- Formatkrieg (Videorecorder)
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Als Formatkrieg oder „Video-Krieg“ wird der Wettbewerb konkurrierender Videokassettensysteme der späten 1970er und frühen 1980er Jahre bezeichnet. Zu einem Zeitpunkt, als sich Heim-Videorekorder gerade zu einem industriellen Massenprodukt entwickelt hatten, existierten mehrere untereinander inkompatible Systeme, von denen sich dann etwa 1984 das VHS-Format weltweit durchsetzte.
Inhaltsverzeichnis
Ursachen
Die konkurrierenden Videoformate sind dabei das europäische VCR von Philips und Grundig, die japanischen Formate VHS und Betamax sowie (ab 1979) Video 2000, von Philips und Grundig als VCR-Nachfolgersystem vorgestellt. In den Jahren 1976 und 1977 wurden durch die japanischen Hersteller Matsushita (Markenname: JVC) und Sony verschiedene konkurrierende Videosysteme eingeführt. Diese Systeme waren zueinander nicht kompatibel. Die beiden Konzerne verfolgten bei der Einführung unterschiedliche Marketingkonzepte.
Marketing von JVC
Alle Firmen weltweit, die unter ihrem eigenen Namen JVC-kompatible Videokassettenrekorder vertreiben wollten und weder Patente auf, noch Produktionskapazitäten für Videorekorder besaßen, legten mit Lieferant JVC lediglich ihr Firmen-Layout und eventuelle Besonderheiten fest. Dann wurden vorerst alle Geräte, unabhängig vom Lizenznehmer, bei JVC in Japan produziert. Das System von JVC hieß VHS und startete in Europa 1977.
Marketing von Sony
Die Firma Sony bestand bei ihren Partnern darauf, dass diese eigene Produktionsstätten im jeweiligem Vertriebsland aufbauten, was naturgemäß lange Produktions-Anlaufzeiten schaffte. Danach lizenzierte man ihnen das Sony-Videosystem zum Nachbau. Dieses System Betamax wurde 1976 in Europa eingeführt.
Situation in Westeuropa
Philips gemeinsam mit Grundig waren die eigentlichen Pioniere der Heimvideosysteme gewesen. Ihr 1971 eingeführtes erstes Kassettensystem VCR bot eine Laufzeit von zunächst maximal 65 Minuten als Antwort auf das japanische (semiprofessionelle) Videoformat U-matic, das 1968 eine ähnliche Laufzeit pro Kassette zur Verfügung gestellt hatte.
Im Heimvideobereich spielt eine lange Laufzeit eine bedeutendere Rolle als im Schul- oder TV-Bereich. Immerhin will man Spielfilme oder lange Unterhaltungssendungen am Stück speichern können. Man setzte deshalb 1977 bei VCR die Bandgeschwindigkeit herab und erreichte so eine Laufzeit von zwei Stunden pro Kassette. Da der Konkurrent JVC aber im selben Jahr eine Videocassette mit einer Laufzeit von vier Stunden ankündigte, entwickelte Grundig im Alleingang ohne Philips aus einer Panikstimmung heraus das System erneut weiter und schuf 1978 ein drittes, mit den vorausgegangenen VCR-Verfahren inkompatibles Videosystem (SVC). Es lief bis zu fünf Stunden. Gleichzeitig begann die Massenproduktion. Grundig errichtete in Nürnberg eigens ein Videorekorderwerk für dieses neue Super-Longplay-VCR-Gerät (SVC). Philips erreichte unter Verwendung eines dünneren Bandmaterials (mit der Systemvariante von 1977) zeitgleich die Drei-Stunden-Marke. Die Grundig-Kassetten waren nun nicht mehr auf Philips-Geräten abspielbar. Und Käufer der Grundig-Geräte mit der mittellangen Laufzeit von 1977 konnten ihre Kassetten zwar auf den neuesten Geräten von Philips, allerdings nicht mehr auf den aktuellen Grundig-Rekordern mit der ganz langen Laufzeit abspielen. Die Kunden wandten sich von Grundig und Philips ab und kauften stattdessen die vorgenannten Produkte von JVC und Sony. Anstatt sich mit Grundig nun auf eine der drei Varianten zu einigen, bot man bei Philips und Grundig ab 1979 überraschend ein viertes, mit den bisherigen drei Systemvarianten erneut inkompatibles Format an, ein konzeptionell anderes, neues System. Es nannte sich Video 2000. Die Kunden blieben verunsichert.
Akzeptanzprobleme von Video 2000
Die Folgen zeigten sich wenig später. Die überstürzte Markteinführung sowohl der Superlongplay-Version des VCR als kurz darauf des Video 2000 führte bei Grundig zu unausgereiften, unzuverlässig arbeitenden Geräten. Bei Philips gestaltete sich die Situation nur unwesentlich besser. Die Spieldauer des neues Systems währte bis zu acht Stunden – nach vier Stunden wurde die Kassette umgedreht und konnte weitere vier Stunden bespielt werden.
