letzte Einzylinder-OHV-Version, 500 cm³, ca. 26 PS

Unter dem Namen ES 2 wurde eine 500 cm³-Einzylindermaschine bekannt, die durch obenliegende Ventile (OHV) erheblich leistungsstärker war (ca. 22 PS statt anfangs 14). Auch von dieser Maschine, die in den 1930er Jahren erstmals erschien, gab es unter anderem, oft wechselnden Modellbezeichnungen zeitweise 600 cm³-Versionen. Das Modell ES2 war dann am Anfang der 1960er Jahre der letzte Vertreter von Norton in der klassischen englischen Einzylinder-Technik.

Die Modellbezeichnungen der Einzylinder-Versionen variierten stark, je nachdem, mit welchen Vorderradgabeln, mit welchen Schutzblechen und Instrumenten ein Motorrad ausgestattet war, oder ob die Auspuffanlage zu Geländesport-Zwecken hochverlegt war. Das Erkennen und Zuordnenkönnen von diesen manchmal jährlich wechselnden Modell-Bezeichnungen ist ein beliebter Sport unter den Norton-Fans in den „Classic British Bikes“-Clubs.

Das „Kochrezept“ vieler Jahrzehnte Norton-Einzylinder aber war zwischen 1920 und 1960 immer: vier Grundmodelle,

  1. mit SV-Motor (Beispiel 16H, Big Four),
  2. mit OHV-Motor (Beispiel ES2, Mod. 18, Mod. 19),
  3. mit OHC-Motor für Sport- und Rennzwecke (Manx- und International-Modelle),
  4. mit DOHC-Motor für Rennzwecke (spätere Manx)

Dann wurde der Hubraum variiert:

  1. klassisch mit 500 cm³ (Manx, International, 16H, Mod. 18, ES2),
  2. vergrößert auf 600 cm³ (Big Four, Mod. 19),
  3. oder reduziert für die Sportklasse bis 350 cm³ (ebenfalls Inter, Manx).

International / „Inter“

500-cm³-Einzylinder-OHC-Motor mit Königswelle einer Norton International

Ausgerüstet mit dem von Arthur Carroll neu entwickelten Königswellen-OHC-Einzylindermotor, war die Maschine in den 1930er Jahren in vielen Rennen erfolgreich. 1930 und 1931 trägt sie noch die Bezeichnung CS1

Manx

Letzte Version der berühmten Norton Manx-DOHC-Rennmaschine
Norton Manx, Baujahr 1954

Die wohl bekannteste Einzylinder-Rennmaschine von Norton. Hergestellt von 1949 bis 1962, ausgerüstet mit zwei obenliegenden Nockenwellen (DOHC), die durch eine Königswelle angetrieben wurden. Eine echte Manx in fahrbereitem Zustand dürfte heute kaum unter 30.000 € zu haben sein.

Dominator

Ausgerüstet mit einem von Bert Hopwood entwickelten 500 cm³-Gleichläufer-Parallel-Twin-Motor und gebaut ab 1949, war es der Begründer einer ganzen Reihe von weiteren Zweizylinder-Norton-Motorrädern. Zunächst wurde das Motorrad als Model 7 mit einem Gardengate-Rahmen, d. h. mit einer Geradwegfederung aka Plunger angeboten, und war für den Seitenwagen-Betrieb auch mit Starr-Rahmen zu haben. 1952 wurde als weiteres Modell mit dem für seine Fahrstabilität bekannten „Federbett-Rahmen“ die Norton 88 gebaut. Der amerikanische Markt verlangte nach größeren Motoren, so dass ab 1954 mit dem Modell 99 eine 600er hinzukam, im alten Plunger-Rahmen als Modell 77 verkauft. 1960 wurde das Federbett-Fahrwerk der Straßenmodelle deutlich verändert, da eine für die Zeit typische Heckverkleidung montiert wurde und der Rahmen dafür an den Oberrohren im Sattelbereich enger geführt wurde. Die beiden Typen werden seitdem als Slimline- und Wideline-Featherbed bezeichnet. Die etwas sportlicheren Modelle der 500er und 600er erhielten die Bezeichnungen 88SS und 99SS, zudem wurde mit der Manxman eine 650er zunächst nur für den amerikanischen Markt eingeführt; von der späteren 650SS unterschied sie sich durch den höheren Lenker und den Einzelvergaser.

Die Bezeichnung „Dominator“ wurde von Norton übrigens nicht offiziell benutzt.

Dominator 650SS

Die 650SS war die europäisierte Version der Manxman mit demselben auf 650 cm³ Hubraum vergrößertem Motor, jedoch höherer Verdichtung, anderer Nockenwelle und zwei Amal-Vergasern, gebaut ab 1962, Nennleistung 49 bhp (British Horse Power) bei 6.800 U/min.

