Alenkastell Weißenburg

Alenkastell Weißenburg
Kastell Weißenburg
Alternativname Biriciana
ORL 72
Limesabschnitt Rätischer Limes,
Strecke 14
Datierung (Belegung) um 90 n. Chr.
bis gegen 253 n. Chr.
Typ Alenkastell
Einheit Ala I Hispanorum Auriana
Größe a) 2,8 ha
b) 3,1 ha
Bauweise a) Holz-Erde-Kastell
b) Steinkastell
Erhaltungszustand teilrekonstruiert
Ort Weißenburg in Bayern
Geographische Lage 49° 1′ 51″ N, 10° 57′ 45″ O49.03083333333310.9625415Koordinaten: 49° 1′ 51″ N, 10° 57′ 45″ O
Höhe 415 m ü. NHN
Vorhergehend ORL 71a Kastell Theilenhofen (westlich),
Kastell Ellingen (nördlich)
Anschließend Kastell Oberhochstatt,
ORL 73 Kastell Pfünz (östlich)

Das Kastell Weißenburg, in der Antike Biriciana genannt, ist ein ehemaliges römisches Alen-Kastell, das nahe am Obergermanisch-Rätischen Limes, einem UNESCO-Weltkulturerbe, errichtet wurde und im Stadtgebiet von Weißenburg im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen in Bayern liegt.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Kastell Weißenburg befindet sich am westlichen Rande der Stadt in einem nicht überbauten Areal, das als archäologische Schutzzone ausgewiesen ist. Es liegt dort auf einer leichten Bodenwelle oberhalb der Schwäbischen Rezat in einer Entfernung von etwa fünfeinhalb Kilometern südlich des Limes.

Forschungsgeschichte

Biriciana auf der
Tabula Peutingeriana
(oben links)

Obwohl Biriciana – der antike Name der Weißenburger Römergarnison – durch seine Eintragung in der Tabula Peutingeriana schon früh bekannt gewesen sein muss und das verlassene Lager auch im Mittelalter als Steinbruch für Weißenburg genutzt worden war, geriet das Kastell seit dem ausgehenden Mittelalter allmählich in Vergessenheit.

Erst 1885 konnte die Lage des Kastells wieder lokalisiert werden. In der Folgezeit entwickelte sich Weißenburg dann allerdings zu einem der ergiebigsten archäologischen Fundplätze am Raetischen Limes. Zwischen 1889 und 1913 wurden durch die Reichs-Limes-Kommission und den Weißenburger Altertumsverein erste umfangreiche archäologische Ausgrabungen durchgeführt und auch in den folgenden Jahrzehnten rissen die zumeist durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege vorgenommenen wissenschaftlichen Untersuchungen nicht ab.
Dabei konnten unter anderem 1977 die große Thermenanlage, zwischen 1979 und 1985 ein weiter östlich gelegenes zweites Kastell und 1985/86 eine weiter südlich befindliche Villa Rustica ergraben werden. Eine kleine archäologische Sensation war der Schatzfund [1] von 1979.

Heute zählt Weißenburg mit seinen freigelegten und konservierten römischen Bauresten von Kastell und Thermen sowie dem Römermuseum mit integriertem Limes-Informationszentrum zu den ersten Adressen der provinzialrömischen Archäologie in Deutschland.

Kastellgeschichte

Rekonstruierte Porta Decumana, Außenseite

In domitianischer Zeit, vermutlich um das Jahr 90, wurde ein erstes, rund 2,8 Hektar großes Holz-Erde-Kastell an strategisch bedeutsamer Stelle in unmittelbarer Nähe eines keltischen Oppidums angelegt. Die Garnison diente dort der Sicherung des durch Domitian nördlich der Donau neu eroberten Territoriums, das dem Gebiet der Provinz Raetien einverleibt worden war.

Um die Mitte des 2. Jahrhunderts wurde das Holz-Erde-Kastell durch ein gemauertes Steinkastell von 3,1 Hektar Größe ersetzt. Wohl um 253, spätestens 254 wurden Kastell und Vicus im Zuge der Alemanneneinfälle zerstört. Die Schlussmünzen aus einem Münzschatzfund an der Via Principalis Dextra datieren auf die Jahre 251 und 253.

Das Kastell war bis auf eine kleinere Unterbrechung wohl durchgängig von der Ala I Hispanorum Auriana (1. Spanische Kavallerie-Einheit Auriana) belegt. Die Alae (zu deutsch: Flügel) waren aus 16 Turmae (Abteilungen) von je rund 30 bis 33 Reitern bestehende, selbständig operierende Kavallerieeinheiten mit sowohl taktischen als auch strategischen Funktionen. Sie galten als Vorzeigeeinheiten der römischen Auxiliartruppen.

