Geschichte Brasiliens bis 1822

Geschichte Brasiliens bis 1822
Lage Brasiliens in Südamerika

Inhaltsverzeichnis

Das vorkoloniale Brasilien

Die ältesten Spuren menschlichen Lebens wurden in Höhlen im Bundesstaat Piauí gefunden. Die Paläo-Indianer erreichten die Südspitze Amerikas wahrscheinlich um 10.000 v. Chr. Skelettfunde belegen, dass die Küstengebiete des heutigen Brasilien um circa 8.000 v. Chr. bewohnt waren.

Traditionell wird vertreten, dass die ökologischen Bedingungen im Amazonasbecken das Aufkommen von bevölkerungsstarken Hochkulturen wie im Andenraum nicht zuließen und man deshalb von einer dünnen Bevölkerung aus nomadischen oder halbnomadischen Gruppen von Jägern und Fischern ausgehen muss, die in geringem Umfang auch Ackerbau trieben.

Neuere Forscher haben die Hypothese aufgestellt, dass die Aktivitäten der einheimischen Völker vor der Kolonialisierung weit über das bisher angenommene Ausmaß hinausgingen. Demnach hätten die Ureinwohner durch systematische Anpflanzung und Verbreitung von Pflanzenarten sowie Bodenverbesserung das Ökosystem des Amazonasbeckens erst geschaffen. Auch ihre Ansiedlungen -etwa auf der riesigen Flussinsel Marajó- seien demnach weit größer gewesen als bisher angenommen. [1]

Ähnliches gilt für den äußersten Westen Brasiliens. In der Provinz Mato Grosso fanden sich zahlreiche geplante Orte, deren Größe den zeitgenössischen europäischen kaum nachsteht, und in denen Fischzucht und Landwirtschaft bis in die Zeit um 1500 betrieben wurde. Sie waren durch ein Straßennetz miteinander verbunden. Man nimmt an, dass sie durch Epidemien verschwunden sind.[1]

Die Zeit der Entdeckungen

Nach der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus (1492) wurde die neue Welt unter Spanien und Portugal im Vertrag von Tordesillas (1494) aufgeteilt. Das damals noch unbekannte Brasilien fiel in die portugiesische Hälfte.

Offiziell wurde Brasilien am 22. April 1500 durch den portugiesischen Seefahrer Pedro Álvares Cabral entdeckt. Wer Brasilien wirklich entdeckte, ist jedoch umstritten. Der spanische Seefahrer Vicente Yáñez Pinzón segelte bereits 1499 entlang der Ostküste des heutigen Brasilien bis zum Mündungsgebiet des Río de la Plata (heutiges Argentinien). Der portugiesische Seefahrer, Geograph und Astronom Duarte Pacheco Pereira soll sogar schon Ende 1498 die Küsten der heutigen brasilianischen Staaten Pará und Maranhão sowie das Mündungsgebiet des Amazonas befahren haben.

Nach französischen Aufzeichnungen des 15. Jahrhunderts soll der Kapitän Jean Cousin 1488 an Bord eines aus Dieppe stammenden Schiffs des Reeders Jehan Ango zu einer Reise nach Westafrika aufgebrochen, aber durch die Äquatorialströmung in Höhe der Azoren abgetrieben und nach zwei Monaten an eine fremde Küste und einen gewaltigen Strom gelangt sein, den er Maragnon nannte. Nach kurzem Aufenthalt überquerte er den Atlantik erneut, lief Westafrika an und kehrte von dort 1489 gesund nach Dieppe zurück.

Verschiedene Indizien geben außerdem zu der Vermutung Anlass, dass in Portugal die Existenz einer großen Landmasse westlich des Atlantik schon lange vor 1500, eventuell sogar bereits seit 1325, bekannt war.

Cabral landete in der Nähe des heutigen Porto Seguro an und nimmt das neu gefundene Land für den portugiesischen König Emanuel I. (Manuel I.) in Besitz. Die bei der Landung angetroffenen Tupí-Indianer leisteten den Europäern keinen Widerstand. Portugal hält die Entdeckung zunächst geheim, um im Wettlauf um neue Kolonien einen Vorteil zu behalten. Spätestens aber seit 1507 wird der neu entdeckte Kontinent in Europa bekannt, als der deutsche Kartograph Martin Waldseemüller eine Karte Südamerikas veröffentlichte, auf der auch Porto Seguro eingezeichnet ist.

