Alcide de Gasperi

Alcide de Gasperi

Alcide De Gasperi oder eigentlich Degasperi (* 3. April 1881 in Pieve Tesino bei Trient, damals Österreich-Ungarn; † 19. August 1954 in Sella di Valsugana, Italien) war ein italienischer Staatsmann und Politiker. Er gilt als einer der Gründerväter der Europäischen Gemeinschaften.

Alcide De Gasperi (westdeutsche Briefmarke, 1968)

Alcide De Gasperi studierte in Wien Philosophie und Literatur, wo er eine wichtige Rolle in der christlichen Studentenbewegung innehatte. Der junge De Gasperi setzte sich besonders für die Errichtung einer italienischen Fakultät der Rechtswissenschaften (ein wichtiges Anliegen der Trentiner Studenten) ein, wofür er kurz inhaftiert wurde. 1905 fing er an, als Redakteur der Zeitung Il Trentino zu arbeiten, und nach kurzer Zeit wurde er Direktor. In seiner Zeitung nahm er oft Stellung zugunsten einer finanziellen Autonomie für Welschtirol und zur Verteidigung der italienischen Kultur in Trentino, in Gegensatz zu den Germanisierungsplänen der radikalsten deutschen Nationalisten Tirols. Er stellte aber die Zugehörigkeit vom Trentino zum Österreich-Ungarn nie in Frage, und behauptete, dass im Fall einer Volksabstimmung, 90 % der Trentiner hätten für den Kaiser gewählt. 1911 wurde er Abgeordneter der christlichsozialen Partei im österreichischen Reichsrat. In seinem Wahlkreis (Fiemme-Fassa-Primiero-Civizzano) erhielt er 3116 Stimmen auf 4275 Wähler. 1914 wurde er auch im Tiroler Landtag gewählt. Auch seine politische Tätigkeit in Österreich war auf die Erlangung einer Autonomie für Trentino ausgerichtet. Dennoch traf er sich im März 1915 im Auftrag des nationalistisch-italienischen Bischofs Celestino Endrizzi von Trient mit dem italienischen Außenminister Sidney Sonnino, um Privilegien für die katholische Kirche des Trentino für den Fall einer Annexion an Italien auszuhandeln. Nach Ende des Ersten Weltkrieges fiel Südtirol infolge der Pariser Friedenskonferenz und des Vertrags von Saint-Germain an Italien. De Gasperi war in der Folge einer der Mitbegründer des Partito Popolare Italiano (Italienische Volkspartei; PPI), ab 1921 dessen Abgeordneter, später Fraktionsführer. Er war einer der engsten Mitarbeiter von Luigi Sturzo, dem er 1923 als Generalsekretär der PPI folgte. De Gasperi befürwortete im Gegensatz zu Sturzo aber eine Regierungsbeteiligung der Partei und ab 1922 eine Zusammenarbeit mit Mussolini.

Nach der Ermordung Giacomo Matteottis nahm De Gasperi wieder eine entschiedene Oppositionsposition ein. In der faschistischen Diktatur verbüßte er ab dem Mai 1927 eine 16-monatige Haft. Nach der Entlassung 1929 arbeitete er in der Bibliothek des Vatikan, von wo aus er während des Zweiten Weltkrieges die Gründung der zunächst illegalen Democrazia Cristiana organisierte.

Ab 1944 war er Außenminister der postfaschistischen Allparteienregierungen unter Bonomi und Parri, bevor er 1945 selbst Ministerpräsident einer entsprechenden Regierung wurde. Am 2. Juni 1946 entschieden sich die Italiener in einer von De Gasperi angeregten Volksabstimmung für die Republik als Staatsform, woraufhin De Gasperi kurzzeitig provisorisches Staatsoberhaupt wurde. Er nahm an der Pariser Friedenskonferenz teil und unterzeichnete im September das für die Autonomie Südtirols wichtige Gruber-De-Gasperi-Abkommen. Nach dem Bruch mit PCI und PSI (1947) führte De Gasperi bis 1953 als Premierminister sieben wechselnde Koalitionsregierungen der DC mit dem PLI, PRI sowie der Vorläuferpartei des PSDI. Außenpolitisch setzte er sich für die Westintegration Italiens, unter anderem mit dem Nato-Beitritt, sowie für Zusammenarbeit und Verständigung ein. Alcide De Gasperi war gemeinsam mit Robert Schuman und Konrad Adenauer aktiv am Aufbau der Montanunion beteiligt.

De Gasperis Grab (San Lorenzo fuori le mura, Rom)

Am 24. September 1952 wurde ihm „in Anerkennung seiner steten Förderung der europäischen Einigung“ der internationale Karlspreis zu Aachen verliehen.
Am 11. Mai 1954 wurde er zum Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung der EGKS, dem Vorläufer des Europäischen Parlamentes, gewählt. Drei Monate später verstarb er.

Literatur

  • Adolf Kohler: Alcide de Gasperi, 1881-1954, Christ, Staatsmann, Europäer. Europa-Union-Verlag, Bonn 1979, ISBN 3-7713-0116-5
  • Pietro Scoppola: La proposta politica di De Gasperi. Il Mulino, Bologna 1977.
  • Giulio Andreotti: De Gasperi visto da vicino. Rizzoli, Milano 1986.
  • Nico Perrone: De Gasperi e l'America. Sellerio, Palermo 1995.
  • Völkl, Michael: Das Deutschenbild Alcide De Gasperis (1881-1954). Ein Beitrag zur italienischen Deutschenwahrnehmung, Diss. phil. München 2004, erschienen als elektronisches Dokument unter http://edoc.ub.uni-muenchen.de/2449/1/Voelkl_Michael.pdf.

Weblinks

Vorgänger Amt Nachfolger
Ferruccio Parri Ministerpräsident von Italien
19451953
Giuseppe Pella

-
Carlo Sforza
Italienischer Außenminister
1946
19511953

Pietro Nenni
Giuseppe Pella



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