Eine ebenfalls in Weißenburg bezeugte Cohors IX Batavorum equitata milliaria exploratorum (9. Batavische teilberittene 1000 Mann starke Aufklärungskohorte) muss wohl dem zweiten Holzkastell zugerechnet werden, das sich etwa 1,6 km östlich im Flurstück Breitung befand und nur vorübergehend in trajanisch/hadrianischer Zeit genutzt wurde.

Kastellbefunde

Rekonstruierte Porta Decumana, Innenseite

Bei dem Castrum Biriciana in seiner letzten Ausbauphase handelte es sich um ein mit den Abmessungen von 170 auf 174 mal 179 Meter nahezu quadratisches Steinkastell für eine Ala. Die Kastellmauer war an den Ecken abgerundet und mit Wehrtürmen versehen. Die insgesamt vier Tore wurden von Doppeltürmen flankiert und zwischen diesen und den Ecktürmen befand sich je ein weiterer, kleinerer Turm.
Die Mauer war ihrerseits von einem Doppelgraben umgeben, ein weiterer Graben konnte bislang lediglich auf drei Seiten des Kastells nachgewiesen werden Dieses Spitzgrabensystem war nur im Bereich der Lagertore unterbrochen.

Das Kastell Weißenburg ist mit seiner Porta Praetoria (Haupttor) nach Süden hin ausgerichtet, die kleinere Porta Decumana (rückwärtiges Tor) weist zum Limes hin. Porta Principalis Dextra (rechtes Seitentor) und Porta Principalis Sinistra (linkes Seitentor) entsprechen in ihrer Größe der Porta Praetoria.

Die Verwaltungs- und Versorgungsgebäude waren allesamt in Steinbauweise ausgeführt und befanden sich im zentralen Teil des Lagers, dessen Mittelpunkt eine große Principia (Stabsgebäude) mit Fahnenheiligtum (Aedes) und Appellhalle (Basilika) bildete. Unweit davon befanden sich das zum Schutz gegen Kleintiere höher gelegte Horreum (Getreidespeicher) und das Wohngebäude des Kommandanten (Praetorium). Im westlichen Lagerbereich waren die Fabricae (Werkstätten) und das Veletudinarium (Lazarett). Im Gegensatz zu diesen Bauten bestanden die Unterkünfte für Mannschaften und Tiere aus Fachwerkgebäuden. Die Mannschaftsbaracken mit den Contubernia (Stubengemeinschaften) befanden sich in der Retentura (rückwärtiger, nördlicher Lagerteil), die Stallungen in der Praetentura (vorderer, südlicher Lagerteil).

In dem 1990 gegründeten archäologischen Park, der sich über das gesamte Kastellareal erstreckt, wurden die Konturen der Wehrmauern und der Principia in ihrem Verlauf konserviert, die Porta Decumana mit den anschließenden Mauerbereichen in voller ursprünglicher Größe rekonstruiert.

Vicus, Thermen und Umland

Hauptartikel zu den Thermen: Römische Thermen (Weißenburg)

Üblicherweise siedelten sich in unmittelbarer Umgebung römischer Garnisonen immer auch Familienangehörige der Soldaten, Soldaten nach dem Ablauf ihrer Dienstzeit, Händler, Handwerker und Kneipiers in den Vici genannten Zivilsiedlungen an, so auch in Weißenburg. Der Vicus von Biriciana, dessen exakte Begrenzung aufgrund der neuzeitlichen Überbauung nicht mehr überall lokalisiert werden konnte, erstreckte sich über eine Gesamtfläche von etwa 30 Hektar und dürfte zu seiner Blütezeit im ausgehenden zweiten Jahrhundert eine Bevölkerungsstärke von rund 2500 Bewohnern erreicht haben.

„Große Thermen“: Tepidarium 1, dahinter kleines Frigidarium

Der weitläufige Weißenburger Vicus beinhaltete unter anderem eine Mansio sowie drei Badegebäude, von denen die so genannten "Großen Thermen" zu den bemerkenswertesten Gebäuden dieser Art auf deutschem Boden zählen [2] [3]. Von diesem Badekomplex konnten insgesamt drei Bauphasen ermittelt werden. Der erste Bau entstand zeitgleich mit der Errichtung des Kastells um das Jahr 90 und war ein einfaches Reihenbad [4], das um 130 in einer zweiten Bauphase wesentlich erweitert wurde. Nachdem das Badegebäude wohl infolge der Markomannenkriege zerstört worden war, wurde um das Jahr 180 eine dritte mit den Abmessungen von 65 mal 42,5 Metern deutlich größere und auch luxuriöserer Thermenanlage vom Ringtypus [5] errichtet. Diese hatte Bestand, bis sie um das Jahr 230 im Zuge der Alamanneneinfälle erheblich beschädigt wurde. Danach wurden nur noch einzelne verbliebene Räume zu anderen als Badezwecken weitergenutzt.