Nachdem reiche Vorkommen von Brasilholz (port.: Pau Brasil / Pau Verzím) ausgemacht wurden, bekam das neue Land den Namen Brasilien. Brasilholz eignet sich zur Farbgewinnung und zur Herstellung edler Möbel. Damit wurde es zum ersten Exportprodukt der Kolonie und bildete die Grundlage für eine erste wirtschaftliche Nutzung des Landes. Aufgrund der massiven Abholzung ist Brasilholz heute vom Aussterben bedroht und steht unter Naturschutz.

Im Jahr 1503 entdeckt eine Expedition von Gonçalo Coelho, dass die Franzosen sich anschickten, in Brasilien zu landen. Der französische König hat im Juli 1503 erstmals Paulmier de Gonneville mit dem Schiff l'espoir über den Atlantik entsandt. De Gonneville zeigte sich erstaunt darüber, wie selbstverständlich sich die Indígenas dem Schiff näherten, für sie unbekannte europäische Werkzeuge benutzten und den Zweck der Bordgeschütze kannten. 1530 wurde eine neue Expedition von Martim Alfonso de Souza nach Brasilien gesendet, um die Franzosen zu bekämpfen und die ersten Kolonialstädte zu gründen. 1625 wurden die Franzosen endgültig aus Brasilien vertrieben.

Besiedelung

Zuckerrohr

König Johann III. teilte die brasilianische Küste in 15 Zonen, Capitanías Hereditarias, ein und vergab diese an Adlige und Personen aus dem Mittelstand. Zur wirtschaftlichen Entwicklung setzte man vor allem auf den Anbau von Zuckerrohr, da Zucker zu jener Zeit ein teures Gut war. Um Arbeitskräfte für die Plantagen zu bekommen, wurden Indianer im näheren Hinterland gefangen.

Nicht alle der Siedler, die von Portugal nach Brasilien kamen, waren Freiwillige: Das portugiesische Gesetzbuch kannte zu jener Zeit 200 Vergehen, die mit Verbannung geahndet wurden. Außerdem ließ die Kolonialmacht Einwanderer aus allen Ländern zu, die einzige Voraussetzung war, dass sie dem katholischen Glauben angehörten.

Da viele der Indianer auf den Plantagen Selbstmord begingen oder an europäischen Krankheiten starben, wurden 1538 die ersten afrikanischen Sklaven importiert. Um 1600 war Brasilien der größte Zuckerproduzent der Welt. Wenige Jahre später war der Dreieckshandel in vollem Schwung: Manufakturprodukte wurden in Afrika gegen Sklaven verkauft, die Sklaven wurden in Süd- und Nordamerika gegen Edelmetalle, Zucker und Gewürze eingetauscht und diese wurden nach Europa gebracht.

Kolonialisierung und Erschließung

1549 wird São Salvador da Bahía de Todos os Santos (das heutige Salvador da Bahia) zur Hauptstadt über alle Capitanias der Kolonie Brasilien erklärt und ein Generalgouverneur (der sich zuweilen Vizekönig nennen durfte) eingesetzt.

Von 1565 bis 1567 zerstörte Mem de Sá, ein portugiesischer Kolonialoffizier und der dritte Generalgouverneur Brasiliens die zehn Jahre alte französische Kolonie France Antarctique in der Guanabara-Bucht. Er und sein Neffe Estácio de Sá gründeten daraufhin im März 1567 Rio de Janeiro.

Das Hinterland wurde ab dem Beginn des 17. Jahrhunderts von Bandeirantes-Expeditionen erkundet, welche Sklaven und Bodenschätze (vor allem Gold) suchten. 1696 wird im Hinterland von Rio de Janeiro Gold, wenig später auch Diamanten und andere Bodenschätze gefunden. Dies wurde die Grundlage für die Entwicklung reicher Barockstädte wie Ouro Preto.