Atlas

Mit dem Motor der Norton Dominator, jetzt auf knapp 750 cm³ Hubraum vergrößert und mit derselben Nennleistung von 49 PS wie die 650SS, allerdings bei 6.200 U/min. Die Maschine wurde ab 1962 zunächst ausschließlich für den US-Markt gebaut, dann aber ab 1964 auch in Europa angeboten. Die starken Vibrationen des, auf immerhin das Anderthalbfache der Ursprungshubraumes vergrößerten, Motors wurden von den Kunden immer mehr als Problem angesehen, so dass sie schlussendlich zur Entwicklung eines Nachfolge-Modells führten.

Commando

1967 auf der Earls Court Motorradausstellung präsentiert, besaß die Commando ein modernes Design und ein vollkommen neu konzipiertes Zentralrohr-Fahrwerk. Versuche mit einem neuen, DOHC-gesteuerten Motor waren wenig erfolgreich verlaufen, so dass der überarbeitete 750 cm³ Motor aus der Atlas verwendet wurde. Das Vibrationsaufkommen des Paralleltwin-Gleichläufers war jedoch durch die mehrmalige Hubraumaufstockung stark angewachsen. Um Fahrer und Rahmen vor den Vibrationen zu schützen, wurde die gesamte Einheit aus Motor, Getriebe und Hinterradaufhängung elastisch im Rahmen gelagert. Die „Isolastic“-Aufhängung erlaubte Bewegungen in Längsebene des Motorrads durch Gummielemente, während Bewegungen in Querrichtung dazu durch Anordnungen aus Stahl- und Teflonscheiben zum Erreichen eines stabilen Fahrwerks unterbunden wurden. Eine funktionsähnliche Bauweise ist als „Isoplanar“-Motoraufhängung noch heute an Harley-Davidson- und als „Uniplanar“ an Buell-Motorrädern zu finden. Folgende Varianten wurden gebaut:

  • 750 Mk1 „Fastback“-Version mit einem GFK-Heckteil, gebaut 1967-1970
  • 750 MK2 „Roadster“-Variante mit kleinerem Tank und konventionellem Heck sowie S-Version mit einseitig verlegter Auspuffanlage, gebaut 1971-1972
  • 750 Mk3 gebaut 1971-1972
  • 750 Mk4 Wahlweise mit Scheibenbremse vorn, wahlweise mit stärkerem „Combat“-Motor (höhere Verdichtung, schärfere Nockenwelle), gebaut 1972-1973
  • 750 Mk5 Mit verbesserten Kurbelwellen-Hauptlagern, Scheibenbremse vorn serienmäßig, gebaut 1973-1974
  • 850 Mk1 Hubraum durch vergrößerte Bohrung auf 828 cm³ erweitert, Scheibenbremse vorn serienmäßig, gebaut 1973-1974
  • 850 Mk2 Wahlweise als Roadster- oder Interstate-Version (größerer Tank, längere Sitzbank). Verkleidete Version „John Player Replica“. Gebaut 1974
  • 850 Mk3 Modell mit linksseitiger Schaltung und Elektrostarter. Hydraulischer Primärkettenspanner, Scheibenbremse hinten, verbesserte „Isolastic“-Aufhängung. Gebaut 1974 bis 1977.

961 Commando

Seit 2005 wurden einige Vorserien-Exemplare dieses komplett neu entwickelten Modells in Gladstone (Oregon, USA), gebaut. Die Maschine besitzt einen Parallel-Twin mit 961 cm³ und 59 kW (80 PS) und sollte zunächst als, auf 200 Stück limitierte, „Signature Series“ mit Unterschrift des neuen „Vaters der Norton-Markenrechte“, Kenny Dreer zum Stückpreis von 20.000 US-Dollar verkauft werden. Leider fehlten für die Serienproduktion ca. zehn Mio. US-Dollar, so dass das Unternehmen Norton Motorsports Mitte 2006 vorerst einen Großteil der Mitarbeiter entlassen musste. Derzeit ist man nach eigenen Aussagen dabei, die notwendigen Finanzierungsmittel zu beschaffen und ein neues, kostengünstigeres Firmengelände zu suchen, um die Produktion doch noch beginnen zu können.

Literatur

  • Norton Motorräder, Pietsch Verlag Stuttgart (2000), ISBN 3-613-87172-6
  • Alles, Helmut: Ein Engländer in der Werkstatt. Motorräder der 30er bis 40er Jahre restaurieren. Ein Ratgeber nicht nur für Norton Einzylinder, Monsenstein und Vannerdat (2005), ISBN 3-938568-15-1

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