- Franz-Josefsland
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Franz-Joseph-Land (russisch Земля Франца-Иосифа/ Semlja Franza Iossifa) ist eine Inselgruppe im Nordpolarmeer nördlich der großen Doppelinsel Nowaja Semlja und gehört zur Oblast Archangelsk in Russland.
Das Kap Fligely bei 81° 51' n. Br. auf der Rudolf-Insel (Ostrow Rudolfa) ist der nördlichste Landpunkt Eurasiens. In einigen geographischen Abhandlungen sowie (u.a. englischsprachigen) Beiträgen wird Franz-Josef-Land zu Asien gezählt. Auf Franz-Josef-Land scheint vom 10. April bis 5. September die Sonne, die allerdings nie sehr hoch steigt (max. 25°). Die Zufahrt ist nur wenige Sommerwochen (und nicht in jedem Jahr) eisfrei und für Besucher praktisch nur auf einer der sporadisch durchgeführten Eisbrecher-Kreuzfahrten möglich. Landexpeditionen sind in der Regel nicht erlaubt, doch gibt es Ausnahmen wie für die Payer-Weyprecht-Gedächtnisexpedition 2005.
Inhaltsverzeichnis
Schreibweise
Es bestehen in der Literatur und selbst in den ersten Aufzeichnungen und Tagebüchern unterschiedliche Schreibweisen, wie z. B. „Kaiser Franz Josef Land“, „(das) Kaiser Franz Joseph(s) Land“ oder „(das) Kaiser Franz Josef(s) Land“. Die teilweise im deutschen und englischen Sprachgebrauch übliche Bezeichnung „Franz-Josef-Land“ bzw. „Franz Josef Land“ ist durch die „Endgültige Karte von Franz Josef Land“ des Kartographen August Petermann aus dem Jahre 1876 historisch belegt und wird wie Grönland oder Island ohne Artikel verwendet.
Geographie
Die Inselgruppe liegt ostnordöstlich von Spitzbergen und nordwestlich der Inselgruppe Sewernaja Semlja (Nordland). Sie ist durch Fjorde, Buchten und meist zugefrorene Meerengen unterteilt. Der nördlichste Punkt Franz-Joseph-Lands ist nur ca. 900 km vom Nordpol entfernt. Nur die Nordspitze Grönlands und die Ellesmere-Insel in Kanada liegen dichter am Pol. Die südlichste Insel Franz-Josef-Lands ist etwa 370 km von der Insel Nowaja Semlja entfernt. Die Barentssee wird von Franz-Josef-Land im Norden abgegrenzt. Die Gesamtfläche der Inseln beträgt 16.090 km² (etwa die Größe der Steiermark oder Thüringens). Es wurden 191 Inseln gezählt (andere Quelle: 187 Inseln), die zu über 80 % ständig mit Eis bedeckt sind. Die Inselgruppe ist vulkanischen Ursprungs, die höchste Erhebung (614 m ü. NN) liegt auf der Wiener-Neustadt-Insel (ostrow Winer Neischtadt). Die Zeitzonen sind für die 160 km westlich des Archipels gelegene Ostrow Wiktorija (Victoria-Insel) MEZ +1 Stunde und für den Rest MEZ +2 Stunden.
Die Inseln
- Semlja Alexandry (Alexandraland), mit Wetterstation Nagurskoje, im Kalten Krieg wurde hier eine Radarstation betrieben. Heute befindet sich hier die nördlichste Grenzschutzbasis Russlands und eine Landepiste.
- Ostrow Gallja (Hall-Insel, benannt nach Charles Francis Hall) mit dem markanten Kap Tegetthoff und seinen vorgelagerten Felsnadeln. Das Kap war das erste Land, das Payer und Weyprecht nach ihrer über 12 Monate langen Drift auf dem Expeditionsschiff Admiral Tegetthoff sichteten.
- Semlja Georga (Prinz-Georg-Land) mit Halbinsel Armitidsch (Armitage), größte Insel des Archipels.