Obwohl die Portugiesen versuchten, mit Festungen an der Küste das Land abzuschotten und keine Konkurrenten zuzulassen, eroberte im Jahre 1624 eine Flotte der Niederländischen Westindien Kompanie unter dem Kommando von Jacob Willekens und Piet Heyn mit 26 Schiffen die Stadt Bahia, die sie im Folgejahr jedoch wieder an die Portugiesen verloren. Mit dieser Aktion begann der bis 1661 andauernde Niederländisch-Portugiesische Krieg. 1629 setzten sich die Niederländer in „Mauritsstad“, dem heutigen Recife (Pernambuco) fest. Der Nordosten erlebte unter der Herrschaft der Westindischen Kompanie unter Führung von Johann Moritz von Nassau-Siegen eine kurze Blüte. Mit Hilfe der 1649 ins Leben gerufenen Allgemeinen Gesellschaft des Brasilienhandels (Companhia Geral do Comércio do Brasil) sollte vor allem der Kampf gegen die Niederländer unterstützt und der für das Mutterland immer wichtiger werdende Überseehandel zwischen Brasilien und Portugal gesichert werden. Die Portugiesen errangen im Februar 1649 einen bedeutenden Sieg in der zweiten Schlacht von Guararapes. 1654 gaben die Niederlande auf und die Kontrolle über Gesamtbrasilien an die Portugiesen zurück.

Während des 17. Jahrhunderts gründeten entflohene Sklaven im Nordosten Brasiliens Siedlungen, die vorbildlich verwaltet und von einem Heer verteidigt wurden. Erst 1699 wird - nach zahlreichen Niederlagen der Kolonialtruppen - der letzte dieser Quilombos zerstört.

Mit ausgehendem 17. Jahrhundert verlagert sich der wirtschaftliche Schwerpunkt in den Süden Brasiliens. Dem wird 1763 dadurch Rechnung getragen, dass die Hauptstadt von Salvador nach Rio de Janeiro wandert.

Mit Ende des 18. Jahrhunderts mehren sich Aufstände gegen die portugiesische Herrschaft. Der wichtigste Aufstand ist die „Inconfidência Mineira“ in Minas Gerais, deren Anführer Tiradentes 1792 hingerichtet wird. Gleichzeitig gerät man im Süden auf dem Gebiet des heutigen Uruguay, wo die Bandeirantes die Westgrenze des Kolonialreiches über die Linie des Vertrags von Torsedillas hinausgeschoben haben, mit Spanien und dem Vizekönigreich des Río de la Plata aneinander.

Ab 1805 wird in Brasilien Kaffee angebaut, nachdem die ersten Kaffeebohnen durch Francisco de Mello Palheta 1727 ins Land geschmuggelt worden waren.

Periode des Königreichs

Der Aufbruch Brasiliens in die Unabhängigkeit beginnt mit der Übersiedlung des gesamten portugiesischen Hofes von Lissabon nach Rio de Janeiro. Nach dem Scheitern seiner Schaukelpolitik zwischen Frankreich und England flieht der portugiesische Regent Dom João vor den Truppen Napoleons im November 1807 mitsamt Hof und Staatskasse nach Brasilien, wobei die britischen Flotte hilfreiche und nicht ganz uneigennützige Dienste leistet. Mit der königlichen Familie lässt sich auch der gesamte Hofstaat (alles in allem etwa 15.000 Personen) im März 1808 (nach einem Zwischenaufenthalt in Bahia) in Rio nieder - eine nicht unerhebliche Erhöhung der Einwohnerzahl der Stadt und des gesamten Landes. Vor allem aber änderte sich damit dessen Status von dem einer abhängigen Kolonie zum gleichberechtigten Bestandteil des Mutterlandes - eine Entwicklung, die nicht mehr rückgängig zu machen ist.

Die Häfen des Landes werden für befreundete Nationen geöffnet, was vor allem den Briten zugute kommt, denen auch Zollvergünstigungen eingeräumt werden müssen. Gewerbebetriebe, Hochschulen, Banken werden gegründet, der Druck von Zeitungen und Büchern zugelassen. Mit der österreichischen Prinzessin Leopoldina, die Joãos Sohn Pedro heiratete, kommen Gelehrte und Künstler ins Land, die beträchtlich zum Aufschwung des geistigen Lebens beitragen.

Erlangung der Unabhängigkeit

Siehe dazu auch den Hauptartikel Brasilianische Unabhängigkeitsbewegung

Auf dem Wiener Kongress (1815) wird Brasilien im Rahmen eines „Vereinigten Königreichs von Portugal, Brasilien und Algarve” dem Mutterland formal gleichgestellt. Der königliche Hof hätte nach der endgültigen Niederlage Napoleons nach Portugal zurückkehren können. Prinzregent João, der 1817 nach dem Tod seiner geisteskranken Mutter Maria als João VI. den Thron bestieg, zögert die Rückkehr aber immer wieder hinaus. Wachsende Unruhen im Mutterland zwingen ihn schließlich 1821 zur Abreise. Seinem Sohn, der als Regent in Brasilien zurückbleibt, soll er den väterlichen Rat gegeben haben: „Pedro, ponha a coroa na cabeça, antes que alguns desses aventureiros o faça“. (Pedro, setze dir selbst die Krone aufs Haupt ehe es irgendein Abenteurer tut.)

