Frühe Ejakulation

Frühe Ejakulation

Der vorzeitige Samenerguss (lat. Ejaculatio praecox; auch vorzeitige Ejakulation) ist eine sexuelle Störung des Mannes, bei der dieser nicht in der Lage ist, den Zeitpunkt der Ejakulation beim Geschlechtsverkehr selbst zu steuern. Es handelt sich um die häufigste sexuelle Funktionsstörung bei Männern jeden Alters (Prävalenz: 25–40 %).

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Die Ejaculatio praecox ist gekennzeichnet durch eine frühzeitige Ejakulation während des Geschlechtsverkehrs oder anderer Stimulationen, im folgenden Text wird sie vor allem beim Geschlechtsverkehr mit einer Partnerin dargestellt. Dabei ist die Wahrnehmung der Ejaculatio praecox schwierig, da der Übergang in der Empfindung eines ungestörten und raschen Erlebens des Orgasmus und die Empfindung eines Orgasmus als vorzeitig fließend und individuell ist. Entsprechend schwierig ist es auch, eine genaue Abgrenzung des klinischen Bildes einer Ejaculatio praecox von einer normalen Ejakulationsfähigkeit zu finden und zu definieren. Eine weitere Schwierigkeit ist die Empfindung eines normalen Samenergusses als frühzeitig, wenn die Partnerin aufgrund langsamerer Reaktion ihren Orgasmus erst (viel) später erlebt.

Da die oben beschriebenen Schwierigkeiten bestehen, wird eine Diagnose der Ejaculatio praecox nur dann gestellt, wenn eine fehlende Kontrollierbarkeit des Orgasmus und damit der Ejakulation vorliegt oder wenn die Partnerin trotz normaler Orgasmusfähigkeit aufgrund der fehlenden Ejakulationskontrolle des Mannes nicht zum Orgasmus kommen kann.

Männer, die unter der Ejaculatio praecox leiden, beschreiben ihr eigenes Interesse an der Sexualität als normal bis stark ausgeprägt und haben im Normalfall keine Probleme mit der Erektionsfähigkeit. Der vorzeitige Samenerguss tritt bei ihnen meistens kurz nach der Einführung des Penis in die Vagina auf, oft jedoch auch bereits davor. Zu diesem Zeitpunkt ist bei ihnen bereits ein Erregungsniveau erreicht, in dem die Kontrolle der Ejakulation nicht mehr möglich ist. Die Betroffenen selbst empfinden allerdings häufig keine besonders stark ausgeprägte Erregung, sondern meistens eher eine allgemeine Aufgeregtheit und Anspannung.

Klinische Einordnung

Im Allgemeinen wird die Ejaculatio praecox zu den Ejakulationsstörungen des Mannes gezählt. Diese Einordnung ist allerdings nach Ansicht verschiedener Sexualmediziner kritisch, da es sich hierbei nicht um eine gestörte Ejakulation handelt, sondern nur um eine vorzeitige. Wie der verzögerte Orgasmus und die Anorgasmie wird sie entsprechend in der neueren Literatur den Orgasmusstörungen zugeordnet. In der ICD-Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird sie unter der Ziffer F52.4 geführt, die DSM-Klassifikation listet sie unter der Ziffer 302.75.

Geschichte

Die erste Beschreibung der Ejaculatio praecox erschien 1917 in der Internationalen Zeitschrift für Psychoanalyse. Dort schrieb Karl Abraham unter dem einfachen Titel „Über Ejaculatio praecox“. In das öffentliche Blickfeld rückte sie jedoch erst in den 1970er und frühen 1980er Jahren, in denen eine große Anzahl von Studien, Beschreibungen, Diagnose- und Ursachenmodellen sowie Therapievorschlägen veröffentlicht wurden.

Epidemiologie

Die Ejaculatio praecox stellt unter den sexuellen Störungen eines der häufigsten Probleme überhaupt dar. So wurde sie bei einer Befragung von Allgemeinärzten nach der erektilen Dysfunktion sowohl für 1980 als auch für 1990 als sexuelles Problem bei Männern an zweiter Stelle genannt. In der Gesamtlistung erreichte sie dabei den Rang neun 1980 und den Rang zehn 1990 aller als sexuelle Störungen angegebenen Probleme (nach Buddeberg 1996).