- Ostrow Greem Bell (Graham-Bell-Insel, benannt nach Graham Bell) mit der längsten Landebahn des ganzen Archipels (2.100 m). Hier starteten und landeten auch schwere Transportmaschinen.
- Ostrow Nordbruk (Northbrook-Insel, benannt nach Thomas Baring, 1. Earl of Northbrook), eine der südlichsten Inseln und relativ gut zugänglich.
- Ostrow Rudolfa (Rudolf-Insel), nördlichste Insel und Ausgangspunkt für Pol-Expeditionen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts (Teplitz-Bucht). Auf einem flachen Gletscher befindet sich eine kurze Eis-Landepiste.
- Semlja Wiltscheka (Wilczek-Land), mit Kap Heller
- Ostrow Wiltscheka (Wilczek-Insel), südlichste Insel und von Payer und Weyprecht am 1. November 1873 erstmals betretenes Land, Grab des Maschinisten Otto Krisch
- Ostrow Winer Neischtadt (Wiener-Neustadt-Insel) mit dem höchsten Berg (614 m) der Inselgruppe.
- Ostrow Ziglera (Ziegler-Insel), um die vorletzte Jahrhundertwende befand sich dort die österreichisch-ungarische Beobachtungsstation "Payer-Weyprecht".
Klima
Raues, arktisches Klima herrscht im Gebiet der Inselgruppe vor, es kommt oft zu Stürmen und besonders am Ende des sehr kurzen Sommers zu dichtem Nebel. Die Temperaturen liegen im Durchschnitt bei +2 °C im Sommer und -22 °C im Winter. In den letzten Jahren lagen die Extremwerte bei +10 °C bzw. -48,9 °C. Diese Daten beziehen sich auf die Wetterstation Nagurskoje auf Alexandraland (Semlja Alexandry) im Westen des Archipels.
Die Inselgruppe liegt am Rand der Packeisgrenze, das heißt, dass nördlich der Inselgruppe das Eis auch im Sommer nicht aufbricht, jedoch zirkumpolar driftet. Aber auch weiter südlich bedecken gewaltige Packeisfelder fast 70 % der nördlichen Barentssee. Die Admiral Tegetthoff, das Expeditionsschiff der Entdecker, wurde 1872/73 viel früher als erwartet von den Eismassen eingeschlossen und musste aufgegeben werden.
Vegetation und Fauna
So nah am Nordpol ist die Vegetation sehr spärlich. Es gibt auf Franz-Joseph-Land Moose, Flechten und einige Grasarten. Die wenigen Blütenpflanzen, die im Frühsommer eine kurze Blüte erleben, müssen sich sehr schnell bestäuben lassen und ihre Samen verbreiten. Große Teile der Inseln bleiben das ganze Jahr über mit Schnee bedeckt. In manchen von der Sonne beschienenen Schneefeldern bilden sich in den oberen Schichten des tauenden Schnees sehr farbenprächtige (scharlachrote, grasgrüne, …) Eisalgen.
Die vorherrschenden Tierarten sind Walrosse, Seehunde, Polarfüchse, Eisbären und einige Insektenarten. Die eisfreien Klippen und Strände werden von Meeresvögeln besiedelt, die hier ihre Jungen ausbrüten, wie zum Beispiel die Lummen und Krabbentaucher sowie verschiedene Möwenarten. Bis auf den Eisbären überwintert keine der höheren Tierarten auf den Inseln. Im Meerwasser finden sich die für die Arktis typischen Arten von Krill, die die Grundlage der Nahrungskette der meisten Tiere bilden und sich dank der beständigen Algenblüte im Sommer reichlich vermehren. Auf dem Meeresboden wächst die ebenfalls für arktische Gewässer typische Megafauna – von Rippenquallen über Krustentiere bis hin zu den Seeanemonen.
Geschichte
Das Seegebiet um den Archipel wurde mit Sicherheit schon im 17. Jahrhundert von Robbenjägern und Walfängern bereist. Darauf deuten Dokumente des holländischen Seefahrers Cornelis Roule aus dem Jahre 1675 hin.
