Finlepsin

Finlepsin
Strukturformel
Strukturformel von Carbamazepin
Allgemeines
Freiname Carbamazepin
Andere Namen
  • 5H-Dibenz[b,f]azepin-5-carbamid (IUPAC)
  • Carbamazepinum (Latein)
Summenformel C15H12N2O
CAS-Nummer 298-46-4
PubChem 2554
ATC-Code

N03AF01

DrugBank DB00564
Kurzbeschreibung weißes bis fast weißes, kristallines und polymorphes Pulver [1]
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Antiepileptika

Wirkmechanismus

Blockade der Natriumkanäle

Fertigpräparate
  • Finlepsin®
  • Tegretal®
  • Tegretol®
  • Timonil®
  • Neurotop® retard
  • Carbamazepin-Generika
Verschreibungspflichtig: Ja
Eigenschaften
Molare Masse 236,27 g·mol−1
Schmelzpunkt

189–193 °C [1]

Löslichkeit

sehr schwer löslich in Wasser, leicht löslich in Dichlormethan, wenig löslich in Aceton und Ethanol 96 % [1]

Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung [2]

Xn
Gesundheits-
schädlich
R- und S-Sätze R: 22-42/43
S: 22-36/37/39
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
LD50

114 mg·kg−1 (Maus i.p.) [2]

WGK 2 (wassergefährdend) [2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Carbamazepin zählt chemisch zur Klasse der Dibenzazepine und ist ein Antiepileptikum, das vorwiegend gegen fokale Epilepsien eingesetzt wird. Darüber hinaus wird es auch als Phasenprophylaktikum bei verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen eingesetzt. Strukturchemisch ist es dem Imipramin sehr ähnlich.

Inhaltsverzeichnis

Pharmakologie

Pharmakokinetik

Carbamazepin wird relativ langsam resorbiert (2–8 Stunden) und hat eine Bioverfügbarkeit von circa 80 %. Das metabolische Folgeprodukt Carbamazepin-10,11-Epoxid weist ebenfalls antiepileptische Eigenschaften auf, wird jedoch auch als verantwortlich für die toxischen Effekte der Substanz angesehen. Die therapeutische Breite ist gering.

Carbamazepin wird in der Leber über das Cytochrom-P450-Enzymsystem (vor allem CYP3A4) verarbeitet, dessen Aktivität es auch induziert. Dies ist vor allem im Hinblick auf potentielle (Arzneimittel-)Wechselwirkungen relevant.

Pharmakodynamik (Wirkmechanismus)

Der Wirkmechanismus ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass Carbamazepin durch Blockade von Natriumkanälen in den Axonen der Nervenzellen wirkt.

Klinische Angaben

Mögliche Indikationen

Neben der Behandlung der genannten zerebraler Anfallsleiden ist eine weitere wichtige Indikation für Carbamazepin die Behandlung bei affektiven Störungen wie Manie. Indiziert ist es vor allem zur Akutbehandlung von Manien und schizomanischen Episoden sowie zur Phasenprophylaxe bipolarer und schizoaffektiver Störungen, wird allerdings zunehmend von moderneren Präparaten verdrängt. Darüber hinaus wird Carbamazepin zum Schutz vor Krampfanfällen im Benzodiazepin- und Alkoholentzug eingesetzt. Carbamazepin wird zudem in der Therapie der Trigeminusneuralgie verwendet.[3]

Anwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit

Carbamazepin verdoppelt die Rate großer Fehlbildungen von 2 % auf 4 % bis 5 %. Kombinationen mit anderen Antikonvulsiva können die Fehlbildungsrate weiter erhöhen. Es wird angeraten, bei Planung einer Schwangerschaft Carbamazepin möglichst nur für anderweitig nicht zu behandelnde Epilepsien, nicht aber zur Behandlung psychiatrischer Erkrankungen zu nutzen.[4]

Nebenwirkungen

Carbamazepin kann latente Psychosen aktivieren. Bei älteren Patienten kann Verwirrtheit und Agitation auftreten.[5]. Besonders bei rascher Aufdosierung treten Sedierung, Benommenheit, Schwindel (ähnlich der Seekrankheit), Doppelbilder, Nystagmus und Ataxie auf. Es können Depressionen, Appetitverlust, Unruhe, aggressives Verhalten, Übelkeit, Erbrechen, Sprachstörungen, abnorme ungewollte Bewegungen, allergische Hautreaktionen (Lyell-Syndrom), Transaminaseerhöhungen, Hyponatriämie sowie Leukopenien und andere Veränderungen des Blutbildes auftreten. Außerdem können kardiale Überleitungsstörungen verursacht werden. Sehr selten (Risiko 1:20.000), aber besonders zu beachten, ist das Auftreten einer Agranulozytose. Treten Blutbildveränderungen oder allergische Exantheme auf, muss die Substanz abgesetzt werden.


