Gaussgewehr

Gaussgewehr

Das Gaußgewehr, auch bekannt unter den englischen Bezeichnungen Coilgun oder Gaussrifle (von engl.: coil = Spule, gun = Kanone, rifle = Gewehr), ist ein elektromagnetischer Beschleuniger für Wuchtgeschosse, bei dem – anders als bei der ebenfalls magnetisch arbeitenden RailgunSpulen zur Erzeugung der Magnetfelder verwendet werden.

Animierte Darstellung eines dreistufigen Gaußgewehrs

Namensgeber ist der deutsche Mathematiker und Physiker Carl Friedrich Gauß, der sich jedoch lediglich mit den Grundlagen des Magnetismus befasste.

Als Waffe ist das Gaußgewehr nie über das Versuchsstadium hinausgekommen.

Inhaltsverzeichnis

Funktionsweise

Das Gaußgewehr beschleunigt Wuchtgeschosse, d. h. im Ziel entsteht Schaden lediglich durch das Auftreffen eines Projektils. Prinzipiell existieren zwei grundlegend verschiedene Verfahren, ein Projektil mit einer Anordnung von Spulen zu beschleunigen:

Ferromagnetische Gaußkanone

(engl.: Reluctance Coil Gun)

Es handelt sich hierbei um eine Waffe, die ein ferromagnetisches Geschoss mit Hilfe elektromagnetischer Kräfte beschleunigt. Zum Beschleunigen wird durch eine Spule vor dem Geschoss elektrischer Strom geleitet. Das dabei erzeugte Magnetfeld zieht das Geschoss an und beschleunigt es so ins Spulenzentrum. Jedoch muss hierbei das Magnetfeld wieder rechtzeitig abgeschaltet werden, bevor das Geschoss das Zentrum erreicht, oder das Magnetfeld hat eine bremsende Wirkung (man stelle sich einen Pfeil vor, der mit der Sehne des Bogens verbunden bleibt). Durch das sequentielle Aktivieren von mehreren hintereinandergestellten Spulen lassen sich immer höhere Geschwindigkeiten erreichen (sog. Multistage Coilgun).

Der dazu notwendige kurze und sehr kräftige Stromimpuls wird meistens mit Hilfe von Kondensatoren erzeugt, die über die Spule kurzgeschlossen und somit schlagartig entladen werden. Problematisch ist hierbei das zeitlich exakte Abschalten der Spule und die Sättigungsmagnetisierung des Projektils. Designs, die den Spulenstrom gesteuert abschalten, wenn das Geschoss einen bestimmten Punkt erreicht hat, verfügen über Sensoren und eine Signal-Rückführung (closed-loop). Bei Anlagen, bei denen der Strom solange durch die Spulen fließt, bis der Energiespeicher erschöpft ist, wird der Ort des Projektils nicht detektiert, es liegt keine Signalrückführung vor (open-loop). Solche Anlagen funktionieren nur bei genauer Abstimmung der Projektilmasse auf die Stromkreise. Auch das ferromagnetische Material, aus dem das Geschoss besteht, beeinflusst die Magnetfelder der Spulen nichtlinear, was Berechnungen schwierig macht.

Induktive Gaußkanone

Dieser Typ verwendet nichtmagnetische, leitfähige Projektile (meistens aus Kupfer oder Aluminium). Bei diesem Typ wird ein sehr starkes und sich schnell änderndes Magnetfeld in den Spulen erzeugt. Dieses bewirkt durch Wirbelstrom bzw. die durch dessen Magnetfeld hervorgerufene Feldverdrängung eine abstoßende Kraft auf das Projektil und beschleunigt dieses von der Spule fort (siehe Lenzsche_Regel#Anwendungsbeispiele). Vorteilhaft lässt sich das Magnetfeld auch mit einem Kondensator erzeugen, der in eine Spule entladen wird - es entsteht eine gedämpfte Schwingung. Die Spannung des Kondensators wird sehr hoch gewählt (typisch sind mehrere kV), damit die Stromanstiegsgeschwindigkeit in der Spule hoch genug ist und starke Wirbelströme entstehen. Der Impuls ist bei diesem Design meist kürzer als beim ferromagnetischen Modell. Der elektrische Impuls muss nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschaltet werden, was vieles am Design vereinfacht. Die Abwesenheit von Eisen lässt auch bei Magnetfeldern über dessen Sättigungsinduktion eine weitere Steigerung der Wirkung zu - die Maximalstärke wird im wesentlichen nur durch die mechanische Festigkeit der Spule begrenzt. Die Geschosse haben meistens Ringform, was sich vorteilhaft auf die induzierten Ströme auswirkt und einen Kompromiss zwischen möglichst geringem Luftwiderstand und großer Querschnittsfläche darstellt.

Das Verfahren wird auch zur Material-Umformung angewendet.

Vorteile

Konventionelle, durch Treibladungen angetriebene Waffen sind in ihrer maximalen Mündungsgeschwindigkeit begrenzt. Die theoretisch maximal erreichbare Geschwindigkeit eines konventionell beschleunigten Geschosses ist gleich der Ausdehnungsgeschwindigkeit des Treibgases, welches beim Verbrennen der Treibladung entsteht.

Ein Gaußgewehr kann dagegen theoretisch die für alle Projektilwaffen geltenden aerodynamischen Grenzen des Projektils erreichen.