Der weitgehend eisbedeckte und von keiner indigenen Bevölkerung besiedelte Inselgruppe wurde vom norwegischen Robbenfänger Nils Fredrik Rönnebeck im Jahre 1865 als „Rönnebek-Land“ oder „Nordost-Spitzbergen“ gesichtet, aber geheim gehalten. Es ist nicht bekannt, ob die Inseln betreten wurden. 1868 hat er dann einige Inseln vermessen und für Norwegen in Besitz genommen. Er nannte sie „Rönnebecks Land“.
Am 30. August 1873 entdeckte die „Österreich-Ungarische Nordpolexpedition“ unter Oberleutnant Julius Payer (Kommandant der Landreisen) und Schiffsleutnant Carl Weyprecht (Kommandant der Schiffsexpedition) den Archipel offiziell, zuerst die Hall-Insel (Ostrow Gallja, benannt nach Charles Francis Hall). Er erforschte den Ostteil auf drei Schlittenreisen bis zur nördlichsten Spitze (Kap Fligely) und benannte den Archipel nach Kaiser Franz-Joseph I..
Auf der ersten Expedition wurde die Inselgruppe auf der Wilczek-Insel (Semlja Wiltscheka, benannt nach Johann Nepomuk Graf Wilczek, nicht zu verwechseln mit Wilczek-Land) erstmals betreten. Auf einer Erkundungstour mit improvisiertem Schlitten kam Payer im Frühling 1874 bis zum Kap Fligely (Mys Fligely, benannt nach August von Fligely). Zahlreiche bedeutende Expeditionen folgten.
Nach einem gescheiterten Versuch, den Nordpol zu erreichen, kamen die beiden Polarforscher Fridtjof Nansen und Hjalmar Johansen am 14. August 1895 am Kap Norwegen auf der Jackson-Insel (Ostrow Dscheksona) an und überwinterten hier. Im Frühling 1896 setzten sie ihren Marsch Richtung Süden fort. Dann endlich, am 16. Juni 1896, erreichten sie das Kap Flora auf der Northbrook-Insel (Ostrow Nordbruk) und wurden vom britischen Polarforscher Frederick George Jackson gerettet.
An der Stelle der Erstentdeckung, am Kap Tegetthoff (Mys Tegetchof) der Hall-Insel wurde während der Walter-Wellman-Expedition 1898-1899 ein Gedenkstein errichtet. (Position 80° 05' n.Br. / 58° 01' ö.L.)
1899 überwinterten am Kap Heller (benannt nach Friedrich Jakob Heller) auf Wilczek-Land einige Mitglieder der Wellman-Expedition.
1901 musste die Expedition der Amerikaner Evelyn Baldwin auf der Alger-Insel (Ostrow Aldscher) überwintern.
Auf der Northbrook-Insel (Ostrow Nortbruk) wurde von einer Expeditionsmannschaft 1904 Kohle gefördert, deren Schiff in der Nähe der Rudolf-Insel gesunken war. Am 25. Junijul./ 8. Juli 1914greg. betrat Valerian I. Albanow (Erster Steuermann) mit 7 Kameraden, die am 14. April 1914 den Schoner St. Anna auf etwa 83° 40' N und 60° O verlassen hatten, die Insel Alexander-Land. Am 9. Juli kamen Albanov und der Matrose A. Konrad auf Kap Flora an und wurden von dem Dampfer St. Foka nach Murmansk gebracht.
1926 kam Franz-Josef-Land unter sowjetische Staatshoheit.
Von 1929 bis 1963 war die Tichaja-Bucht auf der Hooker-Insel (Ostrow Gukera, benannt nach Joseph Dalton Hooker) der wichtigste Ausgangsort für Pol-Expeditionen, dort wurde außerdem eine Wetterstation betrieben.
1931 überquerte LZ 127 „Graf Zeppelin“ die Inselgruppe, er gelangte über den nördlichsten Landpunkt hinaus (Kap Fligely).
Während des Zweiten Weltkriegs befand sich vom August 1943 bis Juli 1944 in der Cambridge Bay auf Alexandraland (benannt nach der österreichischen Erzherzogin Alexandra) eine geheime deutsche Wetterstation mit dem Codenamen Schatzgräber. Das Personal musste aufgrund einer Erkrankung im Juli 1944 evakuiert werden, die Ausrüstung wurde im Oktober des gleichen Jahres von einer U-Boot-Besatzung abgebaut.