In dieser Zeit erlangen die anderen Staaten Südamerikas unter der Führung von Simón Bolívar ihre Unabhängigkeit. Mit dem Ruf von Ipiranga: „Independência ou morte“ (Unabhängigkeit oder Tod) setzt sich der Prinz am 7. September 1822 an die Spitze der Unabhängigkeitsbewegung nachdem der portugiesische Cortez eine Rückkehr zum Kolonialstatus gefordert hatte. Am 12. Oktober wird Brasilien zum Kaiserreich erklärt. Noch stehen portugiesische Truppen im Lande, eigene brasilianische Streitkräfte sind erst im Aufbau. Dennoch gelingt es den Brasilianern, die Portugiesen bis Ende 1823 Schritt für Schritt aus dem Lande zu drängen.

Erstes Kaiserreich

Pedro I. enttäuscht sehr bald die hochgesteckten Erwartungen, die die Brasilianer in ihn gesetzt hatten. Die Unabhängigkeit beginnt zwar glanzvoll mit der ersten Kaiserkrönung auf südamerikanischem Boden, Brasilien bekommt eine liberale Verfassung und wird eine konstitutionelle Monarchie, aber die Querelen um die Verfassunggebende Versammlung und das zunehmend autokratische Auftreten des jungen Kaisers verheißen wenig Gutes für die Zukunft.

In den kommenden Jahren wird Brasilien von vielen Staaten anerkannt (USA 1823, Großbritannien 1825, Portugal 1825). Die Monroe-Doktrin der Vereinigten Staaten macht klar, dass eine gewaltsame Wiederherstellung der Kolonialordnung in Lateinamerika für die USA nicht akzeptabel ist. Zur gleichen Zeit beginnt eine verstärkte und organisierte Einwanderung, nicht zuletzt aus Deutschland.

Regentenzeit

Der Kaiser ist schließlich isoliert im eigenen Land und dankt am 7. April 1831 zugunsten seines noch minderjährigen Sohnes ab. Als Pedro IV wird er König von Portugal.

Noch am Tage der Abdankung Pedros I. tritt das Parlament zusammen und setzt einen dreiköpfigen provisorischen Regentschaftsrat ein. Durch eine Zusatzbestimmung zur Verfassung (Ato Adicional vom 6. August 1834) werden einige Reformen durchgeführt: mehr Autonomie für die Provinzen in der Gesetzgebung und Steuererhebung und schließlich die Einsetzung eines einzigen Regenten, der an die Stelle des Regentschaftsrats treten und in allgemeiner Wahl gewählt werden soll.

Aufstände im Norden und Süden: Garibaldi in Brasilien

Uruguay spaltet sich 1825 von Brasilien ab und erklärt seine Unabhängigkeit, nachdem es nur vier Jahre als Provincia Cisplatina Teil Brasiliens war. Der Aufstand der „Cabanagem“ im Norden ist die gewalttätigste Rebellion der Regentschaftsperiode. Sie wird vor allem von den sozialen Unterschichten der Provinz Grão-Pará (die die heutigen Bundesstaaten Pará, Amazonas, Roraima, Rondônia und Amapá umfasst) getragen und erhält ihren Namen von den armseligen Hütten (cabanas), in denen der Großteil der Bevölkerung lebte. In wechselhaften Kämpfen werden die Rebellen nach drei Jahren schließlich gänzlich aufgerieben: Experten schätzen, dass im Verlauf der Kämpfe etwa 40 % der Bevölkerung der Provinz ums Leben kommen.

Bekannter noch war die Farrapen-Revolution (Revolução Farroupilha), die längste und für den territorialen Zusammenhalt Brasiliens gefährlichste Aufstandsbewegung. Sie hat vor allem ökonomische Gründe. Die Rinderzüchter der Provinz Rio Grande do Sul verlangen von der Regierung Schutzzölle gegen die Einfuhr von Fleisch aus Uruguay und Argentinien. Tatsächlich können die Argentinier und Uruguayer billiger produzieren, da sie mit freien Lohnarbeitern anstatt mit Sklaven arbeiten. Die Rebellion bricht am 20. September 1835 aus, als die Gauchos unter Führung von Bento Gonçalves den Provinzgouverneur verjagen. Bald danach wird die Republik Rio Grande do Sul ausgerufen. Die Rebellen können große Erfolge verbuchen, vor allem nachdem der italienische Revolutionär Giuseppe Garibaldi zu ihnen stößt: 1839 dringen sie bis in die Nachbarprovinz Santa Catarina vor und rufen dort eine Tochterrepublik aus.

