Ganczarski

Ganczarski

M. Christian Ganczarski (* 1966 in Gliwice, Polen) ist ein wegen Beihilfe zum Anschlag auf die Al-Ghriba-Synagoge auf Djerba und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilter Konvertit.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Er kam als Neunjähriger mit seinen Eltern nach Deutschland, wo er deutscher Staatsangehöriger wurde. Aufgewachsen ist er in Mülheim an der Ruhr. Er beendete die Hauptschule nach der 7. Klasse. 1986 trat er zum Islam über und war fortan in einer Mülheimer Moschee aktiv. Moslemische Freunde nennen ihn auch Abu Ibrahim. Er machte eine Ausbildung zum Schmelzschweißer und Emaillierer. Über den Abschluss gibt es in der Presse widersprüchliche Aussagen: von vorzeitig abgebrochen bis als Bester seines Jahrgangs abgeschlossen. 1990 heiratete er eine ebenfalls zum Islam übergetretene Deutsche.

1991 bot Dr. Nadeem Elyas, seinerzeit Mitglied im Vorstand der Aachener Bilal-Moschee, ihm ein „Stipendium“ für ein Studium des Islam an der „Universität für islamische Wissenschaften“ im saudischen Medina. Ganczarskis späteren Aussage der Polizei gegenüber, scheint es Anfang der 1990er Jahre eine groß angelegte Rekrutierungsaktion durch islamische Gelehrte in europäischen Ländern gegeben zu haben. Nichtarabische Konvertiten sollten an der Universität ausgebildet werden und den Islam vermittelt bekommen, um später in ihren Heimatländern den Islam für nichtarabische Muslime zu unterrichten. 1992 nahm er das für ihn attraktive Angebot an und ging mit seiner Familie nach Medina. Einen Schul- oder Ausbildungsabschluss erlangte er nicht. Später hatte er laut Generalbundesanwalt Kay Nehm Zugang zum inneren Führungskreis der al-Qaida erhalten.

Rückkehr

Nach zwei Jahren musste er mit Frau und Kindern Saudi-Arabien wieder verlassen, weil seine Wohltäter den Aufenthalt nicht länger finanzieren wollten. Die Familie kehrte nach Mülheim zurück. In Deutschland konnte er sich nur schwer wieder zurecht finden. In den 1990er Jahren zog es ihn mehrfach nach Tschetschenien, Afghanistan und Pakistan. Seinen Lebensunterhalt soll er damals angeblich mit dem Schmuggel von Edelsteinen verdient haben. In den späten 1990ern wurde er in Duisburg öfter mit Mohambedou Ould Slahi, der über seine Frau mit bin Laden verwandt ist, gesehen. Juli 2001 soll er in einem Gästehaus in den afghanischen Bergen Nizar Nawar kennengelernt haben. 2002 war Ganczarski arbeitslos und lebte mal in Mülheim, mal in Essen, mal in Duisburg. Wegen seiner radikalen Ansichten überwachte ihn seit längerem der Verfassungsschutz und ließ das Telefon abhören.

Attentat

Am 11. April 2002 gegen 7.30 Uhr erhielt Ganczarski einen Anruf von der tunesischen Insel Djerba, von einem Nizar Nawar. Nach Angaben der Presse wurde das Gespräch übersetzt mit: N.: „Vergiss nicht, mich in deinen Gebeten zu bedenken.“ G.: „So Gott will, brauchst du irgendetwas?“ N.: „Nein, danke, ich brauche nur deinen Segen.“ G.: „So Gott will.“ Nawar soll dieses Gespräch entweder von einem Mobiltelefon oder einem Satellitentelefon geführt haben.

Kurze Zeit später, gegen 8.00 Uhr explodierte ein Transporter vor der Al-Ghriba-Synagoge auf Djerba, wobei auch deutsche Urlauber starben. Ob der Transporter mit Kerosin, Benzin oder 5.000 Liter Flüssiggas gefüllt war ist noch unklar. Normalerweise wurde in dem Laster Wasser transportiert. Den wohl verbrannten Fahrer identifizierte man als Nizar Nawar.