Insgesamt geben etwa 20 Prozent aller Männer an, unter der Ejaculatio praecox zu leiden. Bei nichtklinischen Stichproben unter amerikanischen Männern wurden allerdings auch Zahlen zwischen 25 Prozent und 40 Prozent erreicht. Diese Daten legen die Vermutung nahe, dass die Ejaculatio praecox mit Abstand die häufigste sexuelle Störung des Mannes darstellt. In Beratungsstellen oder ärztlichen Praxen klagen dagegen nur etwa 20 Prozent der Ratsuchenden über Ejaculatio praecox, über 60 Prozent der Männer suchen hier eine Behandlung für die erektile Dysfunktion.

Die Diskrepanz zwischen der Anzahl der betroffenen Männer und der Anzahl der Männer, die Hilfe suchen, lässt sich wahrscheinlich vor allem mit der Scheu der Betroffenen erklären, ein solch intimes Problem preiszugeben. Die meisten Betroffenen haben außerdem gemeinsam mit ihrer Partnerin einen Weg gefunden, wie der vorzeitige Samenerguss weniger Probleme bereitet. Dabei gibt es Paare, bei denen die rasche Ejakulation nicht als Problem empfunden wird, sowie solche, bei denen die Frauen die Schnelligkeit sogar als angenehm empfinden, da sie selbst nur sehr wenig Interesse an sexuellen Begegnungen haben. Besonders Männer mit sexuell anspruchsvolleren Partnerinnen erscheinen dagegen in der Beratung oder beim Arzt.

Ursachen

Die Ursachen der Ejaculatio praecox sind aktuell noch nicht vollständig geklärt. Aktuelle Erklärungsmodelle entstammen vor allem der klinischen Praxis im Umgang mit Betroffenen, theoriegeleitete Studien sind dagegen selten und werden kontrovers diskutiert.

Einig ist man sich darüber, dass es sich bei Ejaculatio praecox in den allermeisten Fällen um ein psychologisches oder kognitives Problem handelt. Zu den favorisierten Erklärungsansätzen gehören folgende:

  1. Lange Zeit basierte das populärste Erklärungsmodell auf einer mangelnden Erlernung der Orgasmuskontrolle durch die betroffenen Männer. Grundlage hierfür ist die Annahme, dass diese Kontrolle erst erlernt werden muss und dass dies beim Heranwachsenden mit fortschreitenden sexuellen Erfahrungen stetig geschieht. Bei Personen mit regelmäßigem vorzeitigem Orgasmus soll der notwendige Lernprozess noch nicht abgeschlossen sein. In der klinischen Arbeit hat sich allerdings herausgestellt, dass dies nicht der Hauptgrund für die Störung sein kann.
  2. Eine weitere Theorie geht von einer Konditionierung der Patienten durch „negative Erfahrung“ aus, die sich vor allem durch schnelle sexuelle Kontakte sowie ungünstige Umgebungsbedingungen beim Geschlechtsverkehr entwickelt haben soll. Wie die Theorie mit der mangelnden Erfahrung hat sich jedoch auch dieses Modell in der Praxis als nicht zutreffend erwiesen.
  3. Eine der favorisierten Theorien ist die, dass eine ängstliche Anspannung der Betroffenen beim Geschlechtsverkehr den vorzeitigen Orgasmus bedingt. Als Ursache wird die Angst zwar noch diskutiert, man geht jedoch mittlerweile davon aus, dass sie die fehlende Kontrollfähigkeit bedingt.
  4. Ein weiteres Modell erklärt die vorzeitige Ejakulation durch eine unzureichende Wahrnehmung der Erregung durch die Betroffenen. Diese merken nach diesem Ansatz gar nicht, dass sie sich bereits auf einem hohen Erregungsniveau befinden und versuchen aus dem Grunde auch nicht, die Ejakulation zu kontrollieren. An diesem Punkt setzen die meisten Therapien (siehe Squeeze-Methode, Stopp-Start-Methode) an.

Neben diesen Erklärungsmodellen auf der Basis der Kognition gibt es auch Versuche, Fälle von Ejaculatio praecox auf der Basis der Tiefenpsychologie zu erklären. Hier werden zum Beispiel unterdrückte Triebe im Sinne einer prägenitalen Strebung der Urethralerotik angenommen. Auch grundsätzliche Feindseligkeiten gegenüber der Frau, basierend auf einem gestörten Mutter-Kind-Verhältnis, werden als Erklärung in Betracht gezogen.

