Flüchten

Flüchten
Hl. Hieronymus mit dem Löwen im Kloster

Eine Flucht ist das ungeordnete, teilweise panische Zurückweichen vor einem Feind, Angreifer, Gefahr oder einer Katastrophe (z. B. Naturkatastrophe).

Statt einer (möglicherweise ziellosen) Bewegung weg von einer Bedrohung kann Flucht auch definiert sein als das Aufsuchen eines Zufluchtsortes, der Schutz und Sicherheit verspricht. Bei Burganlagen, die den Schutz der umliegenden Bevölkerung sicherstellen sollten, war der Bergfried ein besonders gesicherter Turm. In Anlehnung an diese letzte verfügbare Fluchtmöglichkeit wird der Vorgang des Flüchtens umgangssprachlich auch als "türmen" bezeichnet, was sich über das mittelalterliche Rotwelsch bis in unsere heutige Zeit erhalten hat.

Abzugrenzen ist die Flucht von der Vertreibung. Flüchtlinge verlassen ihre Heimat, um einer drohenden existenziellen Gefahr zu entgehen. Im Unterschied zu Vertriebenen werden sie nicht unmittelbar zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Festnahme durch Polizeivollzugsbeamte nach einer Flucht
  • Von einer Massenflucht spricht man, wenn eine Vielzahl von Menschen vor einer Bedrohung (Krieg, Katastrophen, Terroranschlag) flüchten. Diese Menschen nennt man Flüchtlinge (z. B. Flucht aus Ostpreußen).
  • Im Krieg kann es zu einer Flucht kommen, wenn der feindliche Angriff zu stark wird und der Gegner zu schnell vorrückt. Dann bricht unter den angegriffenen Soldaten leicht Panik aus und sie fliehen ungeordnet im Gegensatz zum vorgeschriebenen geordneten Rückzug.
  • Von Flucht spricht man auch im Falle von Menschen, die einen Zustand der Unfreiheit durch räumliche Entfernung oder Untertauchen zu beenden suchen, z. B. Sklaven, die sich einem Sklavenhalter entziehen.
  • Eine Flucht kann auch eine psychische Handlung darstellen, bei dem ein Mensch etwas tut, um von einem Problem Abstand zu nehmen (z. B. Flucht in die Isolation).
  • Ein Nachteil ist die Verfolgung von flüchtigen Personen im Straf- und Bußgeldverfahren (meistens durch Amtsträger).
  • Bei Tieren spricht man von Fluchtverhalten. Tierarten, deren Verteidigungsstrategien hauptsächlich oder ausnahmslos aus diesem Fluchtverhalten bestehen (z. B. Pferde, Rotwild), werden als Fluchttiere bezeichnet.
  • Eine instinktive Massenflucht unter Tieren ist die Stampede.
  • Fluchtwege und -treppen dienen als Rettungswege in Bauten.
  • Ebenso spricht man von Flucht in der zeichnerischen Perspektive. Hier ist eine gedachte oder tatsächliche Linie gemeint, auf der alle parallelen räumlichen Ebenen die zu ihnen senkrechte räumliche Ebene schneiden. Als Fluchtpunkt bezeichnet man den Punkt auf der Projektionsebene, auf den alle Bildparallelen fluchten, bzw. in dem sich alle Bildparallelen schneiden. In der Architektur wird die Ausrichtung von Häusern an einer gemeinsamen Baulinie, die im Stadtbild diesen perspektivischen Eindruck betont, als Straßenflucht oder Häuserflucht bezeichnet.

Rechtsstatus

Ebenso wie beim Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt sich auch auf die Flucht ein besonderes Verweigerungsrecht: es kann von einem Gefangenen nicht erwartet werden, dass er sich durch Gefallenlassen einer Festnahme selber schadet. Daher ist das Ausbrechen aus Gefängnissen entgegen der Darstellung in Filmen und Medien erlaubt. Zur Bestrafung einer Flucht kommt es nur, wenn dabei weitere Straftaten begangen werden (z. B. Sachbeschädigung). So ist, nach erfolgreicher Übergabe der Personalien an die Polizei auch die Flucht vom Unfallort straffrei – wenn diese dann noch Sinn ergibt.

Hat ein Schuldner die Flucht ergriffen, um sich seinen Verbindlichkeiten zu entziehen, so stellt dieses Verhalten nach schweizerischem Schuldbetreibungs- und Konkursrecht einen materiellen Konkursgrund dar, wenn die Flucht ins Ausland führt.[1] Dasselbe Verhalten bildet zudem einen Arrestgrund.[2]

Literatur

  • Gerda Heck: ›Illegale Einwanderung‹. Eine umkämpfte Konstruktion in Deutschland und den USA. Edition DISS, Band 17, Münster 2008, ISBN 978-3-89771-746-6 (Interview heiseonline, 10. November 2008)
  • Claus-Dieter Krohn, Patrik von zur Mühlen, Gerhard Paul, Lutz Winckler (Hrsg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933–1945. WBG, Darmstadt 1998 und Primus, ebd. 1998, ISBN 3-8967-8086-7
  • jour fixe initiative berlin (Hrsg.): Fluchtlinien des Exils, Münster 2004, ISBN 3-897-71431-0
  • Klaus J. Bade: Deutsche im Ausland – Fremde in Deutschland, Migration in Geschichte und Gegenwart. Beck, München 1992, ISBN 3-406-35961-2
  • Dietmar Schultke: Keiner kommt durch – Die Geschichte der innerdeutschen Grenze und Berliner Mauer, Berlin 2008, ISBN 978-3-7466-8157-3
  • Sandra Wiesinger-Stock, Erika Weinzierl, Konstantin Kaiser (Hrsg.): Vom Weggehen. Zum Exil von Kunst und Wissenschaft Reihe Exilforschung heute, Bd. 1, Wien 2006, ISBN 3-8547-6182-1
  • Thomas Waitz: Auswandern. Heimat, Fremde, Fernsehen. In: Claudia Böttcher/Judith Kretzschmar/Markus Schubert (Hrsg.): Heimat und Fremde. Selbst-, Fremd- und Leitbilder in Film und Fernsehen. München 2008 (PDF; 412 kB).

Quellen

  1. Art. 190 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG; Hunziker/Pellascio, S. 205
  2. Art. 271 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG; Hunziker/Pellascio, S. 289

Weblinks


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