Fraternite

Fraternite

Brüderlichkeit, heute auch Geschwisterlichkeit, ist der historische Begriff für die Überzeugung von der Zusammengehörigkeit und von der Gleichheit und Würde aller Menschen. Obwohl im wörtlichen Sinne Frauen ausschließend, wurde er auch früher bereits in vielen Fällen auf Menschen im Allgemeinen bezogen.

Inhaltsverzeichnis

Brüderlichkeit

Der Gedanke der Brüderlichkeit stammt ursprünglich aus der Philosophie der Stoa und aus dem Judentum und wurde in das Christentum übernommen. Brüderlichkeit wird hier patrilinear in der gemeinsamen Abstammung von einem Vater begründet. Im Gegensatz zum nicht-personal gedachten Gott-Vater-Begriff der Stoa wird jedoch der biblische „Gottvater“ als personales Gegenüber vorgestellt, das etwa zu seinem auserwählten Volk spricht. Die Vaterschaft Gottes im Christentum ist schließlich eine im fleischgewordenen Sohn Jesus Christus vermittelte Vaterschaft, welche die brüderliche Einheit im Sohne einschließt. Christus selbst lehrt die Brüderlichkeit im Gebot der Nächstenliebe. Auch in anderen Kulturen war das Ideal der Brüderlichkeit und der Humanität bekannt, zum Beispiel im Buddhismus. Im weiteren Sinne schließt Brüderlichkeit die Würde und die Gleichberechtigung aller Menschen, den Pazifismus, die Humanität, die Barmherzigkeit und sogar die Feindesliebe mit ein.

Brüderlichkeit der Stoa

Der Brüderlichkeitsbegriff in der Stoa beruht auf einem ursprünglichen, mythologischen Naturbegriff. Im Himmel wird eine welterzeugende Kraft gesehen, die zusammen mit der „Mutter Erde“ alles Leben der Welt erwirkt. In diesem Sinn kann dann der Himmel „Vater“ der Menschen heißen. Platon sieht in der ewigen transzendenten Idee des Guten den Vater und Herrn, aber deren Personalität bleibt zweifelhaft. Von einer persönlichen Beziehung zu den Geschöpfen der Welt kann keine Rede sein. Die Lehre von der Vaterschaft ist hier eine Umdeutung des alten Mythos vom Zeus und der Hera. Die Götter bilden lediglich die Spitze eines erhabenen Kosmos. Von einem persönlichen, zürnenden, sorgenden, verzeihenden Vater-Gott findet sich in der Stoa keine Spur.

Christliche Brüderlichkeit

Die Einswerdung mit Christus schließt die Einswerdung der Christen untereinander ein und bedeutet so die Aufhebung der trennenden natürlichen geschichtlichen Grenzen.

Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder. (Mt 23,8)

Damit wird der große Hauptunterschied der bisher die Welt unüberwindlich geteilt hatte hinfällig. Der Unterschied zwischen Israel und den Heiden, zwischen Rein und Unrein, zwischen Auserwählt und Nicht-Auserwählte. Über allen ständisch-hierarchischen Ordnungen natürlich-geschichtlicher Grenzen hinweg herrscht nun der christliche Bruderbegriff.

Aufklärung und Menschenrechte

Brüderlichkeit war einerseits (als Fraternité) eine der Kampfparolen der bürgerlichen Revolution (vergleiche hierzu den ungeschminkten Volksmund: Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag' ich dir den Schädel ein.), während die Arbeiterbewegung überwiegend den Begriff der Solidarität verwendete. Andere sehen in der Brüderlichkeit eher eine ethische Tugend, die zu Friedfertigkeit, zu Toleranz, zu Versöhnung mit dem Feind und zu Hilfsbereitschaft führt. In diesem Sinne ist sie verwandt mit dem Begriff der Verbundenheit. Jeden März feiern in diesem Sinne viele Millionen Menschen die Woche der Brüderlichkeit mit Projekten und Veranstaltungen. Auch in die Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen floss der Gedanke der Brüderlichkeit ein. Er wird im zweiten Artikel erwähnt, wo es heißt:

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen sich zueinander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.

Brüderlichkeit im Marxismus

Im Marxismus findet wieder eine Unterscheidung zweier ethischer Zonen statt. Die Menschheit ist hier in einen historischen Gegensatz von Kapital und Proletariat zerfallen: Im Klassenkampf schließt die Bruderschaft der einen die Feindschaft gegen die Anderen ein. Erst die Überwindung der Klassengesellschaft, die kämpferische Aufhebung von (materieller) Ungleichheit und Unterdrückung in der „Klassenlosen Gesellschaft“, wird die „wahre“ Einheit der Menschheit herstellen.

