Al-Dschahiz

Al-Dschahiz

al-Dschahiz (* 776 Basra; † Dezember 868 oder Januar 869; arabischالجاحظ‎, DMG al-Ǧāḥiẓ), eigentlich Abu Uthman Amr ibn Bahr Mahbun al-Kinani al-Lithi al-Basri / ‏أبو عثمان عمرو بن بحر محبوب الكناني الليثي البصري‎ / Abū ʿUṯmān ʿAmr bin Baḥr Maḥbūn al-Kinānī al-Līṭī al-Baṣrī) war ein schwarzarabischer Schriftsteller, ein Verfasser von Adabliteratur, der der rationalistischen Glaubensrichtung des sunnitischen Islam namens Mu'tazila angehörte. Er wurde gegen 776 in Basra geboren und starb im Dezember 868 oder Januar 869.

al-Dschahiz ist ein Schüler des Theologen al-Nazzam (775–846), der die Dualisten und materialistischen „Physiker“ (dahriyya) bekämpfte. Durch seine Schriften stützte er den Abbassiden-Kalifen al-Ma'mun (813–833). Als ein Schöpfer arabischer Prosa trat er für eine arabische Kultur ein, indem er die arabische Tradition mit den Gegebenheiten des griechischen Denkens kombinierte. Er hinterließ mehr als zweihundert Werke, von denen gut fünfzig erhalten sind.

Der französische Arabist Charles Pellat hat sich um die Erschließung seiner Werke für den westlichen Leser verdient gemacht.

Inhaltsverzeichnis

Namensvarianten

  • Abu Uthman Amr Ibn Bahr al-Dschahis
  • Abū-ʿUṯmān ʿAmr Ibn-Baḥar al-Ǧāḥiẓ
  • Abū-ʿUṯmān ʿAmr Ibn-Baḥr al-Ǧāḥiẓ
  • Abū-ʿUṯmān ʿAmr Ibn-Baḥr al-Ǧāḥiẓ al-Baṣrī
  • Abu ʿOthman ʿAmr Ibn Baḥr al-Jaḥiẓ
  • Abū ʿUthmān ibn Baḥr al-Jāḥiẓ
  • ʿAmr al-Ǧāḥiẓ Ibn-Baḥr
  • ʿAmr Ibn-Baḥr al-Ǧāḥiẓ
  • al-Ǧāḥiẓ
  • Djaḥiẓ
  • Jāḥiẓ

Biographie

Über die Kindheit al-Dschahiz’ ist nur wenig bekannt. Er wuchs in armen Verhältnissen auf und verkaufte Fisch an den Kanälen Basras, um seine Familie zu unterstützen. Er stieß zu einer Gruppe Jugendlicher aus der Hauptmoschee Basras, diskutierte mit ihnen über wissenschaftliche Themen, und half im Unterricht über Philologie, Lexikographie und Poesie.

al-Dschahiz führte seine Studien 25 Jahre lang fort, wodurch er tiefgehende Kenntnisse der arabischen Dichtkunst und Philologie, der präislamischen Geschichte von Arabern und Persern, sowie des Koran und der Hadith erwarb. Er studierte ebenso aus dem Griechischen übersetzte wissenschaftliche und philosophische Texte, insbesondere die Werke Aristoteles’. Seine Ausbildung wurde dadurch erleichtert, dass das Abbassiden-Kalifat in kulturellem und intellektuellem Aufruf war, was die Verbreitung von Büchern förderte.

Werke

Kitāb al-Hayawan (Buch der Tiere)

Das Kitāb al-Hayawan ist eine Enzyklopädie über Tiere in sieben Bänden, die mehr als 350 Tierarten in der Form von Anekdoten, poetischen Beschreibungen und Sprichwörtern behandelt. Es gilt als das bedeutendste Werk von al-Dschahiz. Obwohl der Gelehrte al-Chatib al-Baghdadi al-Dschahiz des Plagiats bezichtigte und behauptete, dass der Großteil des Werkes auf das Kitāb al-Hayawān des Aristoteles[1] zurückgehe, so enthält das Buch der Tiere doch auch eigenständiges Material. Insbesondere spekulierte al-Dschahiz über den Einfluss der Umwelt auf Tiere, was man als einen Vorläufer zur Evolutionstheorie ansehen kann. al-Dschahiz betrachtete den Effekt der Umwelt auf die Wahrscheinlichkeit eines Tieres, zu überleben und beschrieb den Kampf ums Überleben, einen Vorläufer der natürliche Selektion.[2][3] al-Dschahiz schrieb:

„Tiere befinden sich in einem Kampf um die Existenz; um Ressourcen, um zu vermeiden, gefressen zu werden, um Fortpflanzung. Umwelteinflüsse beeinflussen den Organismus, so dass neue Eigenschaften entwickeln werden, die das Überleben sichern, mit dem Ergebnis, dass neue Arten entstehen.“[4]

Kitab al-Bukhala (Buch der Geizkragen)

Dies ist eine Sammlung von Geschichten über die Gier. Die Geschichten tragen satirische Züge und bilden das beste Beispiel für den Prosastil des Autors. Es ist eine feinfühlige Studie über die menschliche Psychologie. Al-Ǧāḥiẓ spottete über Lehrer, Bettler, Sänger für ihr gieriges Verhalten. Das Buch gilt als eines der besten Werke von Al-Ǧāḥiẓ, und viele der Geschichten werden regelmäßig in Zeitschriften in der arabischen Welt abgedruckt.

