- Freiwerdezeit
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Ein Thyristor ist ein Halbleiterbauelement, das aus vier oder mehr Halbleiterschichten wechselnder Dotierung aufgebaut ist. Die Bezeichnung Thyristor ist ein Kofferwort aus Thyratron und Resistor.
Inhaltsverzeichnis
Aufbau und Funktionsweise
Allgemeines
Er hat drei pn-Übergänge in der Folge pnpn. Wie eine Diode hat der Thyristor Anode und Kathode, im Gegensatz zur Diode kommt aber noch ein Gate-Anschluss hinzu.
Im Grundzustand ist der Thyristor in beiden Richtungen sperrend. In Durchlassrichtung sperrt er bis zu einer Zündspannung (Nullkippspannung für eine Gate-Kathoden-Spannung von 0 V). Durch einen positiven Stromimpuls am Gate kann er in den leitenden Zustand geschaltet werden. In Sperrrichtung sperrt er den Strom wie eine normale Diode. Es gibt mehrere Möglichkeiten der Zündung:
- Konventionelle:
- Steuerstrom (ein positiver Strom oder Stromimpuls am Gate),
- Lichtzündung (Fotothyristor)
- Unkonventionelle, meist unzulässige
- Überschreiten der Nullkippspannung (Überkopfzündung bzw. Breakover)
- Überschreiten der zulässigen Spannungsanstiegsgeschwindigkeit
- Temperaturerhöhung
Praktisch wird der Thyristor als steuerbare Diode eingesetzt.
Einschalten
Durch Strominjektion in die dritte Schicht (Ansteuerung am Gate) kann der Thyristor gezündet (leitfähig geschaltet) werden. Voraussetzung dafür ist eine positive Spannung zwischen Anode und Kathode, sowie ein Mindeststrom durch die mittlere Sperrschicht. Charakteristisch für den Einschaltvorgang des Thyristors ist dabei, dass der Vorgang durch eine Mitkopplung unterstützt wird. Der Ablauf des Einschaltvorgangs ist daher - im Gegensatz zu anderen Leistungshalbleitern- nicht über das Gate in der Geschwindigkeit zu beeinflussen. Problematisch ist die Stromdichte in der dritten Schicht beim Zündvorgang. Beim Injizieren der Elektronen wird die Schicht an der Eintrittsstelle leitend. Bis die gesamte Siliziumfläche leitend ist, konzentriert sich der Strom auf den schon leitenden Bereich, in dem die gesamte Verlustleistung umgesetzt wird. Dabei kann die Verlustleistungsdichte den zulässigen Wert überschreiten und zu örtlichen Temperaturerhöhungen über die Diffusionstemperatur oder gar die Schmelztemperatur (1683 K) des Siliziums hinaus, führen. Deshalb ist es wichtig, dass die Stromanstiegsgeschwindigkeit auf ihren zulässigen Wert begrenzt wird. Das erfordert je nach Lastverhalten eine in Serie geschaltete Drosselspule. Oft ist dies eine Sättigungsdrossel.
Abschalten
Gelöscht (in den Sperrzustand versetzt) wird der Thyristor durch Unterschreiten des Haltestroms, im Allgemeinen durch Abschalten oder Umpolen der Spannung im Laststromkreis, oder im Stromnulldurchgang des Lastkreises (z.B. im Gleichrichter). Die Freiwerdezeit begrenzt dabei die Geschwindigkeit dieses Vorgangs.
Die Freiwerdezeit tq ist die Zeit, die erforderlich ist, damit der Thyristor nach Beendigung der Stromleitungsphase wieder seine volle Steuer- und Sperrfähigkeit erhält. Diese erlangt der Thyristor erst wieder, wenn die dafür maßgebende mittlere Sperrschicht durch Rekombination von Ladungsträgern geräumt ist. Die Freiwerdezeit ist eine Bauteileigenschaft und wird im Datenblatt angegeben. Je nach Typ kann die Freiwerdezeit 10 bis 400 µs betragen.
Die Freiwerdezeit erfordert im Moment des Verlöschens bei induktiven Verbrauchern eine Begrenzung der Spannungsanstiegsgeschwindigkeit durch ein R-C-Glied, da es andernfalls (die Induktivität führt noch den Haltestrom!) zur spontanen Wiederzündung („Über-Kopf-Zünden“) kommen kann. Neuere Thyristoren („snubberless“-Typen) sind in der Lage, diesen Spannungsanstieg auch ohne R-C-Glied zu bewältigen.Thyristoren kleiner Leistung oder speziell dafür ausgelegte Varianten (GTO-Thyristoren) können auch durch einen negativen Stromimpuls am Gate in den Sperrzustand versetzt werden.
