Francois Bon

Francois Bon
François Bon (2007)

François Bon (* 1953 in Luçon, Frankreich) ist ein französischer Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Aktivitäten

Seine Kindheit und Jugend verbrachte er zunächst in Saint-Michel-en-l'Herm (Vendée), dann in Civray (Vienne). Als Sohn eines Mechanikers und einer Grundschullehrerin interessierte sich François Bon schon früh für Bücher.

Er begann zunächst ein Studium in Maschinenbau, spezialisierte sich dann als Schweißer und arbeitete anschließend von 1976 bis 1980 im Bereich der Luft- und Raumfahrt sowie der Atomindustrie in Frankreich und im Ausland (Aufenthalte u.a. in Moskau, Prag, Bombay, Göteborg, Indien).

Der erste Roman und die Zeit bei Minuit

Im Jahre 1982 publizierte er dann seinen ersten Roman mit dem Titel Sortie d’usine bei den Éditions de Minuit. Darin ist die Welt der Fabrik und ihre Zeitstruktur präsent. Nach dieser ersten Publikation widmete er sich und sein Leben immer mehr der Literatur und ist heute Besitzer mehrerer Literaturpreise. Er verweigerte sich jedoch dem literarischen Establishment in Paris. Er lebte und schrieb in Vendée, dann in der Villa Medici (der französischen Villa Massimo) in Rom. In den 1980er Jahren publizierte er mehrere Romane, in denen die Lebenswelt sozial marginalisierter Menschen thematisiert wird und die sich durch eine mehrstimmige (polyphonie) Erzählweise auszeichnen: Limite (1985), Décor ciment (1986) und Le crime de Buzon (1988).

Zu der mehrstimmigen Erzählweise sagte Bon in einem Interview einmal: ,,Bei meinem ersten Buch war alles einfach, da fand ich schließlich in dreieinhalb Nächten die Form, den Zugang, alles, was sich in vier, fünf Jahren der Suche verweigert hatte. Ich könnte sagen, nachdem ich dieses Buch vollendet hatte, entstand für mich der Eindruck, dass nun eine Arbeit im eigentlichen Sinn begänne, wo es nicht mehr von ganz allein ginge, sondern wo ich, um diese Art Wunder nochmals zu schaffen, warten und eine gewollte Hartnäckigkeit an die Stelle setzen müßte. Und das war für mich nur durch diese Polyphonie der Stimmen möglich. "

François Bon verbrachte 1987-1988 ein Jahr in West-Berlin als Stipendiat des DAAD (Berliner Künstlerprogramm). Er bewohnte dort das gleiche Haus wie der finnische Komponist Arvo Pärt. Die Berliner Zeit ist in den Roman Calvaire des chiens mit eingeflossen.

Der Wechsel von Minuit zu Verdier

Anfang der 1990er Jahre verlässt François Bon die Pariser Editions de Minuit, die insbesondere mit dem nouveau roman verbunden sind und beginnt bei einem Verlag zu publizieren, der 1979 gegründet wurde und seinen Sitz in dem Provinzort Lagrasse hat: Verdier. Dieser Wechsel impliziert auch eine andere Art des Schreibens: Bon bezeichnet seine Texte nun nicht mehr als Romane, sondern als Erzählungen (frz.: récit) oder er lässt die Gattungsbezeichnung offen. Die fragmentarische Erzählweise bleibt bestehen, ist aber nicht mehr an eine Vielzahl von Erzählerstimmen gebunden. In diese Zeit fällt insbesondere die Veröffentlichung einer Sammlung von Erinnerungstexten (Temps machine, 1993), eines Textes über das Verhältnis von Sehen und Schreiben (Paysage fer, 1999) und eines Textes, der sich nach dem Tod des Vater Bons mit der Familiengeschichte auseinandersetzt (Mécanique, 2001).

Literatur und die anderen Künste

Seit Ende der 1990er Jahre wendet sich François Bon einerseits verstärkt dem Theater zu, mit Texten wie Parking (1997), Impatience (1998) oder Quatre avec le mort (2001). Ein dauerndes Interesse an den anderen Künsten manifestiert sich andererseits auch zunehmend in den Publikationen Bons. Dehors est la ville (1998) thematisiert die Malerei: Hier begleitet und kommentiert der Text die Bilder des New Yorker Künstlers Edward Hopper. Es geht dabei um die Stadt und das städtische Leben. Eine zentrale Rolle in Dehors est la ville spielt das Thema Einsamkeit. Auf den von François Bon ausgewählten Bildern von Edward Hopper sind meistens ein oder zwei Menschen zu sehen, die in Gedanken versunken und psychologisch entrückt scheinen. Bon war wahrscheinlich von Hoppers Bildern fasziniert, woraufhin er Dehors est la ville verfasst hat. Auf seiner Seite Le tiers livre hat auch eine Hommage an Edward Hopper ihren Platz, dem er besondere Anregung für sein Werk verdankt.[1] Das Schreiben an Paysage fer (2000) ist von einer Reflexion über Fotografie und Kino geprägt: Das Buch wird von einem Fotoprojekt begleitet, außerdem entsteht später ein Film zu dem Buch.[2]