Im folgenden Textbeispiel, das die feinsinnigen Beobachtungen und humoristische Darstellungsweise von al-Dschahiz in diesem Werk illustriert, geht es überraschenderweise um das Müllsortieren:[5]

„Abu Sa’id hatte es seiner Dienerein verboten, den Kehricht aus dem Haus zu schaffen, und ihr sogar aufgetragen, den aus den Wohnungen der Mieter zu sammeln […]. Von Zeit zu Zeit setzte er sich hin, und die Dienerin kam mit einem Korb und schüttete den Kehricht vor ihm in Haufen auseinander, die er dann einen nach dem anderen durchsuchte […] Kleiderlumpen wurden an Leute, die mit Tellern und Hausgeräten handelten, verkauft, Granatapfelschalen an Färber und Gerber, Flaschen an Glaser, Dattelkerne an Leute, die sich junge Gazellen hielten, Pfirsichkerne an Pflanzer und Nägel und Eisenstücke an Schmiede […] Knochenstücke wurden als Brennstoff genutzt, Tonscherben bei neuen Öfen verwertet und Steine für einen Bau gesammelt. […] Wenn dann noch die reine Erde übrigblieb und er daraus […] Ziegel machen wollte, so nahm er keine Kosten für Wasser auf sich, sondern gab allen Hausbewohnern die Weisung, nur über diesem Lehm die rituelle Reinigung vorzunehmen […]“

Kitab Moufakharat al Jawari wal Ghilman (Das Buch der Konkubinen und Epheben)

Im Arabischen ist jawari der Plural von jariya, was eine weibliche Dienerin im Sinne von Konkubine bedeutet. Es gab zwei Arten von Dienerinnen, die eine Art für den Haushalt und tägliche Erledigungen, und die andere Art, qina genannt, die auch singen konnte und höher im Wert stand. In der Tat war deren Preis sehr hoch, so dass nur Fürsten und reiche Kaufleute sie sich leisten konnten. Das Wort ghilman ist der Plural von ghoulam, was einen männlichen Diener bezeichnet und auch Eunuch und Ephebe bezeichnet. Für die meisten Gelehrten ist dieses Werk über Konkubinen und Epheben ein üppiges Buch über die Sinnlichkeit, und al-Dschahizor erzählt darin Geschichten erotischer Art.

Risalat mufakharat al-sudan 'ala al-bidan (Überlegenheit der Schwarzen über die Weiße)

Al-Ǧāḥiẓ schrieb darin:[6]

„Wir (Äthiopier) haben das Land der Araber bis nach Mekka erobert und sie regiert. Wir haben Dhu Nowas[7] besiegt, und haben alle Prinzen der Himjariten getötet, während Ihr weißen Völker nie unser Land erobert habt. Unser Volk, die Zenghs,[8] revoltierten vierzig Mal am Euphrat und haben die Einwohner von ihren Häusern vertrieben und haben aus Oballah ein Blutbad gemacht. […] Schwarze sind körperlich stärker als jedes andere Volk. Ein einzelner von ihnen kann Steine von solchem Gewicht hochheben und solche Lasten tragen, wie mehrere Weiße zusammen nicht heben oder tragen könnten. […] Sie sind tapfer, stark und freigebig, wie ihre Würde und das Fehlen jeglicher Bösartigkeit bezeugen […] Dennoch ist die Wüste voll von unseren Männern, die Eure Frauen geheiratet haben und Euch gegen Eure Feinde verteidigt haben.“

Weitere Werke

In Kursivschrift: französischer Titel. – Hinter dem Gedankenstrich: Titel der deutschen Übersetzung bzw. sinngemäße Übersetzung des französischen Titels

  • Epître à Fath-ben Khakan sur les mérites des Turques et de l’armée impériale (Epistel an Fath-ben Khakan über die Verdienste der Türken und der imperialen Armee)
  • Sur l’amour et les femmes – Über die Liebe und die Frauen
  • Traité sur les marchands – Abhandlung über die Kaufleute
  • Traité de rhétorique – Abhandlung über die Rhetorik
  • Le livre des mulets – Über die Maultiere
  • Traité sur le chant des jeunes filles – Abhandlung über den Gesang der Mädchen
  • Le livre de l’ordre des chanteurs (Das Buch des Sängerordens)
  • Le cercle et le carré – Kreis und Quadrat
  • Traités sur les Turcs – Abhandlung über die Türken
  • Le livre des bonnes actions et de leurs contraires (attribué) – Die schönen Dinge und ihre Kehrseite (zugeschrieben)
  • Le livre de la couronne et des vêtements des rois (attribué) – Das Buch der Krone und die Kleider der Könige (zugeschrieben)