Siehe auch

Literatur

  • Ulrich Wickert: Das Buch der Tugenden. ISBN 3-455-11045-2, S. 435ff. (Solidarität, Brüderlichkeit und Güte)
  • Über die Brüderlichkeit - Rede eines demokratischen Hofnarren an ein bürgerliches Publikum - Niedergeschrieben und redigiert von Franz-Xaver Kaufmann. in: Karl Rahner und Bernhard Welte (Hrsg.): Mut zur Tugend. Über die Fähigkeit, menschlicher zu leben. Freiburg i. Br. 1986, Herderbücherei, Bd. 1308, ISBN 3-451-08308-6, S. 67ff.
  • Walter Bloem: Brüderlichkeit, Sh-Verlag 2006 (Reprint), ISBN 3-89498-170-9
  • Josef Ratzinger: Die christliche Brüderlichkeit, Kösel 1960
  • Martin Buber: An der Wende. Reden über das Judentum, Köln-Olten 1952
  • G. F. Moore: Judaism Bd. I, Cambridge 1927
  • E. Zeller: Die Philosophie der Griechen, Bd. I, Leipzig 1880

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • fraternité — [ fratɛrnite ] n. f. • XIIe; lat. fraternitas 1 ♦ Rare Parenté entre frères et sœurs. 2 ♦ Lien existant entre les hommes considérés comme membres de la famille humaine; sentiment profond de ce lien. ⇒ charité, solidarité (cf. Amour du prochain).… …   Encyclopédie Universelle

  • Fraternite — Fraternité  Cet article concerne le lien moral. Pour les sociétés dites fraternité ou sororité, voir Fraternité (société) …   Wikipédia en Français

  • fraternité — Fraternité. substantif feminin. Relation de frere à frere. En ce sens il n a d usage que dans le Dogmatique. Vous avez beau le renoncer pour vostre frere, vous ne destruirez pas la fraternité qui est entre vous. Il signifie aussi, Union… …   Dictionnaire de l'Académie française

  • Fraternité — (fr.), Brüderlichkeit, s.d …   Pierer's Universal-Lexikon

  • fraternité — Fraternité, Fraternitas. Quintil …   Thresor de la langue françoyse

  • Fraternité — Cet article concerne le lien moral. Pour les sociétés dites fraternité ou sororité, voir Fraternité (société) …   Wikipédia en Français

  • fraternité — (fra tèr ni té) s. f. 1°   Parenté entre frères et soeurs. Vous avez beau le renoncer pour votre frère, la renoncer pour votre soeur, vous ne détruirez pas la fraternité qui est entre vous. 2°   Liaison étroite de ceux qui, sans être frères, se… …   Dictionnaire de la Langue Française d'Émile Littré

  • FRATERNITÉ — s. f. Relation de frère à frère. En ce sens, il n est guère usité que dans le didactique. Vous avez beau le renoncer pour votre frère, vous ne détruirez pas la fraternité qui est entre vous.   Il signifie aussi, Union fraternelle, amitié… …   Dictionnaire de l'Academie Francaise, 7eme edition (1835)

  • FRATERNITÉ — n. f. Lien qui, selon la nature, existe de frère à frère. En ce sens, il a vieilli. Il signifie surtout aujourd’hui Union fraternelle, amitié fraternelle. Ils vivaient dans une intime fraternité. Il se dit également de la Liaison étroite que… …   Dictionnaire de l'Academie Francaise, 8eme edition (1935)

  • Fraternité —          BARBUSSE (Henri)     Bio express : Écrivain français (1873 1935)     «La liberté et la fraternité sont des mots, tandis que l égalité est une chose.»     Source : Le Feu     Mot(s) clé(s) : Egalité Fraternité Liberté Mot     … …   Dictionnaire des citations politiques

  • Fraternité — Fra|ter|ni|té 〈f.; ; unz.〉 Brüderlichkeit (Schlagwort der Französischen Revolution); →a. Egalité, Liberté * * * Fra|ter|ni|té […ni te: ], die; [frz. fraternité < lat. fraternitas]: Brüderlichkeit (eines der drei Losungsworte der Französischen… …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”