Aktivitäten rund um Literatur und Internet

Im Jahre 1997 entstand auf Initiative von François Bon einer der ersten Websites, die sich mit moderner und zeitgenössischer Literatur beschäftigen, remue.net. Diese Website wird seit dem Jahr 2000 von einem Autorenkollektiv weitergeführt und hat sich zu einem zunehmend umfangreichen und eigenständigen Projekt entwickelt, das als eine der wichtigsten Anlaufstellen im Internet gelten darf, wenn es um zeitgenössische französische Literatur geht. Parallel dazu entstand dann eine stärker persönliche Website, Le tiers livre, die über François Bons Leben, Werk und sonstigen Aktivitäten informiert, insbesondere mit Bilddossiers zu einigen seiner Werke. François Bons Interesse für die Beziehungen von Literatur und Internet zeigt sich auch in seinem neuesten Online-Projekt, publie.net, das zur elektronischen Publikation zeitgenössischer literarischer Texte dient.

Weitere Aktivitäten und neuere Entwicklungen

Parallel zu seiner Tätigkeit als Schriftsteller ist François Bon seit 1991 im Bereich der „ateliers d’écriture“ (Schreibwerkstätten) aktiv. Unter anderem möchte er damit Menschen mit schwachem sozialen Umfeld helfen, sich mit Hilfe der Literatur Gehör und Ausdruck zu verschaffen. Er hat außerdem ein Handbuch für die Durchführung solcher Schreibwerkstätten verfasst.

Neben seinen zahlreichen Romanen und Erzählungen ist François Bon zudem Autor zahlreicher Theaterstücke und Radio- und Fernsehsendungen. Zu seinen Theaterstücken zählen Quatre avec le mort (Comédie francaise) 2002 und Daewoo 2004 (Avignon). Diese Theaterstücke wurden u.a. ins Deutsche, Dänische, Chinesische, Niederländische, Englische, Koreanische und Japanische übersetzt.

2005 und 2006 wurde Bon von der École nationale supérieure des Beaux-Arts in Paris im Rahmen der Kurse zur Literatur eingeladen.

Seit 2007 gibt er gemeinsam mit Bernard Comment bei dem Verlag Le Seuil eine Buchreihe namens "Déplacements" heraus, die auf experimentelle zeitgenössische Literatur spezialisiert ist.

Im Jahr 2002 erschien Bons Biographie der Rolling Stones, die eng mit seiner eigenen Jugend verknüpft ist und in der persönliche Erinnerungen an die sechziger Jahre reflektiert werden. Im August 2007 veröffentlichte er eine weitere Musikerbiographie, die im Februar 2007 erstmals durch den Radiosender France Culture vorgestellt wurde. Es handelt sich um eine Biographie Bob Dylans.

Unter dem Titel François Bon – Éclats de réalité fand im März 2007 in Saint-Étienne das erste wissenschaftliche Kolloquium zum Werk François Bons statt. Auch François Bon selbst war anwesend und sprach u.a. in einer Podiumsdiskussion über seine Arbeit.[3] Im März 2008 erschien die erste Monographie über François Bon, in der Dominique Viart einen Überblick über Bons literarische Arbeit gibt (siehe Abschnitt 'Literatur').