Geschichte
Die ersten Thyristoren wurden 1957 bei General Electric (GE) entwickelt. Das Bauteil wurde von GE zunächst als SCR (von en. Silicon Controlled Rectifier - gesteuerter Silizium-Gleichrichter) bezeichnet. Westinghouse stellte wenig später ähnliche Bauteile her und bezeichnete diese als Trinistor. Die AEG nennt ihre Bauteile zunächst steuerbare Siliziumzelle. Der Begriff Thyristor setzte sich erst in den 1960er-Jahren durch, im englischen Sprachraum ist jedoch weiterhin SCR gebräuchlich.
Der Thyristor war das erste steuerbare Leistungshalbleiter-Bauelement für große Leistung und erschloss sich schnell vielfältige Anwendungsgebiete. Inzwischen sind Thyristoren in vielen Anwendungen durch andere Leistungshalbleiter verdrängt. Dennoch werden aber auch heute noch neue Thyristortypen entwickelt und das Marktvolumen wächst. Ursache ist deren unübertroffene Schaltleistung sowie die Verbesserung der Parameter, wie besonders geringer Zündstrom oder Robustheit gegenüber steilen Spannungsanstiegen beim Abreißen des Haltestromes an induktiven Lasten (snubberless).
Varianten
- Netzthyristor: Solche Thyristoren sind vorrangig auf Durchlass- und Sperreigenschaften optimiert und haben Freiwerdezeiten von mehr als 100 µs. Damit sind sie für Anwendungen bei Netzfrequenz geeignet.
- Frequenzthyristor: Thyristor mit Freiwerdezeit zwischen 8 µs und 100 µs für den Einsatz mit Löschschaltungen oder in lastgeführten Wechselrichtern. Außerdem besitzen Frequenzthyristoren spezielle Gatestrukturen, die schnell eine große Fläche durchschalten und damit einen schnellen Anstieg des Laststromes erlauben.
- GTO-Thyristor (Gate Turn Off): Er ist asymmetrisch dotiert und kann an der Steuerelektrode nicht nur gezündet, sondern auch durch einen negativen Impuls wieder gelöscht werden. Der Löschimpuls muss relativ stark sein. Im Durchschnitt müssen 30 % des Laststroms kurzzeitig als Löschstrom aufgebracht werden. GTOs benötigen ein Ausschaltentlastungsnetzwerk.
- GCT (Gate Commutated Thyristor): Weiterentwicklung des GTO mit niedrigeren Schaltverlusten und für den Betrieb ohne Ausschaltentlastungsnetzwerk. Zum Abschalten ist ein Gatestrom in Höhe des Laststroms erforderlich.
- IGCT (Integrated Gate Commutated Thyristor): GCT mit fest angebauter Treiberstufe
- Thyristortetrode: Sie besitzt an der zweiten und an der dritten Schicht eine Elektrode. Sie kann an beiden Elektroden oder an jeder einzeln gezündet und gelöscht werden, jeweils mit einem positiven oder negativen Impuls.
- Fotothyristor: Er wird nicht durch einen elektrischen Impuls, sondern mit Hilfe von Licht gezündet. Fotothyristoren kleiner Leistung finden Anwendung als integrierte Bauteile in Optokopplern.
- LTT (Light Triggered Thyristor): Hochleistungsbauelement, das wie ein Fotothyristor mit Licht gezündet wird. Er ist ideal geeignet für die Anwendung in Anlagen der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, wird dort aber erst in den neuesten Anlagen verwendet, da bis vor kurzem solche Thyristoren für die geforderte hohe Leistung nicht hergestellt werden konnten.
- Diac
- Triac
- ITR (Integrated Thyristor/Rectifier) oder RCT (Reverse Conducting Thyristor): Ein Bauteil, das neben einem Thyristor eine zu ihm antiparallel geschaltete, monolithisch integrierte Diode enthält.
- Vierschichtdiode (auch „Dinistor“ für Dioden-Thyristor oder BOD für Breakover Device): Thyristor ohne Steuerelektrode. Das Bauteil zündet bei Erreichen einer definierten Durchbruchspannung. Im Gegensatz zum Diac ist die Vierschichtdiode nur in eine Richtung durchlassfähig.
