Gaughan

Gaughan
Dick Gaughan live in der „Rätsche“ in Geislingen/Steige, 6 Mai 2006, Foto: Markus Großmann

Richard Peter "Dick" Gaughan (* 17. Mai 1948 in Glasgow) ist ein schottischer Folksänger.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Gaughans Familie zog von Rutherglen nach Leith, eine Hafenstadt außerhalb von Edinburgh, als er anderthalb Jahre alt war. Er ist nie nach Rutherglen zurückgekehrt. Dicks Mutter stammte aus Lochaber und sprach Gälisch als Muttersprache. Die Muttersprache seines Großvaters väterlicherseits war das Irische. Er stammte aus Mayo und beherrschte das Spiel der Fiddle. Dick war das älteste von drei Kindern. Im Alter von sieben Jahren begann er mit dem Spiel der Gitarre. Obwohl er später Lieder im schottischen Gälisch sang, blieb es für ihn eine Fremdsprache, ein Echo einer fernen Vergangenheit. Er sang in Folkclubs in Edinburgh und war ab 1970 Profimusiker.

1972 veröffentlichte er ein erstes Soloalbum No More Forever. Anschließend kam er zu den Boys of the Lough, die er nach der Veröffentlichung von deren Debutalbum im selben Jahr wieder verließ. 1975 folgte eine Gastrolle bei den High Level Ranters auf deren Album The Bonnie Pit Laddie. Darauf folgte eine hektische Periode in der er zwei Karrierestränge gleichzeitig verfolgte, einmal als Mitglied von Five Hand Reel (drei Alben zwischen 1976 und 1978) und als Solosänger, als der er im selben Zeitraum vier Alben veröffentlichte. Dies war eine Zeit starken Alkoholkonsums, der Reisen in Lastwagen und sehr seltener Begegnungen mit seiner Frau und seiner Tochter. Zu einer Lebenskrise kam es, als seine Tochter von einem Auto überfahren wurde, während er auf Reisen war. Die Tochter überlebte, doch Dick wurde durch diesen Vorfall veranlasst, sein Leben neu zu ordnen.

Schließlich lernte er als Autodidakt, Musik zu lesen und zu schreiben. Er schrieb für das schottische Folk-Magazin Folk Review und hatte mehr Kontakt mit seiner Familie. Er schloss sich einer Agitprop-Theatergruppe namens „7:84“ an. Er schien sehr bewusst dem Vorbild eines anderen sozialistischen Theaterregisseurs und Sängers Ewan MacColl zu folgen, dem er 1978 ein Album widmete. Gaughan beteiligte sich ebenfalls an einem Gedenkalbum für Woody Guthrie. In den frühen 1980er Jahren betrieb er Kampagnenarbeit für eine Organisation namens "Perform" deren Ziel es war, professionelle Folkmusiker und Amateure zu vereinen um Gagen und Weitergaberechte zu verhandeln sowie die künstlerische Kontrolle zu behalten. Er war zwei Jahre lang ihr Vorsitzender.

Werk

Auf seinen Soloalben interpretierte er sowohl große Balladen wie auch selbstgeschriebene Songs. Noch vor Sting stellte er sich der weitverbreiten Ansicht entgegen, die Russen seien kriegslüsterne Eroberer („Think Again“[1], aus „A different Kind of Love Song“). A Handful of Earth (1981) und A Different Kind of Love Song (1983) gehören zu seinen besten Veröffentlichungen. Er hat sehr entschiedene Ansichten über viele Dinge, einschließlich des Internet. Während er 1984 Stimmprobleme auskurierte, nahm er an einem Computerkurs teil und er ist einer der wenigen Sänger, die problemlos eine Anstellung als Webmaster bekommen könnten. Er gestaltet und betreut seine Website selbst. Außerdem ist er regelmäßiger Teilnehmer der Usenet-Newsgroup uk.musik.folk.

1995 gründete er gemeinsam mit dem 2001 verstorbenen Davy Steele die Gruppe Clan Alba, die nur ein Album herausbrachte. Mit dieser Gruppe war er auch beim Folkfestival des WDR zu hören, ebenso war er bereits zweimal beim größten Folkfestival Europas, dem Tanz&FolkFest in Rudolstadt vertreten.