Stress und Probleme in der Paarbeziehung stellen einen weiteren Komplex der Ursachenmodelle dar. So ist nachgewiesen, dass sich Streit und Stress mit der Partnerin bei fast allen Betroffenen finden lassen, und es gilt auch als gesichert, dass diese Konflikte die sexuelle Störung dahingehend beeinflussen, dass sie anhaltend ist. Eine ursächliche Wirkung dieser Art von Problemen konnte allerdings bislang nicht nachgewiesen werden.

Organische Ursachen spielen bei einer geringen Anzahl Betroffener ebenfalls eine Rolle. Sie sind bei einem dauerhaften Problem mit Ejaculatio praecox bislang noch nie als Ursache beschrieben worden, bei akuten Problemen sind sie jedoch als Teilfaktor denkbar. In diesem Kontext sind besonders schmerzhafte Entzündungen des Urogenitaltraktes, Tumorerkrankungen oder Ähnliches zu nennen.

Neuere Forschungen deuten darauf hin, dass eine gesteigerte Sekretion der Geschlechtsdrüsen, deren Ursache unbekannt ist, zu einer überhöhten, „drückenden“ Samenmenge führt, die Ejaculatio praecox zur Folge hat. Häufiger Geschlechtsverkehr über einen längeren Zeitraum hinweg mindert den Druck und ermöglicht so nach und nach einen normalen Verkehr.

Diagnostik

Überblick

Aufgrund der bereits angesprochenen Probleme, die Ursache der Störung genau zu erfassen, ist Diagnostik entsprechend schwierig. Für die klinische Praxis wurden aufgrund qualitativer sowie quantitativer Merkmale diagnostische Maßstäbe entwickelt, vollständig durchgesetzt haben sich bisher keine.

Quantitative und qualitative Diagnose

Zu den quantitativen also messbaren Merkmalen gehören etwa die Dauer, die zwischen dem Einführen des Penis und der Ejakulation vergeht. Liegt diese regelmäßig unter zwei Minuten, so ist dies nach diesem Modell ein Zeichen für einen vorzeitigen Orgasmus. Eine alternative Diagnostik erfolgt über die Anzahl der Beckenbewegungen, die nicht unter sieben liegen sollte.

Heute wird eine Ejaculatio praecox vor allem dann diagnostiziert, wenn der Patient die Frage nach der willentlichen Kontrolle der Ejakulation verneint und die Partnerin beim Geschlechtsverkehr seltener als jedes zweite Mal zum Orgasmus kommt. Diese Diagnose ist also vor allem von den qualitativen Aussagen des Mannes abhängig. Nach Sigusch 1979 (zitiert nach Hanel 2003) handelt es sich entsprechend um eine Ejaculatio praecox, wenn

  • der Ejakulationsablauf willkürlich vollkommen unkontrollierbar ist oder vom Mann so erlebt wird
  • die Partnerin eindeutig aufgrund der herabgesetzten bzw. fehlenden Ejakulationskontrolle des Mannes bei eigener unauffälliger sexueller Reagibilität und vorhandener Orgasmusfähigkeit keine Möglichkeit hat, durch koitale bzw. quasikoitale Praktiken den sexuellen Höhepunkt zu erreichen.

Dabei wird allerdings auch vorausgesetzt, dass dieser Zustand dauerhaft besteht und nicht etwa nur bei längerer Abstinenz oder einer neuen Partnerin auftritt.

Formen der Ejaculatio praecox

Es werden zwei Formen der Ejaculatio praecox unterschieden. Bei der primären Form handelt es sich um einen chronischen Fall, bei dem der Mann bereits seit seinen ersten sexuellen Erfahrungen mit diesem Problem lebt. Dabei kann die Kontrolle auch bei der Masturbation eingeschränkt sein, bei der Mehrheit der Betroffenen beschränkt sich das Problem jedoch allein auf den Geschlechtsverkehr mit einer Partnerin. Bei der primären Form kann es außerdem mit der Zeit zu einer fortschreitenden Erektionsstörung kommen, die mit Versagensängsten und Resignation erklärt wird.

