Französischer Widerstand

Französischer Widerstand

Die Résistance ist der Sammelbegriff für die französische Widerstandsbewegung gegen die deutsche und italienische Besatzungsmacht sowie gegen die mit diesen kollaborierenden französischen Institutionen und Teile der französischen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg. Sie war nicht einheitlich organisiert und geführt, sondern verfolgte im Sinne ihrer Trägerorganisationen verschiedene Ziele. Im Frühjahr 1943 gelang es Jean Moulin, einem Abgesandten General de Gaulles, die wichtigsten Gruppierungen zumindest auf allgemein gehaltene gemeinsame Ziele festzulegen und eine Koordinierungsinstanz zu etablieren.

Inhaltsverzeichnis

Die Elemente der Résistance

Von Lyon aus bemühte sich Jean Moulin im Auftrag Charles de Gaulles lange Zeit, den Widerstand der verschiedenen Gruppen zur Résistance im Comité Français de la Libération Nationale (CFLN) zu vereinen, was ihm auch mit den wichtigsten Résistancegruppen gelang:

in der Südzone fusionierten:

  • die Gruppe Organisation civile et militaire (OCM)
  • die Gruppe Libération Nord
  • die Gruppe Ceux de la Résistance
  • die Gruppe Ceux de la Libération


weitere Résistancegruppen, die daneben zeitweilig oder dauerhaft existierten:

  • die Résistance de Fer der französischen Eisenbahner
  • die Gruppe France-Liberté
  • die Gruppe la Dernière Colonne
  • die Gruppe Musée de l’Homme
  • die Gruppe Confrèrerie Notre Dame um Gilbert Renault
  • die Organisation de résistance de l'armée
  • die Armée des Volontaires (AV) um Dr. Bareiss
  • das Netzwerk Mithridate
  • das Netzwerk Cohors


Die Résistance entwickelte als politischen Arm eine Art politisches Untergrundparlament der verschiedenen Widerstandsgruppen den Conseil National de la Résistance (CNR, dt. Nationaler Widerstandsrat). Dank des unermüdlichen Einsatzes von Jacques Bingen entwickelte sich aus

  • der gaullistischen l'Armée secrète,
  • der kommunistischen Francs-Tireurs et Partisans und
  • der giraudistischen Organisation de résistance de l'armée
  • sowie isolierten militärischen Résistancegruppen

der fusionierte militärische Arm der Résistance, die Forces françaises de l'intérieur (FFI).

Die Operationen der Résistance

Die Résistance entstand unmittelbar nach dem Waffenstillstand von Marschall Pétain mit Deutschland im Jahr 1940. Anfangs bestand sie aus wenigen Tausend Menschen, die die deutsche Besetzung nicht einfach erdulden wollten. Ihr Ziel war das planmäßige Vorgehen gegen die Besatzer. Dazu mussten private Racheakte eingedämmt werden, die nicht selten waren. Tausende von Zivilisten und Soldaten waren vor den heranrückenden deutschen Truppen in den Süden Frankreichs geflüchtet. In Zeitungen wurden Suchanzeigen annonciert, um die auf der Flucht verlorenen Angehörigen wiederzufinden. Hier schrieb die Résistance Antwortbriefe, in denen die Betroffenen zur Mitarbeit und Kettenbriefen aufgefordert wurden.

Später ging sie dazu über, die Alliierten über Bewaffnung und Bewegungen der deutschen Truppen zu informieren. Sabotageakte der Résistance sollten die militärischen Operationen der Alliierten unterstützen und die der Wehrmacht erschweren. Dazu wurden nach und nach eigene Strukturen aufgebaut: Für jede französische Gemeinde wurde eine Akte angelegt, in der jeder Eisenbahntunnel, jede Langsamfahrstelle der Eisenbahn, jede Fabrik, Werkstatt und Werft vermerkt wurde. Tonnen von Munition und Waffen wurden versteckt, statt sie (gemäß Waffenstillstandsbestimmungen) an die Wehrmacht zu übergeben. Anstelle von Mitgliederlisten wurden schmale Papierstreifen aus Reispapier verwendet, die man besser herunterschlucken konnte. Darin standen der Name des Aufgenommenen, sein Beruf und seine Verbindungen, seine Unterbringungs- und Verpflegungsmöglichkeiten sowie seine Transportmittel (LKW, Auto, Motorrad, Fahrrad). Dort war auch registriert, ob derjenige für Sabotage-, Transport- oder Kommando-Aufgaben eingeteilt war. Diese Listen wurden von Bankbeamten nachts geschrieben.