Zitate über al-Dschahiz

„One of the greatest prose writers in classical Arabic literature.“

Bernard Lewis

„[Al-Jahiz] was one of the most productive and frequently quoted scholars in Arabic literature. His originality, wit, satire, and learning, made him widely known.“

Philip K. Hitti

Manuskripte

  • Ms. Mixt. 94, Nationalbibliothek, Wien. Le livre des bonnes actions
  • Ms. Lbg. 828, Berlin, Staatsbibliothek preußischer Kulturbesitz. Le cercle et le carré, Fragmente
  • Ms. 1973, Mingana Collection of Manuscripts Birmingham. La supériorité des noirs sur les blancs
  • Ms. Or. 3089, London, British Museum. Le livre des bonnes actions, f. 169b–171a, datiert 1766
  • Ms. Or. 3138, London, British Museum, Epître à Fath-ben Khakan. f. 62–68. Sur l’amour et les femmes, f. 54–55. Le livre de l’ordre des chanteurs, 49a–52a, datiert 1877
  • Ms. Or. 3138/3, London, British Museum, Le cercle et le carré, Fragmente
  • Ms. Or. 1012, Leiden, Universiteitsbibliotheek. Le livre des bonnes actions
  • Ms. 3031, Istanbul, Nuruosmania Kütüphanesi, Le livre des animaux
  • Ms. 992–996, Istanbul, Raghip pasha Kütüphanesi, Le livre des animaux
  • Ms. Damat Ib. Ps. 949, Istanbul, Suleymaniye Kütüphanesi, La supériorité des noirs sur les blancs, f. 59a–71b. Traité sur le chant des jeunes filles, f. 157b–168b
  • Ms. Reiselkuttab 584, id., Le livre des animaux, f. 495
  • Ms. EM 1358, İstanbul, Topkapı Saray. Le livre de l’ordre des chanteurs, f. 24–26
  • Ms. A. 2417, İstanbul, Topkapı Sara,Le livre de la couronne, f. 14b–57a[9]

Ausgaben

  • Muhammad Harun: Le Caire. 1938–1945.
  • Charles Pellat: Livre des mulets / Abū-ʿUthmān ʿAmr Ibn-Baḥr al Jāḥiẓ.Bibliothèque Jàhizienne. Muṣṭafā al-Bābī al-Ḥalabī, Le Caire 1955.
  • G. van Vloten: Le livre des beautés et des antithèses attribué à Abu Othman ibn Bahr al-Djahiz al-Basra. Leiden 1898.
  • G. van Vloten: Tria opuscula auctore Abu Othman Amr ibn Bahr al-Djahiz Basrensi. Leiden 1903.

Quellenangaben

  1. F. E. Peters: Aristotle and the Arabs: The Aristotelian Tradition in Islam; New York University Press, NY, 1968.
  2. Conway Zirkle: Natural Selection before the „Origin of Species“; Proceedings of the American Philosophical Society, 84/1 (1941)), S. 71–123.
  3. Mehmet Bayrakdar: Al-Jahiz And the Rise of Biological Evolutionism; The Islamic Quarterly; London, 1983; Online-Ressource
  4. Gary Dargan: Intelligent Design; Encounter, ABC.
  5. zitiert nach Pellat, Arabische Geisteswelt, 403–405
  6. Yosef A.A. Ben-Jochannan: African Origins of Major Western Religions; S. 238; siehe dazu auch Aksumitisches Reich und Ella Asbeha
  7. Jüdischer König des Jemen
  8. Schwarze der afrikanischen Ostküste, siehe auch Zandsch
  9. djahiz Biographie

Literatur

  • D. M. Hawke:The life and works of Djahiz. London 1969. (textes choisis trad. du français)
  • Charles Pellat: Arabische Geisteswelt. Ausgewählte und übersetzte Texte von Al-Gahiz (777–869). Unter Zugrundelegung der arabischen Originaltexte aus dem Französischen übertragen von Walter W. Müller. Bibliothek des Morgenlandes. Artemis Verlag, Zürich und Stuttgart 1967.
  • Charles Pellat: Le milieu baṣrien et la formation de Ǧāḫiẓ. Adrien-Maisonneuve, Paris 1953.
  • Susanne Enderwitz: Gesellschaftlicher Rang und ethnische Legitimation. Der arabische Schriftsteller Abu „Utman al – Gahiz (gest. 868)“ über die Afrikaner, Perser und Araber in der islamischen Gesellschaft. Schwarz, Berlin 1979.
  • Oskar Rescher: Excerpte und Übersetzungen aus den Schriften des Philologen und Dogmatikers Ǧâḥiẓ aus Baçra (150–250 H.) nebst noch unveröffentlichen Originaltexten. Amr Ibn Bahr-al-Gahiz. Hrsg. u. Übers. von Oskar Rescher. Stuttgart 1931.
  • Otto Zeller (Hrsg.): Internationale Bibliographie der Zeitschriftenliteratur aus allen Gebieten des Wissens. Felix Dietrich, Osnabrück 1975. (Biblogr.)

Weblinks


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