Werke

  • Sortie d’usine, roman, Paris: Minuit, 1982 ISBN 2-7073-0630-4. Dt.: Feierabend, Roman. Berlin: Aufbau, 1987.
  • Limite, roman. Paris: Minuit, 1985 (ISBN 2-7073-1039-5). - Dt.: Limit, übersetzt von Christiane Baumann und Gisela Lerch, Zürich: Lcuhterhand, 1986.
  • Décor ciment, roman. Paris: Minuit, 1986 (ISBN 2-7073-1179-0)
  • Le Crime de Buzon, roman. Paris: Minuit, 1988.
  • Un fait divers, roman. Paris: Minuit, 1994 ISBN 2-7073-1471-4
  • La Folie Rabelais, essai. Paris: Minuit, 1990. (ISBN 2-7073-1350-5)
  • Calvaire des chiens, roman. Paris: Minuit, 1990. ISBN 2-7073-1351-3
  • L'Enterrement, récit. Lagrasse: Verdier, 1991. - Dt.: Das Begräbnis, übersetzt von Holger Fock, Bremen: Manholt, 1993. ISBN 3-924903-48-4
  • Temps machine, récit. Lagrasse: Verdier, 1992.
  • Dans la ville invisible, roman. Paris: Gallimard Jeunesse, 1993.
  • C'était toute une vie, récit. Lagrasse: Verdier, 1995
  • Parking. Paris: Minuit, 1996. (ISBN 2-7073-1552-4)
  • 30, rue de la Poste, roman. Paris: Seuil Jeunesse, 1996.
  • Impatience. Paris: Minuit, 1998 ISBN 2-7073-1625-3
  • Autoroute, roman. Paris: Seuil Jeunesse, 1998.
  • Dehors est la ville: Edward Hopper. Charenton: Flohic, 1998 (ISBN 2-84234-048-5).
  • Tous les mots sont adultes, méthode pour l'atelier d'écriture. Paris: Fayard, 2000. Édition revue et augmentée, Paris:Fayardm, 2005.
  • Paysage fer, récit. Lagrasse: Verdier, 2000.
  • Pour Koltès, essai. Solitaires Intempestifs, 2000.
  • Mécanique, récit. Lagrasse: Verdier, 2001.
  • Quatre avec le mort, théâtre. Lagrasse: Verdier, 2002.
  • Rolling Stones, une biographie. Paris: Fayard, 2002. Réédition, Paris: Le Livre de Poche, 2004.
  • Quoi faire de son chien mort, théâtre. Solitaire intempestifs, 2004.
  • Daewoo, roman. Paris: Fayard, 2004.
  • Billancourt, sur des photos d'Antoine Stéphani. Cercle d'art, 2004.
  • Petit Palais, sur des photos d'Antoine Stéphani. Cercle d'art, 2005.
  • Tumulte, roman. Paris: Fayard, 2006.
  • Bob Dylan, une biographie. Paris: Albin Michel, 2007.

Auszeichnungen

  • 1984-1985 Stipendium der Académie de France à Rome (Aufenthalt in der Villa Médicis, Rom)
  • 1987-1988 Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (Berliner Künstlerprogramm)
  • 1991 Förderung durch die Robert-Bosch-Stiftung, Stuttgart
  • 1992 Prix Paul Vaillant-Couturier (für L'enterrement)
  • 1992 Buchpreis der Region Poitou-Charentes (für L'enterrement)
  • 2000 Prix France Culture / revue Urbanisme « La ville à lire » (für Paysage fer)
  • 2002 Prix Louis Guilloux (für Mécanique)
  • 2002 Prix d'automne de la Société des gens de Lettres (für Rolling Stones, une biographie)
  • 2004 Prix Wepler (für Daewoo)

Literatur

  • Wolfgang Asholt. "Trauerarbeit der Moderne: François Bon". In: Der französische Roman der achtziger Jahre. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1994, S. 138-151.
  • Pierre Bergounioux. "François Bon et le monde présent". In: La Cécité d'Homère. Cinq leçons de poétique. Strasbourg: Circé, 1995, S. 95-116.
  • Dossier über François Bon, in: Scherzo, Revue de littérature 7, 1999, S. 3-52. (Enthält ein Interview mit François Bon sowie Beiträge von Pierre Bergounioux, Valéry Hugotte und Dominique Viart.)
  • Dossier über François Bon, in: L'Animal, 16, 2004. (Enthält ein Interview mit François Bon sowie Beiträge von Jean-Paul Goux, Bernard Noël u.a.)
  • Klaus Semsch. Diskrete Helden: Strategien der Weltbegegnung in der romanischen Erzählliteratur ab 1980. München: Meidenbauer, 2006. (Über die Erzähltechnik unter anderem bei François Bon.) ISBN 3-89975-062-4
  • Dominique Viart. François Bon. Étude de l'œuvre. Paris: Bordas, coll. Ecrivains au présent, 2008, 192 Seiten. EAN 978-2-04-732221-5 (Erste Monographie zum Gesamtwerk.)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. "Hommage à Edward Hopper : objets cylindriques sur toits à géométrie droite", in: Le tiers livre, [1]
  2. Das Fotoprojekt mit 32 Fotografien von Jérôme Schlomoff erscheint unter dem Titel 15021 (Nizza: L'Amourier, 2000). Der Film Paysage fer von François Bon und Fabrice Cazeneuve wird 2003 erstmals ausgestrahlt (52 Minuten, ARTE und Imagine, F 2003). Weitere Informatione auf Le tiers livre.
  3. Das Kolloquium wurde von Jean-Bernard Vray (Universität Saint-Étienne) und Dominique Viart (Universität Lille) organisiert. Das Programm des Kolloquiums ist auf www.fabula.org (Zugriff 5.12.2007) einsehbar. Die Akten des Kolloquiums sollen 2008 erscheinen.

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