Anders als beim Aufstand der Cabanos sind diesmal eher die führenden Schichten der Provinz beteiligt, obwohl der Namen Guerra dos Farrapos („Krieg der Zerlumpten“) das Gegenteil suggeriert. Dies erklärt die Zurückhaltung der Zentralregierung bei der Niederschlagung des Aufstands. 1842 wird Luís Alves de Lima e Silva, der spätere Herzog von Caxias, zum Militärgouverneur der Provinz ernannt, mit dem Auftrage, sie zu „befrieden“. 1845 wird schließlich eine Übereinkunft mit den Rebellen erreicht. Sie legen die Waffen gegen erhebliche Konzessionen der kaiserlichen Regierung nieder: Eingliederung der Farrapen-Truppen ins Heer, Generalamnestie und Freilassung der am Aufstand beteiligten Sklaven.

Kleinere Aufstände in Maranhão und Bahia gegen Ende der Regentschaftsperiode werden ziemlich rasch niedergeschlagen.

Zweites Kaiserreich

Kaiser Peter II. von Brasilien

1840 wird Pedro II. vorzeitig für mündig erklärt und zum Kaiser von Brasilien gekrönt.

In den 1860er Jahren wird Brasilien zur führenden Exportnation von Kautschuk. Auch der Export von Rindfleisch, Edelhölzern, Kaffee und Zucker floriert. Es kommt zu einer zögerlichen Industrialisierung (vor allem durch die Einwanderer aus Europa); der Nordosten, vom Süden wirtschaftlich überrundet, verarmt langsam.

Brasilien unterstützt den erfolgreichen revolutionären Kampf gegen den Diktator Argentiniens Juan Manuel de Rosas und führt von 1865 bis 1870, verbündet mit Argentinien und Uruguay, einen siegreichen Krieg gegen Paraguay.

Kampf um das Schicksal der Sklaven

Die innenpolitisch wichtigste Herausforderung erwächst aus einer ausgedehnten Bewegung für die Aufhebung der Sklaverei. Die „Einfuhr“ afrikanischer Sklaven wird schon 1853 geächtet. Eine organisierte Kampagne für die Emanzipation der 2,5 Millionen Sklaven in Brasilien beginnt einige Jahre später. Die Abolitionisten erringen ihren ersten Sieg 1871, als das Parlament alle Kinder, die von Sklavinnen geboren wurden, für frei erklärt („Lei do Ventre Livre“). Etwa um die gleiche Zeit entsteht eine republikanische Bewegung, die in den folgenden Jahren mehr und mehr Zulauf erhält. 1885 werden alle Sklaven über 60 Jahre für frei erklärt. 1888 unterzeichnet die Regentin Prinzessin Isabel schließlich die Lei Áurea, das Goldene Gesetz, welches die Sklaverei abschafft. Brasilien ist damit das letzte Land der westlichen Hemisphäre, in dem die Sklaverei verboten wird. Rein zahlenmäßig ist die Sklaverei inzwischen ohne Belang: es gibt noch 500 000 Sklaven bei einer Gesamtbevölkerung von 13,5 Millionen. Jedoch beraubt die Sklavenbefreiung die kaiserliche Regierung ihres letzten Rückhalts bei den Großgrundbesitzern und bereitet den Boden für die Ausrufung der Republik im November des folgenden Jahres.

„Militärfrage“ (Questão Militar)

Durch den Krieg mit Paraguay erfährt das Heer nicht nur technisch sondern auch sozial einen Modernisierungsschub. Infolge des erhöhten Personalbedarf gelangen zunehmend Angehörige der Mittelschicht in Offizierspositionen, die bisher Mitgliedern der ländlichen Oberschicht vorbehalten waren; Sklaven können durch den Militärdienst die Freiheit erlangen. Dies fördert abolitionistische Tendenzen innerhalb des Offizierskorps und bringt es in Gegnerschaft zur ländlichen Aristokratie. Die Marineführung bleibt dagegen konservativ und eine Stütze der Monarchie.