Ein Mitglied der FFI, ca. 1944

Anfangs war das Hauptquartier der Résistance in der Pariser Metro. Während der Fahrt wurden Pläne gemacht und Nachrichten ausgetauscht. Abhören war hier sehr viel schwieriger. Vor allem konnte die Gestapo nur schwer Einzelne, die ein- oder ausstiegen, im Gewühl von Tausenden von Menschen identifizieren und beobachten. Dennoch blieben die geheimen Tätigkeiten nicht verborgen. Die Quartiere wurden daraufhin ständig gewechselt. Im Laufe der Zeit strukturierte sich die Arbeit der Résistance arbeitsteilig: Quartiermacher beschafften in einem Dorf oder einer Stadt unauffällige Wohnungen, deren Lage, Flucht- und Ausweichmöglichkeiten sie vorher geprüft hatten. Einem Stab der Résistance unterstanden zwanzig regionale, von Offizieren kommandierte Einheiten, die im Rhythmus von acht bis zehn Tagen ihren Standort wechselten. Dazu wurden in einem Dorf etwa zehn Häuser ausgesucht, in denen der Befehlsstand unterzubringen war.

Da die Funkübertragung von Nachrichten durch Peilwagen der Deutschen gefährdet war, wurden sie häufig mündlich weitergegeben: Die Boten lernten dabei ihren Auftrag auswendig, so dass sie durch nichts Schriftliches identifizierbar waren. Kundschafter überprüften die Bewohner umliegender Häuser vor einem geplanten Coup und machten sich mit Zugangsmöglichkeiten, der Bewachung, ihren Wachwechseln, ihrer Bewaffnung und Alarmplänen vertraut. Für Kommando-Aufträge hatte sich das Corps Francs etabliert. Es waren in der Regel sportliche Männer unter vierzig Jahren, die als Gorilles bezeichnet wurden. Sie bildeten den Stoßtrupp, der bei einem Überfall den Angriff auf die deutschen Soldaten, Bewacher, Gestapo-Leute etc. führte.

Transportkommandos beschafften die häufig zu wechselnden Fahrzeuge, kundschafteten Routen und Straßensperren aus, machten sich mit der Strecke vertraut. Der Ortswechsel eines Kommandos oder Stabes vollzog sich in der Regel nachts über abgelegene Feldwege. Es wurden auch Transportmöglichkeiten in französischen und deutschen Zügen und auf regelmäßig kursierenden deutschen Armeelastwagen ausgekundschaftet und genutzt. Sie stellten die Männer, die bei einem Überfall möglicherweise zu erbeutende Waffen und Munition verluden und transportierten. Ein Zerstörungskommando setzte nach einem Überfall die Örtlichkeit in Brand oder sprengte sie fort.

Saboteure waren häufig Frauen, Jugendliche und ältere Männer, die weniger durch Muskelkraft, sondern mehr durch List ihr Ziel erreichten: Ihnen wurde auch durch Instrukteure wie Nancy Wake, die vom britischen Special Operations Executive ausgebildet waren, beigebracht, wie man Brandbomben platzierte, Sprengkapseln an Eisenbahnschienen fixierte, wie man durch die Besatzer beschlagnahmte Ware unbrauchbar machte, einen Menschen geräuschlos erwürgte, Waffen auseinander nimmt, reinigt und handhabt. Durch diese Sabotagekommandos wurden Sprengungen von Brücken, Eisenbahntunneln, Telegrafenmasten usw. vorbereitet und ausgeführt.

In den französischen Gebirgen legte die Résistance die places d'armes an, kleine Festungen, die durch die umliegenden Schluchten und Pässe so geschützt lagen, dass sie durch Schützenstände, Maschinengewehre und Artillerie von wenigen Leuten selbst bei einer starken feindlichen Übermacht zu halten waren. Der Hubschrauber gehörte noch nicht zur Ausrüstung der deutschen Wehrmacht, um an solchen Orten Kommandos absetzen zu können. Der wichtigste und größte place d'arme war das Vercors.

