- Fragment (Literatur)
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Bei einem Fragment in der Literatur handelt es sich entweder um ein unvollständig überliefertes oder auch unvollendetes literarisches Werk, oder um eine vom Künstler bewusst gewählte literarische Gattung.
Insbesondere literarische Werke des Altertums und des Mittelalters (vgl. Pergamentmakulatur) sind oft nur bruchstückhaft überliefert – im Falle der antiken Literatur oft in Form von Zitaten (entweder von Stellen des Werkes oder einfach nur Nennung des Titels) bei späteren, erhaltenen Autoren. So kennen wir viele Aussagen älterer Philosophen nur deshalb, weil der spätantike Neuplatoniker Simplikios sie in seinem Werk zitierte. Gründe hierfür können aktiv zerstörte oder in bestimmten Epochen missachtete und daher nicht erneut kopierte Manuskripte sein. Die Texte können aber auch aus zeitimmanenten Gründen von vornherein unvollständig geblieben sein, wie z. B. das Geschichtswerk des Thukydides, das mitten im Satz abbricht und teilweise offenkundig eine Rohversion darstellt, Gottfried von Straßburgs Tristan oder – wenn wir dem Prolog Glauben schenken dürfen – beinahe der Eneasroman Heinrichs von Veldeke.
In der kulturellen Epoche der Frühromantik wurde das Fragment zur literarischen Gattung entwickelt. Dies geschah vornehmlich in der von den Brüdern August Wilhelm und Friedrich Schlegel gegründeten Zeitschrift Athenäum. Das berühmteste dieser Fragmente ist das AF (Athenäumsfragment) 116 über die romantische Universalpoesie. Die Theorie geht bis in die Romantheorie hinein. Ein guter Roman muss – laut Schlegel – Fragment bleiben. Beispiele hierfür sind die romantischen Romane Heinrich von Ofterdingen von Novalis und Ludwig Tiecks Franz Sternbalds Wanderungen. Der romantische Roman Lucinde von Schlegel selbst gilt manchen Interpreten ebenfalls als unvollendet.
Literarische Fragmente der Moderne sind zum Beispiel Georg Büchners Stück Woyzeck, oder Bertolt Brechts Romanfragment Die Geschäfte des Herrn Julius Caesar.
Siehe auch
Kategorie:- Literarischer Begriff
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