1981 war das VCR-System (abgesehen von einigen professionellen Geräten für Spezialanwendungen) vom Markt genommen, und es konkurrierten hauptsächlich VHS, Video 2000 und Betamax.
Ein wichtiger Punkt in dieser Zeit ist die Verfügbarkeit von Miet- und Kaufkassetten. Videotheken richteten ihr Angebot auf das am meisten verbreitete System aus. Zu dieser Zeit war es bereits das VHS-Format. Und wie üblich bei neuen Medien war auch hier die Sex- und Pornofilmindustrie vorrangig vertreten. Philips erlaubte keinen Vertrieb von Sex-Filmen im VCR- oder Video-2000-Format.
Durch Homevideo, 1971 von Europa in Form des VCR-Geräts von Grundig und Philips ausgegangen, kam im Jahr 1977 mit je zwei japanischen und zwei europäischen Systemen bei einem Preis der Geräte von mindestens DM 2200,- Unsicherheit auf. Erst im Jahr 1982 konkurrierten beinahe nur noch VHS, Betamax und Video 2000. Grundig brachte, dem Trend der Zeit angepasst, erste VHS-Rekorder auf den Markt. Der Marktanteil von VHS wuchs stetig.
1987 hatte sich VHS mit einem Marktanteil von 93% durchgesetzt. Video 2000 kam noch auf 4%, Betamax war auf 3% gesunken.
Die Situation im Jahr 1989: Der Stopp der Video-2000-Geräte-Produktion liegt bereits vier Jahre zurück. Sony bietet noch Betamax-Geräte an, einen echten Käuferkreis im Privatbereich gibt es nicht mehr. Die fabrikneuen Geräte waren wohl mehr für die großen Archive gedacht oder für außereuropäische Länder, in denen Betamax eine größere Bedeutung hatte erlangen können als in (West-) Europa. Selbst Grundig und Philips verkauften (abgesehen von einzelnen VCR-Geräten im semiprofessionellen Bereich) ausschließlich VHS-Videorekorder.
Marktsituation 1980
Marktanteile
- VHS-Rekorder: 53 Prozent
- Beta-Rekorder: 23 Prozent
- Video 2000: 16 Prozent
- VCR-Rekorder, SVC: 8 Prozent
Preise
1980 kostete eine E240-VHS-Kassette umgerechnet etwa €27 bis €35, eine L195-Betamax-Kassette ca. €24 bis €27, eine VCR-VC60-Kassette (65min/ 120min/ 240min, je nach Systemvariante) rund €30 bis €38 und eine Video-2000-Kassette €31 bis €40 .
Abgesehen davon waren Kassetten mit den genannten Spielzeiten nicht die gängigen Größen: Leicht verfügbar waren bei VHS die Länge E180 (180min), bei Betamax L500 (120min), bei VCR die VC30, die bei anderen Anbietern auch SVC-2 hieß (30/60/120min) und die VCC 360 für das System Video 2000 mit zweimaligen 180min.
Bei den Videorekordern hielten sich fast alle Verkäufer bis 1980 an die von den Herstellern empfohlenen Verkaufspreise. Diese lagen selten unter €1.500,-, meist eher weit darüber.
Beispiel aus dem Quelle-Winterkatalog 1978/79
- Philips VCR Video-Kassetten-Rekorder N 1700 Long Play mit einer VC 30: DM 2.898,-
- VC 30 (30 bzw. 65 Minuten): DM 55,-
- VC 60 (60 bzw. 130 Minuten): DM 75,-
- VC 70 (70 bzw. 150 Minuten): DM 85,-
- Akai VHS Video-Kassetten-Rekorder VS-9300: DM 2.989,-
- E-60: DM 39,-
- E-120: DM 55,-
- E-180: DM 65,-
Homevideo heute
VHS ist weltweit das führende analoge Videosystem. Selbst 2008 gibt es dafür noch neue Videokassetten und Geräte. Im Gegensatz zu VCR und Video 2000 kann man heute (2008) auch Betamax-Kassetten zumindest noch auf Sonderbestellung erhalten.
Die Einführung der DVD als Wiedergabe- und seit dem Jahr 2000 zunehmend auch als Aufnahmemedium für Privatanwender drängt bandbasierte Videogeräte zunehmend zurück. Da aber noch viele Nutzer ihre analogen Aufnahmen weiternutzen möchten, gibt es nach wie vor VHS-Rekorder zu kaufen. Manche dieser Geräte vereinen auch die verschiedenen Aufnahmetechniken und bieten somit eine unkomplizierte Möglichkeit, von einem Format in ein anderes zu kopieren.
Weblinks
Literatur im Internet zu diesem Themenkomplex: http://www.mediaculture-online.de/fileadmin/bibliothek/hoffmann_video/hoffmann_video.html
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