Ficus carica

Ficus carica
Echte Feige
Echte Feige (Ficus carica)

Echte Feige (Ficus carica)

Systematik
Abteilung: Bedecktsamer (Magnoliophyta)
Klasse: Dreifurchenpollen-
Zweikeimblättrige
(Rosopsida)
Ordnung: Rosenartige (Rosales)
Familie: Maulbeergewächse (Moraceae)
Gattung: Feigen (Ficus)
Art: Echte Feige
Wissenschaftlicher Name
Ficus carica
L.

Die Echte Feige (Ficus carica) ist ein mittelgroßer Baum oder Strauch aus der Gattung der Feigen (Ficus). Sie zählt zu den ältesten domestizierten Nutzpflanzen und wird im gesamten Mittelmeergebiet angebaut. Sie hat wie alle Feigen eine komplexe Bestäubungsökologie.

Inhaltsverzeichnis

Name

Der lateinische Name ficus für die Feige wurde namensgebend für die ganze Gattung Feigen.

Das Artepitheton carica bedeutet „aus Karien“, einer antiken Landschaft in Kleinasien. Von hier kamen in der Antike getrocknete Feigen von ausgesuchter Qualität in Schachteln verpackt in den Handel.[1]

Der Name Ficus carica wurde von Linné bereits 1753 in seiner Species plantarum vergeben.

Merkmale

Feigenbaum im Frühjahr

Die Feige ist ein Strauch oder kleiner Baum mit einer Wuchshöhe von bis acht Metern. Sie ist sommergrün und laubwerfend. Die Krone ist bei alten Individuen sehr breit und ausladend, jedoch unregelmäßig und niedrig. Der Stamm ist oft knorrig, gedreht oder gebogen. Die Verzweigung beginnt schon in geringer Höhe. Die Rinde ist glatt, hellgrau. Die ganze Pflanze führt Milchsaft.

Die Blätter sind rund 20 bis 30 Zentimeter lang und fast ebenso breit und stehen wechselständig an den Zweigen. Sie sind fest und ledrig-steif. Sie sind handförmig in drei bis fünf Lappen geteilt. Die Oberseite ist dunkelgrün und rauhhaarig, die Unterseite ist heller und nur auf den Blattnerven deutlich behaart. Der Blattstiel ist fünf bis acht Zentimeter lang.

Blütenstand und Blüten

Die Blütenstände werden in den Blattachseln gebildet. Sie sind flaschenförmig und entstehen, indem die Blütenstandsachse krugförmig nach oben wächst und mehrere hundert Einzelblüten dabei nach innen verlagert werden. An der Spitze des Blütenstandes bleibt eine enge Öffnung (Ostiolum) frei, die durch schuppige Hochblätter fast völlig geschlossen ist.

Feigen sind einhäusig, d. h. es gibt männliche und weibliche Blüten, die jedoch zusammen auf einer Pflanze vorkommen. Bei letzteren gibt es wieder zwei Formen: eine kurzgriffelige, sterile und eine langgrifflige, fertile Form. Diese drei Blütenformen sind auf zwei Formen der Kulturfeige verteilt, die klassisch als Varietäten eingestuft werden (siehe jedoch unten):

  • Die Haus- oder Essfeige, var. domestica, die die essbaren Früchte liefert, besitzt nur langgrifflige weibliche Blüten. Da ihr die männlichen Blüten fehlen, kann sie sich also alleine gar nicht vermehren.
  • Die Holz- oder Bocksfeige, var. caprificus, enthält kurzgrifflige weibliche Gallenblüten und männliche Blüten. Letztere stehen in der Nähe des Ostiolums. Die Bocksfeige ist funktionell die männliche Pflanze.

Befruchtung

Illustration. Oben: Zweig mit Blättern und Blütenständen; Mitte: links weibliche, rechts männliche Feigengallwespe; Unten von links nach rechts: kurzgrifflige weibliche Blüte, langgrifflige weibliche Blüte, männliche Blüten, Längsschnitt durch Blütenstand.