Die sekundäre Form der Ejaculatio praecox tritt erst später ein, vor allem in einem höheren Lebensalter. Sie kann ebenfalls mit einer fortschreitenden Erektionsstörung gekoppelt sein oder es sind organische Ursachen erkennbar. Im letzteren Fall ist der frühzeitige Samenerguss häufig nur eine akute Begleiterscheinung einer Erkrankung, etwa einer Entzündung der Prostata oder der Harnröhre.

Anamnese und Differentialdiagnostik

Wegen der schwierigen Erfassung der Ejaculatio praecox ist eine genaue und gründliche Abklärung der Hintergründe (Anamnese) sowie eine Abgrenzung gegenüber anderen möglichen Störungen (Differentialdiagnostik) notwendig.

Die Anamnese umfasst dabei vor allem eine Befragung nach den sexuellen Vorlieben, Eigenschaften und Problemen des Patienten sowie zu seinem allgemeinen Gesundheitszustand und den genauen Umständen des Ejakulationsprozesses. Je nach Möglichkeit sollte diese Befragung auch gemeinsam mit der Partnerin erfolgen. Auch eine Klärung der sozialen Hintergründe, persönlichen sexuellen Tabus oder die Frage nach sozialen Freizeitbeschäftigungen kann Hinweise auf die Ursachen der Ejaculatio praecox geben.

Neben der Befragung fällt auch einer medizinischen Untersuchung eine wichtige Rolle der Anamnese zu. Zum einen können auf diese Weise tatsächlich vorhandene medizinische Gründe festgestellt oder ausgeschlossen werden, zum anderen bieten sie dem untersuchten Mann die Sicherheit, dass seine Beschwerden ernst genommen werden. Der Patient entwickelt in der Regel selbst eine somatische Erklärung, die ausgeschlossen werden muss, damit eine Therapie Erfolg haben kann.

Eine Differentialdiagnose ist erforderlich, um andere Gründe für die frühzeitige Ejakulation auszuschließen. So müssen von der Ejaculatio praecox vor allem unterschieden werden:

  • Die Ejaculatio diurana spontana, also die spontane Ejakulation im Wachzustand ohne besondere Reizung. Diese ist besonders bei Jugendlichen während der Pubertät häufig.
  • Präejakulative Sekretion, also der Austritt von Sekret aus dem Penis, bevor es zur eigentlichen Ejakulation kommt.
  • Spermatorrhö, der unkontrollierte Ausfluss von Sperma aus dem Penis. Dies kann vor allem bei älteren Männern auftreten.
  • Ejakulationen, die allein durch die Phantasie des Mannes induziert werden.

Therapie

Überblick

Im Zentrum der Behandlung stehen - vor einer evtl. medikamentösen Therapie - folgende Punkte:

  • Miteinbeziehen der Partnerin (das ernsthafte Auseinandersetzen mit der „Störung“ und das gemeinsame Herangehen an das Problem führt in einigen Fällen bereits zum Erfolg und unterstützt alle weiteren Maßnahmen positiv)
  • Erfolgsdruck minimieren (erster Schritt: Sex ohne Geschlechtsverkehr)
  • Junge Männer: teilweise deutlich verzögerte Ejakulation nach vorangegangener "präventiver" Ejaculation. Diese "vorbeugende" Maßnahme ist zumindest bei unter 50-jährigen Männern einer pharmakologischen Therapie (z.B. mit SSRI's [das sind ganz bestimmte moderne nebenwirkungsarme Antidepressiva] oder mit Lokalanästhetika) vorzuziehen.

Für die meisten Fälle von Ejaculatio praecox kommt als Sexualtherapie vor allem eine Sensibilisierung für den Ejakulationszeitpunkt in Frage. Über verschiedene Techniken sollen die betroffenen Männer lernen, den Prozess bis zu dem Zeitpunkt, der als „Point of no return“ bekannt ist, wahrzunehmen und ihn zu beeinflussen. Vor allem die Squeeze- und die Stopp-Start-Methode nach Masters und Johnson haben sich in der Behandlung bewährt, auch diese sind allerdings nicht unumstritten.

Squeeze-Methode

Bei der Squeeze-Methode soll der Mann zuerst über ein Sensualitätstraining seine Erregung bewusster wahrnehmen. Danach erlernt er, den Zeitpunkt der ungewollten Ejakulation genauer wahrzunehmen und in einem weiteren Schritt zu beeinflussen. Im optimalen Fall wird diese Methode in der Paartherapie eingesetzt, das bedeutet, dass die Frau dem Mann bei der Erfahrung hilft. Bei all den Techniken darf die Frau natürlich nicht nur als Werkzeug dienen, der Mann sollte im Gegenteil eine besondere Aufmerksamkeit auch auf die Erfüllung ihrer sexuellen Wünsche legen.