In der Zeit des Kalten Krieges war die gesamte Inselgruppe wegen ihrer geostrategischen Lage militärisches Sperrgebiet und für Zivilisten nicht erreichbar. Auf der Graham-Bell-Insel (ostrow Greem Bell) war eine Bomberstaffel stationiert.
Am 23. Dezember 1996 verunglückte ein russisches Flugzeug (Antonow An-72) bei der Landung auf der Piste in Nagurskoje.
Im April/Mai 2005 reiste die Payer-Weyprecht-Gedächtnisexpedition mit einer Sondereinreisegenehmigung nach Franz-Josef-Land. Die moderne Kleinexpedition, bestehend aus den Österreichern Christoph Höbenreich (Expeditionsleiter) und Robert Mühlthaler, den Russen Viktor Bojarski und Nikita Ovsianikov sowie dem Polarhund Nanuk, durchquerte Franz-Josef-Land mit Ski und Schlitten auf den Spuren von Julius Payer, um die historische Leistung der Pioniere zu würdigen. Die Expedition hinterlässt am Kap Tirol eine bronzene Gedenktafel.
Siehe auch
- Johann Nepomuk Graf Wilczek, Archangelsk, Packeis, Sibirien, Polarforschung, Wetterstation, Nowaja Semlja
Literatur
- allgemein
- Julius Payer: Die österreichisch-ungarische Nordpol-Expedition in den Jahren 1872-1874, nebst einer Skizze der zweiten deutschen Nordpol-Expedition 1869-1870 und der Polar-Expedition von 1871. Hölder, Wien 1876.
- Andreas Umbreit: Spitzbergen mit Franz-Joseph-Land und Jan Mayen. 7. Auflage. Conrad Stein, Welver 2004. ISBN 3-89392-282-2
- Andreas Pöschek: Geheimnis Nordpol. Die Österreichisch-Ungarische Nordpolexpedition 1872-1874. Wien 1999 (PDF).
- H. Straub: Die Entdeckung des Franz-Joseph-Landes. Styria, Graz 1990. ISBN 3-222-11943-0
- Valerian I. Albanow: Im Reich des weißen Todes. Die Aufzeichnungen des Mannes, der 1914 den Marsch durch das Eis der Arktis überlebte. 2. Auflage. Berliner Taschenbuch, Berlin 2002. ISBN 3-442-76020-8 (Bericht über einen Aufenthalt von September 1913 bis August 1914 im Gebiet des Franz-Joseph-Landes)
- Helfried Weyer, Peter von Sassen: Vergessene Inseln im Eis. Eine Expedition ins Kaiser-Franz-Joseph-Land. Berlin 2006. ISBN 3-89479-302-3
- Christoph Höbenreich: Espedition Franz Joseph Land. In der Spur der Entdecker nach Norden. Frederking-Thaler, München 2007. ISBN 3-89405-499-9 (Expeditionsbildband über die Payer-Weyprecht-Gedächtnisexpedition 2005, die österreichisch-ungarische Nordpolarexpedition 1872-1874, die Polarreise des Eisbrechers Kapitan Dranitsyn 2006, mit einer umfassenden Expeditionschronik zur Entdeckungsgeschichte des Archipels).
- Rezeption
- Christoph Ransmayr: Die Schrecken des Eises und der Finsternis. Roman. Brandstätter, Wien 1984, Fischer, Frankfurt/M 2001. ISBN 3-596-25419-1
- Fritz Lehner: R. Roman. Seifert, Wien 2003. ISBN 3-902406-03-8
Weblinks
- Artikel Franz-Joseph-Land im Österreich-Lexikon von aeiou
- Franz-Joseph-Land bei oceandots.com, mit Satellitenbildern (englisch)
- Karte mit Namen der Franz-Joseph-Inseln
80.66901944444454.849713888889Koordinaten: 80° 40′ N, 54° 51′ O
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