Die Blütenökologie ist bei der Echten Feige noch komplizierter als bei der Gattung Feigen generell, da hier nicht nur Feige und Feigenwespen interagieren, sondern zusätzlich zwei Feigenvarietäten zusammenspielen müssen.[2] Wie bei allen Feigen werden die Blüten durch eine zwei bis drei Millimeter große Gallwespenart, die Feigengallwespe (Blastophaga psenes) bestäubt.

Die Gallwespen entwickeln sich in den kurzgriffligen weiblichen Blüten der Bocksfeige. Die Imagines schlüpfen in den reifenden Blütenständen. Die nicht flugfähigen Männchen begatten die Weibchen noch innerhalb der Feige. Vor dem Verlassen der Feige durch das Ostiolum sammeln die Weibchen den Pollen an den männlichen Blüten. Die befruchteten Weibchen suchen nun blühende Feigen. Es gibt nun zwei Möglichkeiten:

  • Das Weibchen findet eine Bocksfeige. Nach dem Eindringen in den Blütenstand bestäubt es mit dem mitgebrachten Pollen die Blüten. Mit seinem Legestachel legt es die Eier in die Fruchtknoten der weiblichen Blüten und sorgt so für eigene Nachkommen. Obwohl die weiblichen Blüten steril sind, müssen sie bestäubt werden, damit sie die Gallen bilden, in denen sich die Wespenlarven entwickeln.
  • Das Weibchen findet eine Essfeige. Es bestäubt ebenso die weiblichen Blüten. Da deren Griffel jedoch länger sind als der Legestachel, kann es keine Eier ablegen.[3]

In beiden Fällen geht die Gallwespe im Inneren der Feige zugrunde[4].

In den Bocksfeigen entwickelt sich die nächste Gallwespen-Generation, bei den Essfeigen entwickeln sich die essbaren Früchte mit den Samen.

Um in Feigenkulturen die Bestäubung sicherzustellen, werden blühende Bocksfeigenzweige in die Essfeigenbäume gehängt („Caprifikation“).

Drei Blüten pro Jahr

Beide Varietäten bringen jährlich drei Generationen von Blütenständen hervor: Februar/März, Mai/Juni, August/September.

Im Frühjahr schlüpfen die Gallwespen aus überwinternden Fruchtverbänden der Bocksfeige. Die begatteten Weibchen verlassen den Fruchtverband und suchen nun Bocks- oder Essfeigen der 1. Generation. Da die Gallwespen auf ihrem Weg keine männlichen Blüten passiert haben, werden weder Ess- noch Bocksfeigenblüten dieser Generation bestäubt und fruchten daher auch nicht. In die kurzgriffligen Blüten der Bocksfeigen jedoch legen sie die Eier. Bereits im Mai/Juni schlüpft die zweite Gallwespengeneration. Die Weibchen verlassen nach der Begattung den Blütenstand, beladen sich dabei aber mit dem Pollen der nun blühenden männlichen Blüten nahe dem Ostiolum. Diesen Pollen laden sie nun in den Blütenständen der zweiten Generation ab und befruchten so Bocks- wie Essfeigen.

Die Befruchtung der dritten Feigengeneration läuft gleich ab wie bei der zweiten. Die Früchte reifen erst im nächsten Frühjahr, und auch die neue Gallwespengeneration schlüpft erst im nächsten Frühjahr, um den Kreislauf von Neuem zu beginnen.[5]

Inzwischen gibt es jedoch auch Feigensorten, die nicht mehr auf Bestäubung angewiesen sind, sondern die Früchte ohne Bestäubung (parthenokarp) ausbilden. Dies ermöglicht es z. B. auch, dass in Mitteleuropa Einzelbäume fruchten können. Je nach den Voraussetzung für die Fruchtbildung unterscheidet man drei Gruppen von Feigensorten:

  1. Smyrna-Typ (smirniaca): Nur nach Befruchtung reifen die Feigen. Zu dieser Gruppe gehören die wichtigen Sorten ‚Sari Lob‘ (‚Smyrna‘, ‚Calimyrna‘), ‚Kassaba‘ und ‚Bardacik‘.
  2. Adriatischer Typ (hortensis): Die Früchte entwickeln sich parthenokarp, weshalb diese Sorten heute bevorzugt werden: ‚Dottato‘ und ‚Trojano‘ aus Italien, ‚Fraga‘ aus Spanien, ‚Adriatic‘ und ‚Mission‘ aus Kalifornien.
  3. Der San-Pedro-Typ (intermedia) nimmt eine Zwischenstellung ein, da die erste Fruchtgeneration ohne, die zweite jedoch nur mit Bestäubung Früchte bildet. Diese Sorten sind kommerziell wenig bedeutend.[6]

Früchte

Ungeschälte Feigen, kurz nach dem Pflücken
Reife Scheinfrucht. Längsschnitt

Nach der Bestäubung entwickelt sich der Blütenstand in drei bis fünf Monaten zur bekannten Feige, einen knapp birngroßen Fruchtstand, genauer einem Steinfruchtverband, da die weiblichen Blüten sich zu Steinfrüchten entwickeln, die beim Essen als kleine Kerne bemerkbar sind. Diese Form des Fruchtstandes nennt man Syconium. Die Form ist kugelig bis birnförmig. Je nach Sorte ist die Farbe grün bis dunkelviolett. Das Innere der Scheinfrucht besteht aus den Steinfrüchten und den ebenfalls fleischig gewordenen Fruchtstielen der Einzelblüten und ist rot gefärbt. Die Schalendicke variiert ebenfalls nach Sorte: Aus dem Hauptanbaugebiet Türkei sind die dortigen Feigen eher dünnschalig, in Griechenland eher dickschalig.

Neben 80 % Wasser enthalten die reifen Früchte ca. 1,3 % Protein, 0,5 % Fett, 12,9 % Kohlenhydrate, ca. 4,5 % Ballaststoffe und 0,7 % Mineralstoffe[7], besonders Kalzium, Phosphor und Eisen. Daneben ist sie auch reich an Vitamin B1.

Die Fruchtstände der Bocksfeige sind holzig und ungenießbar.

„Geschlechts“-Bestimmung bei der Feige

Ob sich ein Samen zu einer Ess- oder einer Bocksfeige entwickelt, dürfte durch zwei dominant-rezessive Genpaare bestimmt werden, die jedoch noch nicht näher erforscht sind. Man spricht auch von Geschlechtsbestimmung, da die Bocksfeige funktionell männlich ist, während die Essfeige als die weibliche Form angesehen wird. Essfeigen entstehen nur, wenn beide Gene homozygot in der rezessiven Form vorliegen, alle anderen Kombinationen ergeben Bocksfeigen. Da die Essfeigen wesentlich mehr Samen erzeugen, ist jedoch das Verhältnis Bocks-zu-Essfeigen circa 50:50.[8]

Verbreitung und Standort

Die Heimat und die Wildform der Echten Feige sind nicht bekannt. Die Heimat wird in Südwestasien (am Kaspischen Meer, Nordost-Türkei) vermutet, jedoch wird die Art seit der Antike im gesamten Mittelmeerraum kultiviert, wo sie auch vielfach verwildert ist. Genetische Untersuchungen mittels RFLP-Analyse der mitochondrialen DNA lassen jedoch vermuten, dass die Echte Feige im gesamten Mittelmeergebiet heimisch ist[9].

In wintermilden Regionen kann sie auch weitab ihrer Heimat gedeihen, so gibt es Exemplare etwa auf den dänischen Ostseeinseln und in Südengland.[10]

Nördlich der Alpen, beispielsweise in den Schweizer Gemeinden Sisikon, Weggis oder Gersau, können Feigenbäume in Gegenden mit Weinbauklima an gut geschützten Stellen, wie etwa an Hauswänden und in hellen Innenhöfen, gedeihen und fruchten. Neue Züchtungen sind auch frosthart bis unter minus 20 Grad Celsius. In Deutschland gedeiht die Echte Feige vor allem im Weinbaugebiet Pfalz an der Deutschen Weinstraße, auch im Dresdner Elbtal ist sie vertreten. In diesen Breiten bildet die Feige aber nur einmal, im Herbst, reife Scheinfrüchte.