Eine weitere wichtige, in den Lehrbüchern der Pharmakologie oft unterschlagene Nebenwirkung ist die ausgeprägte anticholinerge Wirkung.

Wechselwirkungen

Durch die Aktivierung von Cytochrom-P450-Isoenzymen in der Leber beschleunigt Carbamazepin neben seinem eigenen auch den Abbau von anderen Medikamenten, etwa von der Antibabypille, von einigen Antidepressiva und von Neuroleptika, von Cyclosporin, von Astemizol, von Valproinsäure u.v.m. So können gleichzeitig verordnete Medikamente unter der Gabe von Carbamazepin ihre Wirkung verlieren, eine Überprüfung der Serumspiegel und eine Dosisanpassung ist also notwendig.

Besonderes Augenmerk ist auf Medikamente zu legen, welche dagegen die Verstoffwechselung von Carbamazepin hemmen (Anstieg des Serumspiegels, Vergiftungsgefahr).

Substanzen, welche die Plasmakonzentration von Carbamazepin erhöhen können sind:[6]

  • Grapefruit-Saft,
  • Fluoxetin,
  • Fluvoxamin,
  • möglicherweise Desipramin,
  • Isoniazid,
  • Verapamil,
  • Diltiazem,
  • Dextropropoxyphen,
  • Viloxazin,
  • möglicherweise Cimetidin,
  • Acetazolamid,
  • Danazol,
  • Nicotinamid (bei Erwachsenen und nur in hohen Dosen),
  • Nefazodon, Makrolid-Antibiotika (z. B. Erythromycin, Troleandromycin, Josamycin, Clarithromycin),
  • Azolderivate (z.B. Itraconazol, Ketoconazol, Fluconazol),
  • Terfenadin,
  • Loratadin,
  • Protease-Hemmer zur HIV-Behandlung

Substanzen, welche die Plasmakonzentration von Carbamazepin senken können sind dagegen:[6]

  • pflanzliche Präparate, die Johanniskraut (Hypericum perforatum) enthalten
  • Phenobarbital,
  • Primidone,
  • Progabide,
  • Theophyllin,
  • Mesuximid,
  • Rifampicin,
  • Cisplatin,
  • Doxorubicin
  • Clonazepam,
  • Valproinsäure oder Valpromid,
  • Oxcarbazepin

Auswirkungen auf die Fähigkeit, am Straßenverkehr teilzunehmen oder Maschinen zu bedienen

Die Fähigkeit des Patienten, schnell zu reagieren, kann durch Schwindelgefühle oder Schläfrigkeit beeinträchtigt werden, insbesondere zu Beginn der Therapie oder im Zusammenhang mit Dosisanpassungen.[7]

Dosierung

Carbamazepin sollte anfangs langsam in der Dosis gesteigert werden (einschleichend), da vor allem bei Therapiebeginn Nebenwirkungen auftreten. Der angestrebte Serumspiegel beträgt 6 bis 8 (12) μg/ml. Besonders geeignet sind dafür Retardformen. Im Verlauf der Therapie sind eine regelmäßige Dosisanpassung (Aktivierung des Leberstoffwechsels) sowie monatliche Kontrolluntersuchungen (Nebenwirkungen) nötig. Nach der Abschluss der Therapie muss die Dosis langsam ausschleichend abgesetzt werden.

Umweltwirkung

Bei den in Abwasser und Klärschlamm regelmäßig gefundenen Rückständen von Arzneimitteln handelt es sich nach Angaben der Bundesregierung neben Diclofenac vor allem um Carbamazepin. Die wenigen bisher vorliegenden Untersuchungen an Pflanzen hätten gezeigt, dass auch Pflanzen prinzipiell Arzneistoffe aus dem Boden aufnehmen können.

Literatur

  • Brunnhuber, S., Frauenknecht, S. & Lieb, K. (2005). Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie (S. 60f). Urban & Fischer: München. ISBN 3-437-42131-X

Einzelnachweise

  1. a b c Europäische Arzneibuch-Kommission (Hrsg.): EUROPÄISCHE PHARMAKOPÖE 6. AUSGABE. 6.0–6.2, 2008. 
  2. a b c Datenblatt für Carbamazepine powder – Sigma-Aldrich 8. Mai 2008
  3. Leitlinie Trigeminusneuralgie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie bei AWMF online (Stand 02/2005)
  4. Anke Rohde, Christof Schaefer: Schwangerschaft, Stillzeit und psychische Störungen Stand: 21.4.2008
  5. Fachinformation des Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: Neurotop® retard
  6. a b Fachinformation des Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: Carsol® CR; Stand der Informationen: Januar 2004
  7. Fachinformation des Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: Tegretol, Stand: September 2002

Weblinks

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