Die Wirksamkeit und das Vorgehen der Résistance gegen Kollaborateure wird seit den 1970er Jahren in der französischen Öffentlichkeit verstärkt diskutiert.

Symbol für die grausame Rache der Wehrmacht und SS an Widerstandskämpfern ist der Ort Oradour-sur-Glane. Als Reaktion auf Aktionen der Résistance in der Gegend vernichteten die Deutschen am 10. Juni 1944 das gesamte Dorf, exekutierten die Männer und sperrten Frauen und Kinder in die Kirche, die sie dann anzündeten. Mehr als 600 Menschen wurden ermordet. Heute ist Oradour-sur-Glane Gedenkstätte für den französischen Widerstand.

Einer der bekanntesten Mitglieder der Résistance in Deutschland war Peter Gingold, der am 28. Oktober 2006 verstarb.

Résistance wird auch als literarischer Begriff für eine Bewegung verwendet, die während der Vichy-Zeit illegal literarische Texte und Zeitschriften publizierte. Sie hatte zwar nicht als Teil der politisch-militärischen Résistance agiert, ihr wurde aber nachträglich eine hohe symbolische Bedeutung zugemessen, weil sie dem Widerstand eine Stimme gegeben hatte. Als eine der bekanntesten Veröffentlichungen der Résistanceliteratur gilt die Erzählung Le silence de la mer, die 1942 unter dem Pseudonym Vercors erschien.

"Wusstet ihr, … dass es nur ein Wort für Entsetzen gibt, nur ein Wort für Angst? Wusstet ihr, dass das Leiden keine Schranke kennt, der Schrecken keine Grenze?" (von Charlotte Delbo, sie war Mitglied der Résistance und wurde ins KZ Auschwitz deportiert)

Siehe auch

Literatur

  • Klaus-Michael Mallmann: Frankreichs fremde Patrioten. Deutsche in der Résistance in: Exilforschung. Ein internationales Jahrbuch Bd. 15, 1997, S. 33 - 63
  • (Walther Flekl) Artikel: Résistance in: Frankreich-Lexikon, Erich Schmidt, Berlin 2005, S. 833 - 836 (Lit.) ISBN 3503061843
  • Jean-François Muracciole: Histoire de la résistance en France PUF, Que sais-je ?, Paris 2003
  • Alain Guérin: La Résistance Chronique illustrée 1930-1950 (5 Vol.) Livre Club Diderot, Paris 1972
  • Jean-Pierre Azéma: Des résistances à la Résistance in: La France des années noires T2, Éditions du Seuil, Paris 1993
  • Pierre Broué, Raymond Vacheron: Meurtres au maquis Éditions Grasset, Paris 1997
  • Gilles Perrault: Taupes rouges contre SS Éd. Messidor, Paris 1986 (communistes et antifascistes allemands et autrichiens dans la Résistance en France)
  • Brés, Éveline & Yvan Un maquis d‘antifascistes allemands en France (1942-1944) Presses du Languedoc, Max Chaleil Éditeur, Montpellier 1987
  • Pierre Péan: Vies et morts de Jean Moulin Éditions Fayard, Paris 1998
  • Dominique Peillon: Les Réseaux de Résistance in La France des années noires T1, le Seuil, 1993
  • Dominique Peillon, Olivier Wieviorka: La Résistance in La France des années noires T2, Éditions du Seuil, Paris 1993
  • Philippe Bourdrel: L'Épuration sauvage 1944-45 Éd. Perrin, Paris 2002
  • Gottfried Hamacher u.a.: Gegen Hitler. Deutsche in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung "Freies Deutschland". Kurzbiografien Karl Dietz, Berlin 2005 (2. Aufl.) Reihe RLS Manuskripte, Nr. 53 (Die Online-Version von 2003 ist etwas anders, sie hat deutlich mehr Literatur-Angaben als das Buch, insbes. autobiograph. u.ä. Art, siehe Weblinks. Die Lemmata in beiden Versionen sind unterschiedlich, dh. in der einen Fassung fehlen evtl. Personen, die in der anderen auftauchen. Die Online-Version nennt Belegquellen zu jeder Person) ISBN 332002941x

Weblinks


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