Gesellenstechen

Gesellenstechen
Zweikampf während eines Ritterturniers

Bei einem Turnier (von mittelhochdeutsch turnier „Kampfspiel“ und turnieren das Pferd „tummeln, wenden, drehend bewegen“) treten mehrere Einzelpersonen oder Gruppen in einem meist sportlichen Wettkampf gegeneinander an.

Inhaltsverzeichnis

Moderne Turniere

Schülerschachturnier

Ziel eines Turniers ist es, den besten Spieler, den besten Sportler oder die beste Mannschaft zu ermitteln.

Es gibt die unterschiedlichsten Turnierformen. Am bekanntesten und öffentlichkeitswirksamsten sind sicherlich Sport- und Spieleturniere, bei denen Menschen in sportlichen und spielerischen Disziplinen gegeneinander antreten, z. B. Fußball- oder Schachturniere. Aber auch in weniger bekannten Disziplinen gibt es Turniere; so veranstalten beispielsweise Debattierclubs Turniere im Debattieren.

Dabei müssen die Teilnehmer nicht unbedingt auf direktem Weg ihre Fähigkeiten miteinander messen. Bei Roboterturnieren treten Roboter als direkte Gegner in verschiedenen Disziplinen, von Labyrinth-Rennen bis Roboterfußball, gegeneinander an, wodurch die Fähigkeiten der Entwickler indirekt miteinander verglichen werden. Im rein virtuellen Software-Bereich gibt es ähnliche Turniere; ein klassisches Beispiel ist Krieg der Kerne, bei dem Programme in einem simulierten Computerspeicher um ihr „Überleben“ kämpfen.

Historische Turniere

Ritterturnier in München vor Albrecht IV. von Bayern im Jahr 1500

Als Turnier bezeichnet man unter anderem ein ritterliches Kampfspiel.

Es gab zum Beispiel Einzelkämpfe in verschiedenen Sparten, wie Schwertkampf, Bogenschießen und das Lanzenstechen (Tjost), aber auch Massengefechte (Buhurt) mit stumpfen Waffen. Das mittelalterliche Turnier entwickelte sich aus den Kampfübungen der Krieger und verkam in späterer Zeit zu einer reinen Schau für das Volk. Frühe spätmittelalterliche Genealogen griffen in ihrem Vorhaben, adligen Familien möglichst frühzeite Nennung von Vorfahren zu verschaffen, auf oftmals fiktive, selbst erdachte Teilnehmerverzeichnisse von Turnieren zurück.

Ritterturniere werden auch heute noch auf Mittelalterveranstaltungen von Stuntmen vor Publikum nachgespielt. Siehe auch Reenactment.

Adliges Turnier

Ursprünglicher Träger der Turniere war die Ritterschaft als zentrale Erscheinungsform der mittelalterlichen Sozialordnung. Die Ritterschaft entstand im Zuge der Auseinandersetzungen um das zerfallende Reich der Karolinger im 9. und 10. Jahrhundert als militärische Antwort auf die fortschrittliche Reitertaktik von Normannen, Magyaren und Sarazenen. Sie bildete alles in allem eine schnell bewegliche (mithin berittene), fortschrittlich gerüstete (gepanzerte) und insbesondere auf das Kriegshandwerk spezialisierte Gruppe, in der sich rasch ein eigenes Standesbewusstsein mit genau definierter Standeskultur und ständischen Ritualen herausbildete. Dieses Bewusstsein entfaltete aufgrund seiner sowohl dichten und professionellen Struktur als auch durch seine symbolisch-kulturellen und sittlichen Muster zunehmend auch Wirkung auf den gesamten Adel.

Voraussetzung für die militärische Schlagkraft dieser Gruppe war die militärische Übung; Grundlage für die Erhaltung der Kampfkraft der Panzerreiter war das ständige Training verbunden mit der Formulierung eines feststehenden Kanons von Übungen bestimmter Angriffs- und Abwehrfiguren. Den Rahmen dieser Übungen oder „Manöver“ bildete das Turnier. Entsprang das Turnier somit ursprünglich einer militärischen Notwendigkeit, so entwickelte es sich allmählich als ein freies, ritterliches Kampfspiel zum Kern- und Höhepunkt ritterlicher bzw. adliger Kultur schlechthin.