1983 wurden die Großen Thermen mit einer Dachkonstruktion versehen, bis 1985 vollständig restauriert und zu einem Museum umgewandelt.

Eine durch Luftbildprospektion lokalisierte Villa Rustica, gut zweieinhalb Kilometer südlich des Kastells, westlich der nach Treuchtlingen führenden Straße, wurde 1985/86 ausgegraben. Es handelte sich um ein eher bescheidenes Anwesen mit sechs Räumen und einem ummauerten Hofbereich von 240 m².

Museum und Informationszentrum

1979 wurde bei Gartenarbeiten in der Nähe der Thermen der Weißenburger Römerschatz [1] entdeckt, der als bedeutendster süddeutscher Fund dieser Art gilt. Nach dem Ankauf des Schatzes durch die bayerische Landesregierung wurde er zum Mittelpunkt des ab 1981 aufgebauten Weißenburger Römermuseums, einem Zweigmuseum der Prähistorischen Staatssammlung.

Im Zusammenhang mit der Anerkennung des Obergermanisch-Raetischen Limes als UNESCO-Weltkulturerbe im Jahre 2005 wurde Weißenburg zum Standort des Bayerischen Limes-Informationszentrums ausgewählt. Dieses wurde in das Römermuseum Weißenburg integriert und im Mai 2006 eröffnet [6].

Das Kastell Weißenburg bildet nun mit dem Römermuseum, dem Limes-Informationszentrum, dem Thermenmuseum, der Kastellrekonstruktion und dem relativ nahe gelegenen und recht gut im Gelände erhaltenen Limes ein Zentrum der provinzialrömischen Archäologie in Deutschland.

Denkmalschutz

Das Kastell Weißenburg ist als Abschnitt des Obergermanisch-Raetischen Limes seit 2005 Teil des UNESCO-Welterbes. Außerdem sind das Kastell und die umliegenden römischen Befunde Bodendenkmale nach dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz (BayDSchG). Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden.

Siehe auch

Literatur

  • Ludwig Wamser: Biriciana – Weißenburg zur Römerzeit. 2. Aufl. Theiss, Stuttgart 1986. (Führer zu archäologischen Denkmälern in Bayern: Franken 1), ISBN 3-8062-0323-7
  • Eveline Grönke: Das römische Alenkastell Biricianae in Weissenburg i. Bay. Die Grabungen von 1890 bis 1990. (Limesforschungen, Bd. 25). Zabern, Mainz 1997, ISBN 3-8053-2318-2
  • Hans-Jörg Kellner: Der römische Schatzfund von Weißenburg. 3. erweiterte Auflage. Schnell & Steiner, Regensburg 1997, ISBN 3-7954-1104-1
  • Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 4. Aufl. Gebr. Mann, Berlin 2000, ISBN 3-7861-2347-0, S. 289ff.
  • Thomas Fischer und Günther Ulbert: Der Limes in Bayern. Von Dinkelsbühl bis Eining. Theiss, Stuttgart 1983, ISBN 3-8062-0351-2
  • Wolfgang Czysz u.a.: Die Römer in Bayern. Hamburg: Nikol, 2005, ISBN 3-937872-11-6
  • Ute Jäger: Römisches Weißenburg. Kastell Biriciana, Große Thermen, Römermuseum. Keller, Treuchtlingen/Berlin 2006, ISBN 3-934145-40-X

Grabungsberichte der Reichs-Limes-Kommission:

  • W. Kohl, J. Tröltsch, J. Jacobs, W. Barthel und Ernst Fabricius: Der obergermanisch-raetische Limes des Römerreiches. Abt. B, Bd. 7, Nr. 72: Kastell Weißenburg. Berlin, 1906.
  • E. Fabricius, F. Hettner und O. von Sarvey (Hrsg.): Der Obergermanisch-Raetische Limes des Römerreiches. Abt. A, Bd. 7, Strecke 14: Der raetische Limes von Gunzenhausen bis Kipfenberg. Berlin 1927.

Weblinks

Anmerkungen

  1. a b Hans-Jörg Kellner über den Schatzfund von Weißenburg in den Mitteilungen der Freunde der Bayerischen Vor- und Frühgeschichte auf der Website des Leibniz-Rechenzentrums München.
  2. Ausführliche Darstellung mit umfangreicher photographischer Dokumentation der "Großen Thermen" bei Bernd Liermann.
  3. Umfangreiche Beschreibung der "Großen Thermen" bei Bernhard Efinger.
  4. Reihenbad = einfache lineare Anordnung der Baderäume.
  5. Ringtypus = durch Verdoppelung der Räume zirkular zu nutzende Thermenanlage.
  6. Limes-Informationszentrum in Weißenburg

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