Neben diesen erwünschten Bauelementen können sich durch die abwechselnden Dotierungen der n-Kanal- und p-Kanal-Feldeffekttransistoren in CMOS-Halbleiterbauteilen unerwünschte, sogenannte „parasitäre Thyristoren“ ausbilden. Bei Zündung dieser Thyristoren durch kurze Spannungsspitzen an den Eingängen einer CMOS-Stufe (Latch-Up-Effekt) kann es zur Zerstörung des CMOS-Bauteils kommen.
Gehäusebauformen und Leistungsbereiche
- Plastikgehäuse: Thyristoren für Ströme bis zu 25 A und Spannungen bis zu 1600 V werden meist in Plastikgehäusen hergestellt, wie sie auch für Leistungstransitoren üblich sind, etwa TO-220 oder TO-247. Die Kühlfahne liegt dabei auf Anodenpotential.
- Schraubgehäuse: Metallgehäuse mit Schraubbolzen und Sechskant für Ströme bis zu einigen 100 A. Diese Bauform wird heute nur noch in geringem Umfang verwendet.
- Flachbodengehäuse: Metallgehäuse ähnlich dem Schraubgehäuse, jedoch ohne Bolzen und Sechskant. Auch diese Bauform wird nur noch selten verwendet.
- Modulgehäuse: Bestehend aus metallischer Bodenplatte und Plastik-Spritzgussgehäuse. Im Gegensatz zu den bisher beschrieben Gehäusen ist hier die Kühlfläche (Bodenplatte) von den Anschlüssen des Baulementes elektrisch isoliert. Meist sind mehrere Thyristoren oder auch Kombinationen von Thyristoren und Dioden in einem gemeinsamen Gehäuse untergebracht. Ströme bis 800 A und Spannungen bis 3600 V sind möglich.
- Scheibenzelle: Gehäuse erkennbar an zwei planparallelen Metallflächen für Anode und Kathode sowie einem Isolierteil aus Keramik oder Kunststoff. Zwischen den Elektroden befindet sich das Thyristorelement, ein Silizium-Wafer mit einem Durchmesser mit bis zu 5″. Ströme bis zu 6 kA und Spannungen bis zu 8 kV können erreicht werden. Scheibenzellen werden zum Betrieb zwischen Kühlkörpern mit Kräften bis zu 130 kN eingespannt, um einen guten elektrischen und thermischen Kontakt zum Kühlkörper, aber auch intern im Bauelement zu erreichen.
Einsatzgebiete
Kleine Leistung
Thyristoren oder Triacs kleiner Leistung werden in Haushaltsgeräten zu Drehzahlregelung von Universalmotoren eingesetzt (Staubsauger, Mixer, Handbohrmaschine). In ähnlicher Weise arbeiten Dimmer zur Lichtsteuerung. Ende der 1970er Jahre wurden sie auch in den Horizontalendstufen und Netzteilen von Fernsehgeräten eingesetzt, später wurden sie von Bipolartransistoren bzw. MOSFETs ersetzt.
In Verbindung mit einer Zener-Diode findet der Thyristor als Sicherheitselement in Netzteilen für elektronische Geräte Anwendung. Im Normalbetrieb sperren Zener-Diode und Thyristor. Wenn die Zener-Spannung der Diode z.B. durch einen Defekt in einem Transformator überschritten wird, wird der Thyristor leitend und verursacht einen gewollten Kurzschluss, wodurch die Schmelzsicherung des Netzteils sofort durchbrennt. Daruch wird verhindert, dass teurere Komponenten im angeschlossenen Gerät durch eine zu hohe Ausgangsspannung zerstört werden.
Mittlere Leistung
Im Leistungsbereich von oberhalb 2 kW finden Thyristoren in zahlreichen industriellen Anwendungen Verwendung. Dabei werden meist Schaltungen für den Betrieb mit Drehstrom verwendet. Thyristorsteller ermöglichen als Sanftanlaufgerät das Anlassen von Käfigläufer-Asynchronmotoren mit kontrollierten Anlaufströmen und Drehmomenten. Ebenfalls mit Thyristorstellern kann die Ausgangsspannung von Hochstrom-Gleichrichtern, etwa für die Galvanotechnik, oder von Hochspannungsgleichrichtern, etwa zur Versorgung von Elektrofiltern, geregelt werden. Der Thyristorsteller ist dabei auf der Primärseite des Transformators angeordnet während auf der Sekundärseite zur Gleichrichtung Leistungsdioden eingesetzt sind. Thyristorschalter für Wechselstrom und Drehstrom sind im Aufbau den Thyristorstellen gleich. Die Leistungssteuerung erfolgt hier aber nicht über Phasenanschnitt sondern über die Variation des Puls/Pausenverhälnisses. Thyristorschalter eignen sich daher nur für Lasten mit großer Zeitkonstante wie etwa Heizelemente.