Nach dem Krieg werden die meisten Offiziere an den Militärakademien der Hauptstadt ausgebildet, wo sie mit modernen europäischen und nordamerikanischen Verwaltungsmethoden und den Ideen des Positivismus in Berührung kommen. Benjamin Constant Botelho de Magalhães (1836-1881), ein Anhänger Auguste Comtes, unterrichtet in dieser Zeit an der Escola Militar und bereitet über seine Schüler, u.a. Marschall Deodoro da Fonseca, den Militärputsch vom 15. November 1889 vor. Fonseca - obwohl dem Kaiser gegenüber persönlich loyal - wird zur Symbolfigur und zum Aushängeschild des Aufstandes. Paradoxerweise glaubt er zunächst, der Putsch richte sich nur gegen das Ministerium des liberalen Premiers Ouro Preto, nicht gegen die Monarchie an sich. Erst am Abend des 15. November lässt er sich für das Ziel der Errichtung einer Republik gewinnen.

Putsch und Ausrufung der Republik

Am 15. November 1889 wird Kaiser Pedro II. vom Militär gestürzt und muss mit seiner Familie das Land verlassen. Manuel Deodoro da Fonseca ruft die Republik der Vereinigten Staaten von Brasilien (República dos Estados Unidos do Brasil) aus.

Mehrere Faktoren tragen zum Sturz der Monarchie bei: die wachsende republikanische Bewegung, die ein brasilianisches Kaiserreich zunehmend als anachronistisch und unamerikanisch empfindet; der Konflikt mit Teilen des Klerus und schließlich die Sklavenbefreiung, die die Großgrundbesitzer der Krone entfremdet.

Die neue brasilianische Verfassung vom 5. Oktober 1988 behob den „Geburtsfehler“ der Republik, indem sie die Staatsform zum Gegenstand eines Referendums machte.

Republik

Die Jahre nach 1889 waren von politischer Stabilität geprägt. 1891 wurde Floriano Peixoto Präsident und 1894 Prudente de Morais Barros. Die Wahlen von 1898 gewann Manuel Ferraz de Campos Sales, die von 1902 Francisco de Paula Rodrigues Alves und die von 1906 Afonso Augusto Moreira Pena. Nach dessen Tod folgte 1909 Vizepräsident Nilo Peçanha in das Präsidentenamt. Die Wahlen von 1910 gewann Hermes Rodrigues da Fonseca.

Der Wohlstand war durch die große Kaffee-Nachfrage gesichert und die Wirtschaft konzentrierte sich auf diesen Zweig. 1914 gewann Venceslau Brás die Präsidentschaftswahl. In den Ersten Weltkrieg trat Brasilien offiziell auf der Seite der Alliierten gegen Deutschland ein, beteiligte sich aber nicht aktiv. In den Kriegsjahren ging die Nachfrage nach Kaffee stark zurück. 1918 gewann Rodrigues ein zweites Mal die Präsidentschaftswahl, trat das Amt wegen Erkrankung aber nicht an.

Stattdessen wurde Delfim Moreira Präsident, der aber 1919 wieder zurücktrat. Ihm folgte Vizepräsident Epitácio da Silva Pessoa nach. In den 1920er Jahren forderten große Teile der Bevölkerung ein Ende der Oligarchie. Die Wahlen von 1922 gewann Arturo da Silva Bernardes, die von 1926 Washington Luís Pereira de Sousa und die von 1930 Júlio Prestes.

Die Ära Vargas

Als dann 1930 die Kaffee-Preise nochmals einbrachen, führte Getúlio Vargas, der "Vater der Armen", einen Aufstand an und wurde so Präsident. In den ersten Monaten seiner Regierungszeit wuchs die Wirtschaft Brasiliens spürbar. 1937 wurde die Herrschaft Vargas als "wohlwollender Diktatur" festgeschrieben.

1942 erklärte er nach einer Serie von U-Boot-Angriffen auf brasilianische Schiffe den Krieg gegen die Achsenmächte. Er entsandte ein 25.000 Mann starkes Expeditionskorps und eine Fliegerstaffel nach Italien, die unter anderem in der Schlacht um Monte Cassino eingesetzt wurde. Trotz dieser recht geringen Anzahl gelang es ihnen, mit britischer Hilfe insgesamt über 20.000 deutsche und italienische Gefangene zu machen, während nur ca. 500 Brasilianer ums Leben kamen.

