Flanieren

Flanieren

Der Flaneur (aus französisch: flaner = umherstreifen, umherschlendern) ist ein Mensch, der im Spazierengehen schaut, genießt und schweigt – er flaniert.

Inhaltsverzeichnis

Gegenstandsbestimmung

Der Flaneur bezeichnet eine literarische Figur, die durch Straßen und Passagen der Großstädte mit ihrer anonymen Menschenmasse streift (flaniert). Hier bietet sich ihm Stoff zur Reflexion und Erzählung. Der Flaneur lässt sich durch die Menge treiben, schwimmt mit dem Strom, hält nicht inne, grüßt andere Flaneure obenhin. Der Flaneur ist intellektuell und gewinnt seine Reflexionen aus kleinen Beobachtungen. Er lässt sich sehen, aber sieht auch, wenngleich mit leichter Gleichgültigkeit (von Georg Simmel in seinem Aufsatz Die Großstädte und das Geistesleben treffend als Blasiertheit identifiziert). Der Flaneur in all seiner Dandyhaftigkeit stellt ein wichtiges Thema der – vor allem weltstädtischen – individualisierten Kunst dar, auch der Lebenskunst.

Sein weibliches Äquivalent, die Passante (franz. für „Spaziergängerin“, vergl. Passant), tritt insbesondere in den Werken Marcel Prousts auf, der seine weiblichen Charaktere als schwer greifbare, vorbeiziehende (engl. passing) Figuren portraitierte, die seine obsessive und besitzergreifende Perspektive auf sie ignorierten (vgl. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit). Zunehmende Mobilisierung sowie starke gesellschaftliche Neuerungen (z. B. durch Industrialisierung) ermöglichten es der Passante, ein aktives Mitglied innerhalb der Großstadtmetropole des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu werden, deren soziale Rollen sich von der Domestiziertheit des Privaten auf die Öffentlichkeit ausweiteten, indem sie sich zunehmend selbstbestimmter von ihrem sexuellen wie identifikatorischen Marginalstatus befreien sollte.

Begründer

Sein früheres Ebenbild war der Wanderer, der die Natur durchstreifte, und an dem, was er dort beobachtete, seinen Gedanken und Gefühle artikulierte.

Mit Edgar Allan Poes Erzählung Der Mann in der Menge fand der Flaneur seinen Eingang in die Literatur.

Das Konzept des Flaneurs wurde von Walter Benjamin am Beispiel des Pariser Boulevard-Lebens eingeführt (die Begrifflichkeit in diesem Sinn nahm er von Charles Baudelaire), soziologisch von Georg Simmel vorbereitet (der Mensch „im Schnittpunkt sozialer Kreise“), von David Riesman am Beispiel von New York abgeändert (Faces in the Crowd) und von Jean Baudrillard aktualisiert und kommentiert.

Literatur

  • Franz Hessel: Ein Flaneur in Berlin. Berlin 1984 ISBN 3931109135 Neuausgabe von "Spazieren in Berlin" (1929)
  • Walter Benjamin: Das Passagenwerk Suhrkamp, 1983 ISBN 3-518-11200-7
  • Günter Eichberger: Aller Laster Anfang - Ansichten eines Flaneurs Residenz, 2003 ISBN 3-7017-1313-8.
  • Siegfried Kracauer: Straßen in Berlin und Anderswo. Arsenal Verlag
  • Edgar Allen Poe: Der Mann in der Menge.

Sekundärliteratur

  • Harald Neumeyer: Der Flaneur: Konzeptionen der Moderne. Königshausen & Neumann, Würzburg 1999, ISBN 3-8260-1468-5
  • Matthias Keidel: Die Wiederkehr der Flaneure. Königshausen & Neumann, Würzburg 2006, ISBN 3-8260-3193-8

Siehe auch

Weblink


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  • flanieren — flanieren …   Deutsch Wörterbuch

  • Flanieren — (franz.), in behaglicher Beschaulichkeit die Straßen durchschlendern; Flaneur (spr. nör). Pflastertreter, (eleganter) Bummler …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Flanieren — (frz.), müßig umherschlendern; Flaneur (spr. nöhr), Müßiggänger, Pflastertreter …   Kleines Konversations-Lexikon

  • flanieren — Vsw umherschlendern per. Wortschatz fremd. Erkennbar fremd (19. Jh.) mit Adaptionssuffix. Entlehnt aus frz. flâner, dieses vermutlich über unbezeugte Ableitungen zu l. follis Blasebalg usw. ( Windbeutel sich herumtreiben ).    Ebenso nndl.… …   Etymologisches Wörterbuch der deutschen sprache

  • flanieren — »müßig umherschlendern«: Das Verb wurde im 19. Jh. aus gleichbed. frz. flâner entlehnt, das auf aisl. flana »ziellos herumlaufen« – zur idg. Sippe von ↑ Feld – zurückgeht. Vermittelt wurde es wohl durch norm. Mundarten …   Das Herkunftswörterbuch

  • flanieren — spazieren; schlendern; umhertigern; spazieren gehen; bummeln; promenieren; lustwandeln; tingeln; wandeln; umherbummeln; stolzieren; schreiten …   Universal-Lexikon

  • flanieren — einen Spaziergang machen, herumflanieren, schlendern, spazieren [gehen], streifen, umherflanieren, umhergehen, umherschlendern, umherstreifen; (geh.): sich ergehen, promenieren, wandeln; (ugs.): bummeln, einen Bummel machen, herumgehen,… …   Das Wörterbuch der Synonyme

  • flanieren — fla·nie·ren; flanierte, hat / ist flaniert; [Vi] geschr; (ohne ein bestimmtes Ziel) durch die Straßen einer Stadt gehen ≈ schlendern, spazieren …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • flanieren — fla|nie|ren 〈V.〉 müßig umher , auf u. abschlendern, bummeln [Etym.: <frz. flâner] …   Lexikalische Deutsches Wörterbuch

  • flanieren — fla|nie|ren <aus gleichbed. fr. flâner, eigtl. »ziellos umherlaufen«> ohne ein bestimmtes Ziel spazieren gehen, umherschlendern …   Das große Fremdwörterbuch

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