Ganczarski wurde daraufhin von der Polizei vernommen. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung soll die Telefonnummer von Mounir El Motassadeq gefunden worden sein. Trotz seiner Aussage mussten die Ermittler Ganczarski am nächsten Tag wieder laufen lassen. Laut StGB § 129a ist zwar die Bildung einer terroristischen Vereinigung sowie die Mitgliedschaft in dieser verboten, doch das bezog sich ausschließlich auf inländische, nicht auf ausländische Terrorganisationen. Am 26. April verabschiedet der Bundestag den entsprechenden Nachtragsparagrafen 129b. Doch das neue Gesetz gilt nicht rückwirkend und die deutschen Behörden hatten keine rechtliche Handhabe. Eine Abhörwanze, die er später in seinem Auto fand, ging kaputt.

Er kündigte in aller Ruhe seine Wohnung, besorgte sich Visa für Saudi-Arabien und nahm die Kinder von der Schule. Im November 2002 konnte Ganczarski, da dem Bundesgerichtshof die gegen ihn vorliegenden Verdachtsmomente für eine Beteiligung an dem Anschlag auf Djerba nicht für einen Haftbefehl ausreichten, ungehindert mit seiner Familie nach Saudi-Arabien ausreisen. Die ermittelnden Behörden in Tunesien und Frankreich waren entsetzt und die US-Öffentlichkeit schockiert.

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Die amerikanischen Regierung nahm den Umweg über die Alliance Base bei Paris. Deutsche Gesetze spielen hier keine Rolle.

Festnahmen

2003 wurde seine Wohnung in Mülheim vom BKA durchsucht. Im April 2003 wurde er in Riad festgenommen und im Mai wieder auf freien Fuß gesetzt. Kurz darauf wurde er (lt. Times auf Veranlassung des CIA) wieder inhaftiert wegen Ablauf seines saudischen Pilgervisums und am 3. Juni 2003 aus Saudi-Arabien ausgewiesen. Auf dem Rückflug nach Deutschland, bei der Zwischenlandung in Paris auf dem Flughafen Paris-Charles de Gaulle wurde er zusammen mit seiner Familie im Juni 2003 festgenommen. Während Frau und vier Kinder wieder auf freiem Fuß sind, sitzt Ganczarski in der Haftanstalt Fresnes.

Zwei Tage vor ihm war auf dem Pariser Flughafen der Marokkaner Karim Mehdi aus Duisburg, der seit Ende der 1990er in Deutschland lebt, festgenommen worden. Er war auf dem Flug von Deutschland über Paris zur französischen Insel Réunion. Seine Telefonnummer war in Ganczarskis Telefonbuch gefunden worden. Karim Mehdi soll gestanden haben, Ganczarski sei einer der Organisatoren und Geldgeber eines Anschlags, der auf der französischen Insel La Réunion mit einer Autobombe verübt werden sollte. Mehdi ist Oktober 2006 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu neun Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Laut einem Bericht des Spiegel hatte der 2003 in Pakistan verhaftete mutmaßliche El-Quaida-Kommandant Khalid Scheich Mohammed ausgesagt, Ganczarski habe enge Kontakte zu Terroristenführer Osama bin Laden gepflegt und als Kurier zwischen Bin Laden und Sheikh Mohammad fungiert.

Verfahren

Frankreichs oberster Terror-Ermittler Jean-Louis Bruguière, Fahnder und Richter in einem, wollte Ganczarski bereits Mitte 2006 vor Gericht stellen. Anfang Februar 2009 wurde bekannt, dass ihm der Prozess gemacht werden soll, weil er Grünes Licht für die Explosion vor der Synagoge auf Djerba gegeben habe. Der Pariser Staatsanwalt fordert 30 Jahre. Für den Bruder von Nizar Nawar forderte die Generalstaatsanwaltschaft 15 Jahre Haft.

Am 5. Februar 2009 wurde Ganczarski zu 18 Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt. Walid Nawar wurde zu 12 Jahren Haft verurteilt.

Quellen


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