Thyristorgleichrichter wurden zu Drehzahlsteuerung von Gleichstrommotoren eingesetzt. Aber auch in vielen modernen Frequenzumrichtern für den drehzahlvariablen Betrieb von Drehstrommotoren arbeiten Thyristoren im Eingangsgleichrichter, um eine kontrollierte Aufladung des Gleichspannungszwischenkreises zu ermöglichen.
Anlagen zum induktiven Härten mit Arbeitsfrequenzen von 5 kHz bis 20 kHz wurden früher mit Frequenzthyristoren aufgebaut. In dieser Anwendung wurden Thyristoren schon früh durch IGBTs abgelöst.
Hohe Leistung
Frequenzthyristoren hoher Leistung werden auch heute noch in lastgeführten Wechselrichtern im MW-Bereich eingesetzt. Beim Stromrichtermotor arbeitet ein lastgeführter Wechselrichter mit einer Synchronmaschine zusammen und ermöglicht so den drehzahlvariablen Betrieb von Turboverdichtern. Auch Anlagen zum Induktiven Schmelzen werden bei großer Leistung und Arbeitsfrequenzen bis 1 kHz nach wie vor noch mit Frequenzthyristoren ausgeführt.
Drehzahlvariable Antriebe großer Leistung am Drehstromnetz können bei niedriger Drehzahl auch mit Direktumrichtern ausgeführt werden. Hierbei werden mehrere Thyristorgleichrichter so verschaltet und gesteuert, dass ausgangsseitig ein Drehstromsystem mit Frequenzen bis 20 Hz entsteht.
Bei elektrischen Bahnen werden Pulswechselrichter mit Thyristoren sowohl in den Triebfahrzeugen als auch in stationären Anlagen eingesetzt. In Triebfahrzeugen ermöglicht der Pulswechselrichter den Einsatz des Käfigläufer-Asynchronmotors. Zusammen mit dem netzseitigen, ebenfalls als Pulsumrichter arbeitenden Stromrichter, hier als Vierquadrantensteller bezeichnet, ist damit beim Bremsen die Energierückspeisung ins Netz möglich. Die Stromrichter der ersten Drehstromlokomotiven Baureihe 120 bzw. Triebköpfe ICE 1 sind dabei noch mit Frequenzthyristoren und Löschkreisen ausgeführt, während in späteren Serien GTO-Thyristoren zum Einsatz gekommen sind. Inzwischen sind Thyristoren hier durch IGBTs weitgehend verdrängt. In stationären Anlagen werden Pulswechselrichter mit GTOs und IGCTs zur Kopplung des Bahnetzes mit dem Landesnetz eingesetzt.
Thyristorgleichrichter großer Leistung werden für die Aluminium- und Chlorelektrolyse verwendet.
In Anlagen der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung aber auch in Anlagen zur Blindleistungskompensation werden Thyristoren in der Energieübertragung und -verteilung eingesetzt.
Thyristoren haben steuerbare Quecksilberdampfgleichrichter wie Thyratrons, Ignitrons und Excitrons fast vollständig ersetzt.
Siehe auch
- Klemmschaltung (Stromversorgung) (Thyristor-Crowbar)
- Phasenanschnittsteuerung
Weblinks
- Thyristor - Relais auf elektronisch. In: dieelektronikerseite.de. Abgerufen am 29. Okt. 2008.
- Thyristor (rückwärtssperrende Thyristortriode). In: Elektronik-Kompendium. Abgerufen am 29. Okt. 2008.
- Thomas Schaerer: Thyristor-Crowbar: Mit der Brechstange gegen zuviel Spannung!. In: Elektronik-Kompendium. Abgerufen am 29. Okt. 2008.
Literatur
- Dierk Schröder: Leistungselektronische Schaltungen: Funktion, Auslegung und Anwendung. 2. Auflage. Auflage. Springer, Berlin 2008, ISBN 3-540-69300-9.
- Edward L. Owen: History – SCR is 50 Years Old. In: IEEE Industry Applications Magazine. 13, Nr. 6, 2007, S. 6-10 (doi:10.1109/MIA.2007.907204).
- Friedrich-Karl Hinze: Steuerbare Siliziumzellen der AEG. In: AEG-Mitteilungen. 53, Nr. 3/4, 1963.
- Konventionelle:
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