Der Feigenbaum stellt geringe Ansprüche an den Boden, dieser sollte jedoch einigermaßen tiefgründig sein. Der Baum gedeiht auch in sehr niederschlagsarmen Gebieten, gegen Staunässe und übermäßige Feuchte besonders zur Fruchtreife ist er empfindlich. Er gilt als recht salzverträglich. Der Feigenbaum braucht warme Sommer und milde Winter. In laublosem Zustand ist er zwar in geringem Maße frostresistent, aber er ist sehr empfindlich gegen Früh- und Spätfröste.

Anbau und Nutzung

Erntemengen 2005 (in Tonnen)
Land Ernte
Türkei 280.000
Iran 90.000
Griechenland 80.700
Algerien 63.000
Marokko 60.000
Syrien 43.300
USA 43.000
Spanien 38.000
Brasilien 25.000
Quelle: FAO[11]

Anbau

Der Anbau von Feigen ist im Wesentlichen auf den Mittelmeerraum beschränkt und beträgt rund 1,5 Millionen Tonnen Frischfeigen pro Jahr. In geringerem Maße wird sie auch in Südafrika, Australien, Neuseeland, China, Chile, Mexiko und Kalifornien angebaut[12]

In Kultur wird die Echte Feige über Steckholz (aus zweijährigen Zweigen) oder über Stecklinge vermehrt, um die Sorten rein zu erhalten. Erstere Variante liefert jedoch rascher widerstandsfähige Pflanzen. Neuerdings wird auch Gewebekultur zur Vermehrung eingesetzt.

Die Bäume werden je nach Sorte, Boden und Niederschlag in Dichten von 80 bis 1.200 Bäumen je Hektar gepflanzt. In trockenen Gebieten (unter 600 Millimeter Jahresniederschlag) betragen die Abstände rund 15 Meter.

Die Höhe der Bäume wird zur Erleichterung der Bearbeitung meist deutlich unter den möglichen 10 Metern gehalten.

Der Feigenbaum benötigt nur geringe Düngung. Für die Qualität der Früchte ist ein hohes Stickstoffangebot eher schädlich. Auch die Pflege ist recht einfach und beschränkt sich in der Regel auf einen Rückschnitt vor dem Frühjahrsaustrieb und das Entspitzen der Fruchttriebe. Letzteres führt zu einer früheren und einheitlicheren Fruchtreife.

Ernte

Die Bäume können bereits im zweiten Jahr nach der Pflanzung Früchte tragen. Vollertrag tritt nach fünf bis acht Jahren ein und hält rund 50 Jahre an. Auf guten Standorten beträgt der Jahresertrag 15 bis 20 Tonnen Frischfrucht pro Jahr, das ergibt rund fünf bis sieben Tonnen Trockenfrucht.[13] Ein Einzelbaum liefert im Jahr 80 bis 100 Kilogramm frische Feigen.[14]

Feigen für den Frischeverzehr werden vor der Vollreife von Hand geerntet, damit sie für den Transport noch fest genug sind und auf dem Markt die optimale Reife haben. Da die frischen Feigen relativ rasch in Gärung übergehen, werden frische Feigen vor allem in den Anbauländern verzehrt.

Feigen für das Trocknen werden vollreif geerntet, wenn der Wassergehalt der Früchte am Baum bereits um 30 bis 50% gesunken ist. Sie werden von Hand geerntet, von den Bäumen geschlagen oder maschinell geerntet.

Verarbeitung, Verwendung

Die allermeisten Feigen werden getrocknet. Dies geschieht an der Sonne oder in Heißluftöfen. Der Wassergehalt wird dabei auf 18 bis 33% gesenkt, der Zuckeranteil steigt auf rund 60%. Die im Handel erhältlichen Rollen entstehen, indem man die getrockneten Feigen unter heißem Wasserdampf presst. Die Hauptverwendung der Feigen ist dementsprechend als Obst.