1945 wurde Vargas von der Armee abgesetzt. Zunächst setzte sie José Linhares als Präsidenten ein, der aber 1946 im Zuge von Wahlen durch Eurico Gaspar Dutra wieder abgelöst wurde. 1951 wählte das Volk Vargas erneut zum Präsidenten. Weil sich die USA gegen die sozialistische Politik Brasiliens stellte und daraufhin Rechte und die Armee Vargas' Rücktritt forderten, beging er 1954 Selbstmord.

Unruhige Zeiten

Zunächst wurde João Café Filho Präsident. Ihm folgte 1955 Carlos Coimbra da Luz, der aber noch im selben Jahr durch Nereu Ramos abgelöst wurde. Erst die Wahlen von 1956 brachten mit dem Sieg von Juscelino Kubitschek vorübergehende Stabilität. Er sorgte mit Hilfe der Partido Trabalhista Brasileiro (PTB) für neue, ausländische Investoren, die die brasilianische Wirtschaft in den späten 1950er Jahren ankurbelten. 1960 wurde dann Jânio da Silva Quadros zum Präsidenten gewählt. Nach seinem Amtsantritt 1961 versuchte er die Abhängigkeit zu den USA zu lösen und den desaströsen Staatshaushalt zu sanieren. Nach nur wenigen Monaten im Amt trat er wieder zurück, sein Nachfolger wurde der bisherige Vize-Präsident João Goulart, kurz nachdem die neue Hauptstadt Brasília nach drei Jahren Bauzeit eingeweiht wurde. Auch Goulart war in der Bevölkerung nicht unumstritten, weshalb seine Befugnisse in den ersten drei Präsidentschaftswahlen nur eingeschränkt waren.

Militärdiktatur

1964 putschte das Militär, unterstützt durch verdeckte Operationen des US-Geheimdienstes CIA[2], und zwang Goulart ins Exil. Das neue Regime unter General Humberto Castelo Branco unterdrückte die linke Opposition und entzog etwa 300 Personen die politischen Rechte. Ein 1965 verabschiedetes Gesetz schränkte die bürgerlichen Freiheiten ein, sprach der Nationalregierung weitere Machtbefugnisse zu und bestimmte die Wahl des Präsidenten und Vizepräsidenten durch den Kongress.

Der ehemalige Kriegsminister Marschall Artur da Costa e Silva, Kandidat der Regierungspartei ARENA (Aliança Renovadova National; deutsch: Allianz zur nationalen Erneuerung) wurde 1966 zum Präsidenten gewählt. Die Brasilianische Demokratische Bewegung (MDB, Movimento Democrático Brasileiro), die einzige legale Oppositionspartei, weigerte sich aus Protest einen Kandidaten für die Wahl aufzustellen, weil die Regierung alle ernst zu nehmenden Gegenkandidaten nicht zugelassen hatte. 1966 gewann die ARENA auch die National- und Parlamentswahlen.

Das Jahr 1968 stand im Zeichen von Studentenunruhen und Streiks. Das Militärregime reagierte mit politischen Säuberungsaktionen und Zensur. Im August 1969 wurde Costa e Silva entmachtet. Das Militär bestimmte General Emílio Garrastazu Médici zu seinem Nachfolger, der Kongress wählte ihn zum Präsidenten. Unter Médici wurden die Repressionen verstärkt und in der Folge nahmen die revolutionären Aktivitäten zu. Der römisch-katholische Klerus erhob seine kritische Stimme immer öfter und prangerte die Bedingungen der armen Bevölkerung an.

1974 wurde General Ernesto Geisel, nach seiner Militärkarriere Präsident der „Petrobras“, der staatlichen Ölmonopolgesellschaft, zum brasilianischen Präsidenten gewählt. Aufgrund der relativen politischen Stabilität und gezielter Förderung der Industrie war die Zeit der Militärmachthaber zugleich eine Zeit des Wirtschaftsbooms; viele Investoren - auch aus Deutschland - haben in den 1970er Jahren in Brasilien investiert.

1979 wurde General João Baptista de Oliveira Figueiredo neuer Präsident. Anfang der 1980er Jahre schwächte die Militärregierung die Repression deutlich ab, bis schließlich 1985, auch aus Mangel an eigenen Optionen aus dem Militärkader und bereits inmitten einer Wirtschaftskrise mit galoppierender Inflation, freie Wahlen zugelassen wurden.