Künstlerisch überwiegt seine Leistung als Sänger und Interpret fremder Werke, sowie als Gitarrist. Zudem sind zahlreiche seiner bekannteren Titel Gaughans Vertonungen von zumeisten älteren Texten Dritter, z.B „Both Sides the Tweed“[2] oder „Revolution“[3]. Seine Eigenkompositionen sind dagegen weniger erfolgreich, was sich etwa daran zeigt, dass sie kaum von anderen Interpreten nachgesungen und eingespielt worden sind. Eine Ausnahme ist „A Different Kind of Love Song“, das von Hannes Wader 1986 auf seinem Album Liebeslieder in deutscher Übersetzung eingespielt worden ist. Zu einem Folk-Klassiker ist jedoch auch dieses Lied aus Gaughans Feder nicht geworden.

Themen

Gaughan interpretiert zum traditionielles schottisches und irisches Liedgut neu, wobei er häufig von anderen übersehene politische oder soziale Aspekte dieser Lieder hervorhebt, so etwa in seiner Einspielung von Erin-go-Bragh, einem Lied das die traditionelle Diskriminierung der Iren in Schottland aus der Sicht eines Betroffenen schildert und gleichzeitig mit einer totalen Absage an „nationale Identität“ endet („Come all you young people whereever you're from/and don't give a damn to which place you belong“)[4].

Einen mindestens ebenso großen Teil seines Repertoires machen zeitgenössische Autorenlieder zu aktuellen Themen ("topical songs") aus, sei es über die Lage Behinderter ("What you do with what you've got"), über den australischen Medien-Mogul Rupert Murdoch ("Shipwreck")[5] über historische Themen wie etwa das Leben Thomas Paines („Tom Paine’s bones“[6]) oder einen antifeudalen Aufstand in England ("World turned upside down"). Gaughan ist überzeugter Atheist, ohne jedoch Christen generell zu verdammen. Jeglichen Fanatismus lehnt er ab. Seine Haltung verdeutlicht er in Son of Man[7] (Album Sail on). Auf demselben Album setzt er sich mit dem Zusammenbruch des Realsozialismus auseinander. Denjenigen, die darin das Ende sozialistischer Utopien sehen, hält der Sozialist Gaughan entgegen: I see no cause for alarm / No reason to get downhearted / You'r trying to say our time is passed / Hell! It hasn't even started.[8]

Praktisch abwesend ist dabei das Genre der Liebeslieder, etwas wozu sich Gaughan in A different kind of love song dezidiert geäußert hat.[9]

Repertoire

Neben selbstgeschriebenen und traditionellen Liedern interpretiert Gaughan Werke anderer bekannter britischer und US-amerikanischer Liedermacher wie Woody Guthrie, Pete Seeger, Brian McNeil, Tommy Sands oder Si Kahn neu.

Dazu kommen Neuvertonungen und Nachdichtigungen auf Grundlage traditioneller Materialien.

Mensch und Musiker

Gaughan ist im Grunde ein eher zurückhaltender, nachdenklicher, ja manches Mal ein introvertierter Mensch, was man bei seiner Bühnenpräsenz und der außergewöhnlichen Stimme, die von wütend-engagiert bis zu leise-zärtlich alles abbilden kann, nicht erwartet. Dies bedeutet nicht, dass er besonders seine politische Überzeugungen in der Diskussion nicht nachhaltig und voller Überzeugung vertritt oder dass er eine klare Sprache vermissen ließe. Und Diplomatie ist seine Sache nicht. Es bedeutet vielmehr, das er alles, was er sagt und tut, ruhig und mit großer Toleranz tut. Er ist ein liebenswerter, freundlicher, angenehmer und geduldiger Mensch, der nur schwer nein sagen kann. Völlig frei von Starallüren oder sonstigen Verhaltensmustern, die man von anderen bekannten „Großen“ in der Scene kennt. Was ihn in diesem Zusammenhang zu einem überaus beeindruckenden Zeitgenossen macht, ist sein Charakter als einer der letzten der „singenden Barden“, der durch die Welt zieht und Geschichten mitbringt, vom Kampf der kanadischen Indianer bis zur arbeitslosen Mutter in Liverpool. Er ist ein großartiger Erzähler, wenn man das Glück hat, ihm nach Konzerten zuhören zu können. Oft ist er jedoch schnell verschwunden. Auf dem Weg ins Hotel oder zum nächsten Gig. Meist in seinem kleinen Renault mit dem demonstrativ angebrachten Landeskennzeichen SCO für Schottland. Dies ist seiner absoluten Aversion gegen das Fliegen geschuldet. Er betritt ein Flugzeug nur, wenn es unbedingt sein muss. Ansonsten nimmt er selbst unverhältnismäßige Fahrtzeiten in Kauf. Dann sieht es nach seinen Angaben in seinem Auto aus, wie in seinem Leben: "Ungeplant und gänzlich chaotisch". Eine angeeignete starke Selbstdisziplin (Pünktlichkeit, Vernunft, langer Schlaf) ist seine Reaktion auf Stress, die früher oft genug in Alkohol geendet hatte.[10]