Aus dem Saft reifer Feigen wird auch ein Dessertwein hergestellt. In Spanien stellt man „Feigenkäse“ her, aus reifen Feigen, Hasel-, Zirbelnüssen, Mandeln, Pistazien und Gewürzen. Geröstete Feigen werden auch zu „Feigenkaffee“ verarbeitet.[15]

Im Handel werden die Feigen meist nicht unter den Sortennamen gehandelt, sondern nach der Herkunft benannt: Smyrna-Feigen (Türkei, besonders Mäander-Tal), Bari-Feigen (Provinz Puglia, Italien), Fraga-Feigen (Provinz Huelva, Spanien), Calamata-Feigen (Peloponnes, Griechenland), Bougie-Feigen (Algerien).

Holz

Im 13. und 14. Jahrhundert galt Feigenholz als hervorragend geeignet zur Herstellung von Holztafeln für die Malerei. [16]

Domestikation

Die Domestizierung der Feige setzte schon sehr früh ein und ist höchstwahrscheinlich sogar älter als der Ackerbau. In einem etwa 11.400 Jahre alten Haus bei Jericho wurden Überreste von bereits nicht mehr der Wildform entsprechenden Feigen gefunden.[17] Alle antiken Hochkulturen des mesopotamischen sowie des Mittelmeerraumes kannten und nutzten die Feige. Beispielsweise bauten die Assyrer sie schon 3000 v. Chr. in ihren Gärten an. In Griechenland wurde sie 700 v. Chr. eingeführt und verbreitete sich von dort aus im gesamten übrigen Mittelmeerraum.

Bedeutung, Literatur und Mythos

Griechenland

Im antiken Griechenland war die Feige mit aphrodisischen Eigenschaften besetzt. Sie war dem Gott Dionysos geheiligt. In Attika hatte er den Beinamen philosykos = der Feigenfreund, in Naxos nach der dortigen Bezeichnung für Feige meilichios. Bilder des Gottes wurden daher oft aus Feigenholz geschnitzt, auch die großen Phalli für die Dionysos-Prozessionen, worüber sich schon Heraklit entrüstete[18]. Der größte Phallus aller Zeiten soll der beim Ptolemaios-Fest in Alexandria 271 v.Chr. mit über 50 Metern Länge gewesen sein[19]. Auch in Sparta gab es Kulte um den Feigen-Dionysos, da man glaubte, er habe den Menschen die Feige gebracht.[20].

Die Athener waren auf ihre Feigen so stolz, dass sie die Ausfuhr verboten. Leute, die Verstöße gegen dieses Verbot anzeigten, nannte man Sykophanten[21], später wurde der Begriff für Denunzianten allgemein verwendet.

Auch im Zusammenhang mit Selbstmord kommt der Feigenbaum vor. Cicero[22] erwähnt, dass sich eine lebensmüde Frau an einem Feigenbaum erhängte, worauf der Nachbar den Witwer um Stecklinge bat. Über Timon von Athen ist folgendes überliefert: Eines Tages bestieg der bekannte Menschenfeind die Rednerbühne und verkündete, dass der Feigenbaum bei seinem Haus, an dem sich schon etliche Menschen erhängt hatten, gefällt werden müsse. Er bitte also alle Lebensmüden, sich mit ihrem Selbstmord zu beeilen.[23].

Rom

Auch bei den antiken Römern war der Feigenbaum überwiegend positiv besetzt. Aus dem Holz schnitzte man Figuren des Gottes Priapus, u. a. der Beschützer der Feigen. Wie auch in der Bibel und bei den Griechen hatte die Feige auch eine sexuelle Bedeutung. Isidor (XVII 7,17) leitet ficus ab von fecundus = fruchtbar ab. Athenaios (594 D) verglich eine Hetäre mit einer Feige, sie bediene alle.