Unter Bezug auf die militärische Wirklichkeit bildeten sich verschiedene Turnierarten heraus, die den militärischen Operationen auf dem Schlachtfeld entsprachen. Zunächst einmal gab es den sogenannten Buhurt, ein Massenturnier, bei dem in hohem Tempo zwei Haufen gegeneinandersprengten und einander aus dem Sattel stoßen mussten. War dies ursprünglich die am weitesten verbreitete Turnierform, sorgte die aus ökonomischen Gründen erfolgende zunehmende Verlagerung der Festlichkeiten in die Städte des Spätmittelalters dafür, dass in der Folge der sogenannte Tjost, ein Zweikampf gut trainierter Panzerreiter, die in hartem Galopp aufeinanderprallten, einander mit stumpfer Lanze aus dem Sattel stechen und häufig noch ein Schwertduell liefern mussten, in den Vordergrund trat. Der Tjost ließ sich nämlich besser auf den Plätzen der spätmittelalterlichen Städte durchführen als der raumgreifende Buhurt. Im 15. und frühen 16. Jahrhundert erlebten die Turnierformen des Welschen Gestechs und des Rennens eine streng formalisierte Hochblüte, mit welcher auch das Zeitalter der Turniere vorüberging.

Entscheidend ist, dass die Teilnahme am Turnier von Beginn an nur adligen Rittern und Ritterbürtigen vorbehalten war. Jeder Turnierteilnehmer musste sich einer Wappenprobe durch den spielleitenden Herold unterziehen. Diese ursprüngliche Exklusivität machte das Turnier in Verbindung mit seiner Funktion als höchster Ausdruck ritterlicher bzw. adliger, insbesondere landsässig-adliger Lebenswelt und –kultur zu einer idealen Repräsentationsform des Adels, gerade und auch unter Abgrenzungsgesichtspunkten zu anderen gesellschaftlichen Gruppen.

Institutionalisiert findet man dies insbesondere in den Turniergesellschaften des süddeutschen Raumes im Spätmittelalter: Die Ehre der Turniergesellschaften verlangte rechtmäßiges Verhalten der Mitglieder im Alltag. Turnierordnungen dienten dem festlichen Gepränge des Hofes, des Turniers; sie wiesen aber auch immer wieder vom Fest zurück auf das alltägliche Dasein des Adels und seine Verpflichtungen in der Welt. Die deutschen Turniergesellschaften waren daher alles andere als die Flucht in eine Scheinwelt vergangener ritterlicher Hochkultur.

Turnierwaffen

Austragungsort oder besser Spielfeld dieser adligen Repräsentation war ursprünglich der Innenhof der Kernburg oder der Zwinger. Der Adel verlegte die ritterlichen Kampfspiele jedoch zunehmend in die unmittelbare Umgebung der Städte bzw. sogar in die Städte selbst, auf deren Marktplätzen der steinige Boden zum Schutz von Ross und Reiter bei Stürzen mit dicken Strohschütten belegt wurde. Insofern hielt die mittelalterliche Stadt als Bühne adligen Vergnügungs- und Standesspieles und die Bürger der Stadt als Publikum für den adligen Wettstreit her. Die zunehmende bürgerliche Adaption des Turniers als Festlichkeit der Stadt bewog den Adel, auch im Bereich des Turniers Abgrenzungsbestrebungen vorzunehmen.

Der landsässige Adel reagierte damit auf die Entwicklung, dass sich reiche Bürger aufwendige Rüstungen leisteten und selbst Wappen zulegten, und gründete in der Folge Adels- und Turniergesellschaften, deren Ziel es war, Bürgerliche von bestimmten Bereichen der adligen Lebenswelt auszuschließen. Für den Bereich des Turniers wurden innerhalb der Turniergesellschaften Turnierordnungen – etwa das Würzburger Turnierregister von 1479 oder die Heidelberger Turnierordnung von 1485 – formuliert, die all jene als nicht turnierfähig ausschlossen, die Handel trieben. Damit war natürlich in erster Linie das städtische Patriziat gemeint. Doch suchten diese Vorschriften auch die eigenen Standesmitglieder über den Turnierehrenkodex zu ständischer Selbstvergewisserung anzuhalten, wenn sie etwa unter die unehrlichen, vom Turnier ausschließenden Verhaltensweisen Fälle einordneten, bei denen Adlige unter ihrem Stande heirateten oder Kaufleute Handel trieben:

„Item alle die sich aus dem adel beweiben, mit denen mag man turnieren und straffen wer will. Item alle die von adel kaufschläge oder händel treiben oder mit ihnen legen als ander gemein kaufleut ungefährlich, die soll man straffen“.

Doch auch am Beispiel des Turniers wird die Ambivalenz adligen Verhaltens, die Parallelität von zunehmender Abgrenzungssystematik und fortschreitender Hinwendung zur Stadt und ihren Bürgern deutlich. Turniere werden vom landsässigen Adel aus Kostengründen und zu Zwecken der eigenen Repräsentation zunehmend in die mittelalterlichen Städte verlagert. Am Ende dieser Entwicklung im 16. Jahrhundert stand, dass – mit deutlicher Konzentration auf den oberdeutschen und österreichischen Raum – alleiniger Schauplatz von Turnieren die Residenzstädte, u. a. Innsbruck, Wien, München, Heidelberg und Dresden, waren.

Jost Amman: Gesellen-Stechen der Patriziersöhne in Nürnberg, 1561

Der Grund für die Verlegung in die Städte war, dass die Kosten des Turniers stiegen und die mittelalterliche Stadt als Veranstalter und Kostenträger zunehmend auch vom landsässigen Adel geschätzt wurde. Zudem bot die Stadt die wesentlich bessere Infrastruktur für ein Turnier, war doch längst nicht mehr jeder Adlige in der Lage, auf seinen Landsitzen eigene Handwerker der Rüstkunst, die Plattner, vorzuhalten. Mit der Verselbständigung ihres spielerischen und repräsentativen Charakters wurden die Turniere in den Städten mehr und mehr zu einer Angelegenheit der finanziell leistungsfähigen Oberschicht des Adels. Allein schon die von Spezialwerkstätten gefertigten Turnierharnische kosteten ein Vermögen – ganz abgesehen davon, dass Prunkharnisch- und Turnierwerkzeugmacher letzten Endes nur noch in den großen Städten zu finden waren.

Literatur

  • David Crouch: The Tournament. Hambledon & London, London 2005, ISBN 1-85285-460-X.
  • Richard Barber, Juliet Barker: Die Geschichte des Turniers. Wiss. Buchges., Darmstadt 2001
  • R. Bentmann: Nachwort in: J. H. von Hefner-Alteneck (Hrsg.): Hans Burgkmaiers Turnier-Buch. Nachdruck 1978, Dortmund 1980, S. 71–89.
  • Josef Fleckenstein (Hrsg): Das ritterliche Turnier im Mittelalter. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1985, ISBN 3-525-35396-0.
  • P. Johanek: Adel und Stadt im Mittelalter. In: N. Reimann (Hrsg.): Adel und Stadt. Vorträge auf dem Kolloquium der Vereinigten Westfälischen Adelsarchive e. V. vom 28. bis 29. Oktober 1993 in Münster (Vereinigte Westfälische Adelsarchive e. V., Veröffentlichungen Nr. 10), Münster 1998, S. 9–35
  • H. Obenaus: Recht und Verfassung der Gesellschaften mit St. Jörgenschild in Schwaben. Untersuchungen über Adel, Einung, Schiedsgericht und Fehde im fünfzehnten Jahrhundert (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Nr. 7), Göttingen 1961
  • H. K. Schulze: Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter. Band II: Familie, Sippe und Geschlecht, Haus und Hof, Dorf und Mark, Burg, Pfalz und Königshof, Stadt. Stuttgart/Berlin/Köln 1992
  • T. Zotz: Adel in der Stadt des deutschen Mittelalters. Erscheinungsformen und Verhaltensweisen. In: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 141. 1993, S. 22–50

Siehe auch

Weblinks


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