Ein weiterer Vorteil ist, dass es keine explosiven Treibmittel benötigt, welche bei Beschuss detonieren könnten.

Es ist denkbar, die Flugbahn eines Geschosses durch das Magnetfeld im Mündungsbereich wesentlich feiner auszurichten, als dies durch Richten und Traversieren eines traditionellen Laufes möglich ist. So sind schnelle Schussfolgen möglich, bei denen die Flugbahn des vorhergehenden Geschosses ausgewertet wird und das nächste Geschoss im Feinstbereich nachgeführt wird.

Tatsächlich ist die mit beiden Methoden erreichbare Austrittsgeschwindigkeit enorm hoch (mehrere km/s sind möglich)– entsprechend groß ist die kinetische Energie des Projektils und die daraus resultierende Penetrationsleistung.

Nachteile

Das Gaußgewehr benötigt zum Betrieb sehr viel elektrische Energie. Bisher gibt es keine Möglichkeit diese Energie kompakt und schnell abrufbar zu speichern. Auf Panzern und Kriegsschiffen kann das Gaußgewehr zwar an deren Stromversorgung angeschlossen werden - es ist jedoch ein zusätzlicher Energiespeicher (meist Kondensatoren) erforderlich, der kurzzeitig eine sehr hohe Momentanleistung (MW bis GW) bereitstellen kann.

Aufgrund der Funktionsweise von Gaußgewehren sind die Entwürfe nur schwer umzusetzen. Neben den Problemen, die auch bei anderen magnetischen Waffen auftreten (Gewicht, Stromversorgung etc.), gibt es hier weitere Komplikationen:
Die Energie im Ziel besteht bei allen Wuchtgeschossen lediglich aus der kinetischen Energie des Geschosses. Mit Gaußgewehren lassen sich zwar hohe Geschwindigkeiten erreichen (die Energie steigt mit dem Quadrat der Geschwindigkeit), der Luftwiderstand nimmt jedoch überproportional zu. Das kann bis zur thermischen Zerstörung des Geschosses führen, welches überdies beim Abschuss bereits stark erhitzt wird. Bei den derzeit geringen realisierten Wirkungsgraden werden weiterhin auch enorme Wärmemengen in der Waffe selbst frei, selbst wenn supraleitende Spulen Verwendung fänden.

Anwendungen

Eine Vielzahl von privaten Projekten[1], Schulprojekten und Demonstrationsgeräten befasst sich mit beiden Varianten.

Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Rüstungsunternehmen befassen sich neben dem verwandten railgun auch mit den Prinzipien von Gaußgewehren.

Das nach dem Wirbelstromprinzip arbeitende Verfahren wird auch zur Umformung von Aluminiumblech angewandt[2].

Erwähnung in Spielen

Erwähnt wurde diese Waffe im BattleTech-Universum, in SF-Rollenspielen wie Traveller und in vielen Computerspielen, z.B. Fallout 2, Fallout 3, Liero, Red Faction, Halo 2 , Halo 3 (als Gauß-Kanone auf einem Fahrzeug (Gaußwarthog) stationiert oder orbital als MAC-Kanone), Planetside, Syndicate, Ufo - Enemy Unknown, sowie X-COM: Terror from the Deep, Master of Orion 2, S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chernobyl, Half-Life und Half-Life 2 (in letzteren beiden als Gauss-Rifle bzw. Tau-Cannon) sowie in der Computerspielreihe Descent (Bücher, Tabletopspiele und Computerspiele). Auch in den Strategie-Spielen Spring, Supreme Commander, StarCraft und Warzone 2100 findet es Verwendung. Der neueste Vertreter ist Crysis, sowie Crysis Warhead, bei dem sie als tragbares Gewehr (und im Multiplayer auch montiert auf Panzern) zum Einsatz kommt. Bei der Onlinespielreihe "Endless War" wird sie unter dem Namen "Gauss Rifle" als Handfeuerwaffe verwendet. Im SF-Tabletopspiel "Warhammer 40.000" werden Gaußwaffen von den Tau verwendet, dort werden sie als Massebeschleuniger bezeichnet. In dem Spiel Earth2160 wird eine Gausskanone als Energiewaffe verwendet, die wenig mit dem Namensgeber gemein hat.

Siehe auch

Literatur

  • E. Levi, J. L. He, Z. Zabar, L. Birenbaum: Guidelines for the design of synchronous-type coilguns. In: Magnetics, IEEE Transactions on. 27, Nr. 1, 1991, ISSN 0018-9464, S. 628–633 (doi:10.1109/20.101107). 
  • G. Hainsworth, D. Rodger: Design optimisation of coilguns. In: Magnetics, IEEE Transactions on. 31, Nr. 1 Part 1, 1995, ISSN 0018-9464, S. 473–477 (doi:10.1109/20.364622). 
  • M. S. Aubuchon, T. R. Lockner, R. J. Kaye, B. N. Turman: Study of coilgun performance and comments on powered armatures. In: Power Modulator Symposium, 2004 and 2004 High-Voltage Workshop. Conference Record of the Twenty-Sixth International. 2004, ISBN 0-7803-8586-1, S. 141–144 (doi:10.1109/MODSYM.2004.1433527). 

Einzelnachweise

  1. http://www.rapp-instruments.de/accelerator/gaussgun/gauss.htm
  2. Seifert, U.: persönliche Mitteilung eines Automobilherstellers; 2007

Weblinks


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