Besondere Bedeutung für Rom hatte die Ficus Ruminalis, die noch unter Augustus am Westfuß des Palatin gezeigt wurde. Unter diesem Baum sollen der Sage nach die in einer Wanne im Hochwasser führenden Tiber ausgesetzten Zwillinge Romulus und Remus angeschwemmt und von der Wölfin gefunden und gesäugt worden sein.[24].

Auf dem Comitium am Forum Romanum gab es einen zweiten ruminalischen Feigenbaum, der das Schicksal Roms verkörperte. Er wurde jedes Mal von den Priestern neugepflanzt, wenn er abgestorben war.

Die Feige hatte aber auch negative Bedeutung: So wurden Ungeheuer auf Scheiterhaufen aus Feigenholz verbrannt.[25]

Nach Plinius[26] spielte die Feige auch einmal eine hochpolitische Rolle. Cato der Ältere propagierte den Krieg gegen das nach dem Zweiten Punischen Krieg wiedererstarkte Karthago. Um die gefährliche Nähe des Feindes zu demonstrieren, zog er während einer Rede eine taufrische Feige (ficus praecox) aus seiner Toga und erklärte, diese wäre vorgestern in Afrika gepflückt worden. Gemäß Plinius überzeugte dies die Senatoren und sie beschlossen den Dritten Punischen Krieg.

Der römische Koch Apicius soll seine Schweine mit syrischen Feigen gefüttert haben, um das Fleisch zur Vollendung zu bringen. In Rom waren Feigen bei allen Bevölkerungsschichten sehr beliebt. Plinius berichtet, in getrocknetem Zustand dienten sie den gleichen Zwecken wie Brot und vergleichbare Nahrungsmittel; nach Columella stellten Dörräpfel und -birnen, doch vor allem Feigen die wichtigsten Wintervorräte der Landbevölkerung dar.

Bibel und Christentum

Vertreibung aus dem Paradies
Adam und Eva, mit und ohne Feigenblatt, (Fresko T. Masaccio, 1426-27)

Die Feige ist die erste namentlich erwähnte Pflanze in der Bibel, und auch die einzige namentlich erwähnte des Paradieses. Nachdem Adam und Eva vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten, wurden sie sich ihrer Nacktheit bewusst: Sie hefteten Feigenblätter zusammen und machten sich einen Schurz (Genesis 3,7). Von daher stammt die Metapher „Feigenblatt“ für schamhafte Verhüllung. Der Baum der Erkenntnis wird zwar nicht namentlich erwähnt, unter anderen Pflanzen wird jedoch die Feige als Kandidat gehandelt. Die Feige ist auch der klassische Fruchtbaum der Bibel, wird sie doch 38 mal erwähnt gegenüber vier Erwähnungen des Apfels.[27] Im allgemeinen steht die Feige im Alten Testament jedoch für Frieden und Wohlstand.

Der unfruchtbare Feigenbaum, den Jesus in Jerusalem verflucht (Matthäus 21,19), ist das Symbol für das Volk Gottes, das den Glauben verweigert, und wurde häufig für das Judentum und für häretische Sekten verwendet.

Neben Holunder und Flieder, bei denen dies technisch schwer möglich ist, wird in der nachbiblischen Überlieferung seit dem 4. Jahrhundert besonders auch der Feigenbaum als der Baum genannt, an dem Judas sich erhängt hat. Der Pilger von Piacenza nannte 560 seinen Standort rechts vor dem Osttor Jerusalems, zu anderen Zeiten stand der Baum an anderen Orten.

Augustinus sprach die sinnliche Bedeutung der Feige aus: ficus foliis significantur pruritus libidinis - „Feigenblätter bedeuten das Jucken der Sinnlichkeit“.[28]

Islam

Auch der Koran nimmt auf die Feige Bezug, beispielsweise in der 95. Sure.