In einem ersten Schritt wird der Mann durch die Frau in einem Petting stimuliert, so dass eine Erektion zustande kommt. Nun wird der Penis weiter zärtlich gestreichelt und massiert, bis der Mann das Gefühl hat, dass eine Ejakulation bevorsteht. Durch einen Druck über mehrere Sekunden wird der Penis nun von der Frau oder dem Mann mit den Fingern „gequetscht“, wodurch der Ejakulationsdrang nachlässt. Nach etwa 20 Sekunden erfolgt eine erneute Stimulation. Insgesamt sollten sich Stimulation und Squeeze-Technik über einen Zeitraum von etwa 20 Minuten abwechseln.

Wenn der Mann anhand der Squeeze-Technik gelernt hat, über den Zeitpunkt der Ejakulation Kontrolle zu erlangen, sollte diese durch eine passive Einführung in die Vagina der Frau weitergeführt werden. Zu diesem Zweck hockt sich die Frau über den Mann und führt den erigierten Penis in ihre Vagina ein, ohne durch Beckenbewegung eine gesteigerte Erregung zu bewirken. Kommt es auch hier zu einem Ejakulationsbedürfnis, wendet die Frau auf den Hinweis des Mannes erneut die Squeeze-Technik an. Danach führt sie den Penis wieder ein und der Vorgang beginnt von neuem und kann bei zunehmenden Fortschritten auch von Beckenbewegungen durch ihn weitergeführt werden. Gelingt es ihm auch hier nicht, seine Ejakulation zu kontrollieren, sollte in einer letzten Phase der Geschlechtsverkehr in seitlicher Lage ausgeführt werden, da hier die besten Möglichkeiten zur Reaktion auf die Erregung bestehen.

Stopp-Start-Methode

Für viele Männer ist die Stopp-Start-Methode besser geeignet als das Squeezen, da es der "normalen" Stimulation beim Geschlechtsverkehr deutlich ähnlicher ist. Auch hierbei soll gelernt werden, die eigene Erregung besser wahrzunehmen. In einem ersten Schritt masturbiert der Mann alleine (also ohne Erfolgsdruck durch die Partnerin) und stoppt die Masturbation jeweils kurz vor der kritischen Schwelle, dem "Point of no return". Dieses Stoppen und Starten wiederholt er über einen Zeitraum von etwa 15 Minuten. Sobald er sich dabei einigermaßen sicher fühlt, kann er in einer zweiten Stufe den Geschlechtsverkehr mit einbauen: Der Mann sollte dann der Frau bei einem erhöhten Ejakulationsdrang zu verstehen geben, dass eine weitere Stimulation unterbleiben soll (Stopp-Signal), bis er wieder auf einem deutlich niedrigeren Erregungslevel ist. Oft wird als Brücke zwischen den beiden Stufen auch empfohlen, die Onaniertechnik vor dem Point of no return zu variieren (z.B. andere Hand nehmen, anderen Rhythmus etc.) und so die Stimulation über einen noch längeren Zeitraum durchzuhalten (Dieme 2003, Pfreunder 2005). Erst danach sollte man zum echten Geschlechtsverkehr übergehen. Durch diese Zweistufigkeit können in der Regel sehr gute Erfolge erzielt werden.

Medikamentöse Behandlung

In Fällen, in denen eine Psychotherapie ebenso wie eine Paartherapie erfolglos sind, können auch Medikamente eingesetzt werden, die den Orgasmus verzögern sollen. Als Mittel stehen in diesen Fällen lokale Betäubungsmittel, Psychopharmaka sowie Medikamente mit ejakulationshemmenden Nebenwirkungen zur Verfügung.