Demokratie

Der Wahlsieger Tancredo Neves verstarb 1985 unter bis heute ungeklärten Umständen noch vor seinem Amtsantritt. Im selben Jahr wurde das Wahlrecht für Analphabeten eingeführt. 1987 fand man auf Yanomami-Land im Bundesstaat Roraima Gold, was viele illegale Goldgräber auf den Plan rief. Im Jahr 1988 wurde eine neue Verfassung verabschiedet, die zwar vorsah die Sozialausgaben zu erhöhen, aber weder eine Landreform noch den Schutz der Indios enthielt. 1988 wird auch der Gewerkschafter und Umweltschützer Chico Mendes ermordet. 1989 wurde ein erster Umweltschutzplan beschlossen. Die Inflation lag in diesen Jahren bei bis zu 1000 %. Am 26. April 1991 wurde Mercosur (portugiesisch Mercosul) gegründet. Dieser Gemeinsame Markt des Südens, den die Staaten Argentinien, Paraguay und Uruguay gemeinsam mit Brasilien gründeten, ist ein Binnenmarkt mit mehr als 230 Millionen Einwohnern, der die Wirtschaft der Mitgliedsländer und dadurch die Stellung Lateinamerikas in der Welt stärken sollte.

1992 fand der UN-Umweltgipfel in Rio de Janeiro statt. Außerdem trat Präsident Fernando Collor de Mello nach Korruptionsvorwürfen von seinem Amt zurück. 1993 konnte die Bevölkerung Brasiliens in einem Referendum über die Staatsform entscheiden. Die Wahl fiel dabei eindeutig auf die Republik. 1994 wurde eine umfassende Währungsreform beschlossen. Durch die neue Währung („Plano Real“ eingeführt von Fernando Henrique Cardoso) endete die Hyperinflation vorerst. Zur weiteren Sanierung des Haushalts beschließt das Parlament zwar die Privatisierung von Staatsmonopolen, lehnt eine Verfassungsänderung allerdings ab. 1999 wird Fernando Henrique Cardoso erneut zum Präsidenten gewählt, obwohl das Land in einer wirtschaftlichen Krise steckte, auch der Real wurde wieder abgewertet. In den nächsten beiden Jahren konnte sich die Wirtschaft wieder erholen. Von 2002 bis 2006 stieg der Real gegenüber dem Euro, welches dem Kapitalexport Brasiliens in diesem Zeitraum nicht schadete.

Seit 2003 ist Luiz Inácio Lula da Silva von der Arbeiterpartei PT Präsident Brasiliens. Er hat soziale Programme wie „Null Hunger“ (Fome Zero) oder eine Landreform als Ziele propagiert. Viele Unterstützer werfen ihm aber vor, sie zugunsten einer (nach makroökonomischen Daten erfolgreichen) liberalen Wirtschaftspolitik zu vernachlässigen. 2004 führte Brasilien erstmals in seiner Geschichte UN-Friedenstruppen an, das Militär entsandte 1.470 Soldaten nach Haiti. Silva kooperiert mit anderen linken lateinamerikanischen Staatschefs wie Hugo Chavez und Nestor Kirchner.

Verweise

Einzelnachweise

  1. Vgl. 'Lost towns' discovered in Amazon, in: BBC News 28. August 2008.
  2. Historische Dokumente, die gemäß dem Freedom of Information Act veröffentlicht und von Peter Kornbluh editiert wurden.

Weblinks

Literatur

  • Hartmut-Emanuel Kayser: Die Rechte der indigenen Völker Brasiliens - historische Entwicklung und gegenwärtiger Stand. Shaker Verlag, Aachen 2005, 666 S., 9 Abb., ISBN 3-8322-3991-X
  • Teresa Pinheiro: Aneignung und Erstarrung. Die Konstruktion Brasiliens und seiner Bewohner in portugiesischen Augenzeugenberichten 1500-1595, (= Beiträge zur Kolonial- und Überseegeschichte, Band 89) Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2004, 355 S. ISBN 3-515-08326-X
  • Michel Braudeau: Le Rêve amazonien. éd° Gallimard, 2003
  • Jean-Louis Blanc: Les Grands Fleuves du monde, Aux sources de la vie. éd° Jacques Glénat, 2003, 194 S., 206 Fotos, 21 Karten
  • Bennassar Bartolome, Marin Richard: Histoire Du Brésil (1500-2000). éd° Fayard, 2000, 600 S., Histoire du Brésil


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