Mittelalter und Neuzeit

In Südeuropa weit verbreitet ist die Geste „jemandem die Feige zeigen“, bei der man den Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger schiebt. Die Geste wird auf Kaiser Friedrich Barbarossa zurückgeführt. Die Mailänder hatten seine Gattin Beatrix gedemütigt, indem sie sie mit dem Gesicht nach hinten auf einer Eselin durch die Stadt führten. Nach der Rückeroberung Mailands begnadigte Friedrich nur jene Leute, die mit ihren Zähnen eine Feige aus dem After einer Eselin holen und wieder zurückstecken konnten.[29] Die Geste dient nicht nur der Zurückweisung einer Zumutung, sondern auch der Abwehr aller möglichen Übel wie Behexen, Verschreien und dem bösen Blick.

Die Gleichsetzung der Feige mit der Vulva führte in manchen Sprachen so weit, dass das ursprüngliche Wort für Feige durch ein anderes ersetzt wurde. So wird die Feige in der Türkei häufig mit „Yemis“ = „ich bin satt“ bezeichnet.

Bei den alten Griechen wurde die Feige auch dem Hoden gleichgesetzt, wie auch bei den Berbern, bei denen im Gespräch für die Frucht meist das Wort „ingir“ = „Herbst“ verwendet wird.[30]


Quellen

Literatur

  • Alexander Demandt: Über allen Wipfeln. Der Baum in der Kulturgeschichte. Albatros, Düsseldorf 2005. ISBN 3-491-96140-8
  • Gunther Franke (Hrsg.): Nutzpflanzen der Tropen und Subtropen. Band 2: Spezieller Pflanzenbau. Ulmer, München 1994, S. 240-250. ISBN 3-8252-1768-X
  • Bruno P. Kremer: Bäume. Heimische und eingeführte Arten Europas. Mosaik Verlag, München 1984, S. 154f. ISBN 3-570-01188-7
  • Doris Laudert: Mythos Baum. Geschichte, Brauchtum. 40 Porträits. blv, München 2004, S. 217-223. ISBN 3-405-16640-3

Weblinks

Fußnoten

  1. Helmut Genaust: Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen. 3. Auflage, Birkhäuser, Basel 1996, S. 128. (Nachdruck ISBN 3-937872-16-7)
  2. Gunther Franke (Hrsg.): Nutzpflanzen der Tropen und Subtropen. Band 2: Spezieller Pflanzenbau. Ulmer, München 1994, S. 240-250. ISBN 3-8252-1768-X
  3. W. Frank: Nutzpflanzenkunde 1989, S.214f.
  4. Richard Dawkins: Gipfel des Unwahrscheinlichen. Rowohlt, Reinbek 2001, S. 329. ISBN 978-3499609329
  5. W. Frank: Nutzpflanzenkunde 1989, S.214f.
  6. Franke 1994, S. 244
  7. Werte nach W. Franke: Nutzpflanzenkunde. Thieme, Stuttgart 1989, S. 312. ISBN 3-13-530404-3
  8. Details und Literaturhinweise siehe: [1]
  9. [2]
  10. Bruno P. Kremer 1984, S. 154
  11. Statistik der FAO 2007 [3]
  12. Schütt et al.: Lexikon der Baum- und Straucharten. Nikol, Hamburg 2002, S. 172. ISBN 3-933203-53-8
  13. Franke 1995, S. 249.
  14. Laudert 2004, S. 222.
  15. W. Franke: Nutzpflanzenkunde, 1989, S. 316.
  16. Victoria Finlay: Das Geheimnis der Farben, Eine Kulturgeschichte, Berlin 2005, hier 7. Auflage 2007, ISBN 978-3-548-60496-1, Seiten 20
  17. http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/265996.html
  18. VS. 22 B 15
  19. Athenaios 201 E
  20. Athenaios 78 C
  21. Athenaios 74 DE
  22. Cicero, De oratore II 278
  23. Plutarch, Antonius 70
  24. Plutarch 4
  25. Laudert 2004, S. 220
  26. Plinius der Ältere: Historia naturalis XV 74f.
  27. Demandt 2002, S. 21.
  28. Augustinus, PL. 38, S. 442
  29. Laudert 2004, S. 221.
  30. Laudert 2004, S. 220.

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