Als lokale Betäubungsmittel (Lokalanästhetika) wirken verschiedene Sprays und Salben, die die Erregbarkeit des Penis herabsetzen sollen. Als Wirkstoffe werden dabei etwa Lidocain oder Prilocain genutzt. In der Praxis gibt es mit diesen Mitteln Erfolge, bei denen Patienten nach der Anwendung von einer Orgasmusverzögerung von bis zu acht Minuten berichteten. Problematisch hierbei sind allerdings alle Orgasmusreize, die nicht von der direkten Stimulation des Penis ausgehen und entsprechend im Gehirn verarbeitet werden. Der Ejakulationsreiz bleibt entsprechend unvermindert bestehen. Auch dauert eine Anwendung in der Regel etwa 20 Minuten bis zur Wirkung des Mittels und kann im Verlauf des Geschlechtsverkehrs oder in der Folge auch die Genitalien der Partnerin betäuben. Um diesen Nachteil zu vermeiden, haben Hersteller von Kondomen Produkte entwickelt, die das Betäubungsmittel auf der Innenseite des Kondoms tragen. Somit kann erreicht werden, dass nur der Kondomträger im Empfindungsvermögen eingeschränkt wird, die Partnerin den Sex jedoch unbeeinträchtigt empfinden kann.

Psychopharmaka, also Medikamente, die direkt auf die Gehirnaktivität wirken, stellen zum Beispiel Thioridazin, Clomipramin und selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) dar. Ursprünglich fielen bei dieser Substanzgruppe eine verminderte Libido und Erregbarkeit als Nebenwirkungen auf - Effekte, die man teilweise erfolgreich in der Therapie der Ejaculatio praecox einsetzen konnte. Weitere Nebenwirkungen wie z.B. Übelkeit und Kopfweh kommen bei dieser Therapie häufig hinzu. Nachteilig sind neben dem hohen Preis auch die bisher lange Halbwertszeit und damit verbunden schlechte Flexibilität in der Dosierung. In Zukunft kommen wohl kurz wirksame SSRI zum Einsatz: Der neue Wirkstoff Dapoxetin ist bereits in der Erprobungsphase.

Weitere Medikamente, die nachgewiesenermaßen als Nebenwirkung die Ejakulationsmöglichkeiten hemmen: verschiedene Alphablocker wie Phenoxybenzamin, Betablocker und trizyklische Antidepressiva wie Clomipramin. Die Verzögerung des Orgasmus beträgt bei diesen Präparaten etwa fünf Minuten, allerdings müssen sie zwei bis sechs Stunden vor dem erwarteten Geschlechtsverkehr eingenommen werden.

Bei allen Formen der medikamentösen Behandlung bleibt eine Heilung der Ejaculatio praecox allerdings aus, das Problem besteht nach dem Absetzen der Medikamente weiterhin. Hinzu kommen mögliche negative Nebenwirkungen der Präparate, weshalb eine medikamentöse Behandlung erst als letztes Mittel eingesetzt werden sollte.

Auch wenn der Ejaculatio praecox eine organische Störung zugrundeliegen könnte, spielt eine psychische Komponente sicher eine zentrale Rolle; durch medikamentöse Ansätze wird zwar primär das Symptom als solches behandelt, durch den Wegfall der psychischen Komponente (Unsicherheit, Stress) kann dadurch aber langfristig mit einer Heilung gerechnet werden.

Literatur

  • Jan Aalstedt: Hilfe, ich komme zu früh! Informationen, Übungen und Techniken zur Selbsthilfe bei vorzeitigem Samenerguss. Book on Demand, Norderstedt 2006, ISBN 3-8334-4764-8
  • Klaus M. Beier, Hartmut A. G. Bisinski, Uwe Hartmann, Kuert Loewit: Sexualmedizin. Urban & Fischer Verlag, München 2001, ISBN 3-437-51086-X
  • Claus Buddeberg: Sexualberatung. Enke Verlag, Stuttgart 1996, 2005, ISBN 3-432-93603-6
  • Carsten Dieme: Vorzeitiger Samenerguss. Stillwasser Verlag, Bielefeld 2003, ISBN 3-9808696-0-1
  • Michael J. Hanel: Ejaculatio praecox - Therapiemanual. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-13-136712-1
  • Götz Kockott, Eva-Maria Fahrner (Hrsg): Sexualstörungen. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 3-13-128211-8
  • Michael Pfreunder: 3-Stufen-Programm gegen vorzeitigen Samenerguss. Integrative Weiterbildung, Stuttgart 1997, 2005, ISBN 3-00-001597-3
  • Volkmar Sigusch (Hrsg): Sexuelle Störungen und ihre Behandlung. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 4. erweiterte und aktualisierte Auflage 2007, ISBN 3-13-103944-2

Weblinks

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