Gaughan ist ein Multiinstrumentalist. So hat er beispielsweise die letzte Veröffentlichung "Lucky for Some" komplett selbst eingespielt. Sein ursprüngliches Instrument ist jedoch die akustischen Gitarre. Hier gehört er heute nach Aussagen aus berufenem Munde (Bert Jansch, Eric Clapton) zu den besten Folk-Gitarristen der Welt. Schon immer spielt er das bekannte Modell D-28 von Martin. Seine stark vermisste alte D-28 aus dem Jahre 1971 wurde auf einem Transport nach und von Australien zweimal schwer beschädigt. Seit Anfang 2006 spielt er ein aktuelles D-28-Modell, das mit zwei Tonabnehmersystemen von Fishman ausgestattet ist. Es besteht aus einem kleinen Mikrophon im Bereich des Schallochs und einem Abnehmer unter der Seitenbrücke. Er hat schon sehr früh die Standard-Stimmung der Gitarre (EADGHE) verlassen und spielt auf Konzerten fast ausschließlich in der Stimmung DADGAD, zu dessen Meister er es unzweifelhaft gebracht hat. Er nutzt jedoch auch noch eine Reihe anderer Stimmungen, besonders wenn es um die Interpretationen von Instrumentalstücken geht. Gaughan hat sich einen ganz ungewöhnlichen und unverkennbaren Stil angeeignet, der sich durch eine gewisse Härte genauso auszeichnet, wie dem Spiel gegen den Takt und die fast völlige Abwesenheit von klassischen Akkorden. Er begleitet seinen Gesang vielmehr mit einfallsreichen Phrasierungen und kaum nachvollziehbaren Läufen, die diesen unerreichten Stil ausmachen.

Diskographie

  • No More Forever (1972)
  • Kist O'Gold (1976)
  • Coppers and Brass (1977)
  • Gaughan (Songs of Ewan MacColl) (1978)
  • A Handful of Earth (1981)
  • A Different Kind Of Love Song (1983)
  • Fanfare For Tomorrow (1985)
  • Live In Edinburgh (1985)
  • True and Bold (1986)
  • Call It Freedom (1988)
  • Sail On (1996)
  • Redwood Cathedral (1999)
  • Outlaws And Dreamers (2001)
  • Prentice Piece (2002)
  • Lucky for Some (2006)
  • Gaughan Live! At The Trades Club (2008)

Folk Friends

  • Folk Friends (1978)
  • Folk Friends 2 (1981)

Dick Gaughan and Andy Irvine

  • Parallel Lines (1982)

Clan Alba

  • Clan Alba (1995)

Literatur

Weblinks

Quellen

  1. http://www.dickgaughan.co.uk/songs/texts/thinkaga.html
  2. http://www.dickgaughan.co.uk/songs/texts/tweed.html
  3. http://www.dickgaughan.co.uk/songs/texts/revolutn.html
  4. http://www.dickgaughan.co.uk/songs/texts/eringobr.html
  5. http://www.dickgaughan.co.uk/songs/texts/shipwrec.html
  6. http://www.dickgaughan.co.uk/songs/texts/tpbones.html
  7. http://www.dickgaughan.co.uk/songs/texts/sonofman.html
  8. http://www.dickgaughan.co.uk/songs/texts/alarm.html
  9. http://www.dickgaughan.co.uk/songs/texts/lovesong.html
  10. Eigene umfangreiche Recherche zur Vita, zwei längere Interviews Mai und September 2006 in Deutschland und Schottland, Benutzer:Jens.kramer

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