Gesellschaftsmodell

Gesellschaftsmodell
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Als Gesellschaft bezeichnet man in der Soziologie

  • allgemeiner eine durch unterschiedliche Merkmale zusammengefasste und abgegrenzte Anzahl von Personen, die als soziale Akteure miteinander verknüpft leben und direkt oder indirekt interagieren;
  • die Gesamtheit der Verhältnisse zwischen den Menschen (Marx);
  • soziologisch nach Ferdinand Tönnies eine genau definierte Gruppierung von Personen, „Gesellschaft“ im Gegensatz zur „Gemeinschaft“ (vgl. Gemeinschaft und Gesellschaft);
  • in der kommunikationstheoretischen Konzeption Niklas Luhmanns wird die Gesellschaft als "alle füreinander kommunikativ zugänglichen Ereignisse" beschrieben.

Inhaltsverzeichnis

Zum Begriff

„Gesellschaft“ bedeutet wörtlich den Inbegriff räumlich vereint lebender oder vorübergehend auf einem Raum vereinter Personen. Das ergibt sich aus der etymologischen Herleitung des Wortes von ahd. sal = Raum, ahd. selida = Wohnung; heute noch erhalten in nhd. "Saal", skand. sal = Stockwerk; russ. sajelo = Hof, Landsitz. - "Geselle", ahd. gisellio, ist demnach der "Saalgenoss".[1]

Diese Begriffsherkunft ist im heutigen Sprachgebrauch noch in (oft für das zeitgenössische Ohr altertümlich klingende) Begriffen wie "Geselle", "sich gesellen" (vgl. Gleich und gleich gesellt sich gern.) oder "gesellig" ("Geselligkeit") erkennbar. In den alten Bedeutungen des Wortes ist der Zusammenhang mit der Raumvorstellung erhalten: die zusammen im selben Raum wohnen (Tafelrunde, Werkstatt, Haushalt,...) oder etwa die versammelten Gäste. Im Mittelalter wird das Wort auch auf Gesellungsformen übertragen, die nicht räumlich bestimmt sind. Schon immer in einem spezifischen Sinne hat sich die Rechtssprache dieses Ausdrucks bedient, wobei sich der Wechsel vom römischen Recht zum germanischen Recht bemerkbar machte. In Schleiermachers Unterscheidung von Gesellschaft und Gemeinschaft klingt dieses Rechtsdenken an; Gierkes Theorie der menschlichen Verbände beeinflusste die Historische Rechtsschule. Das Naturrecht wirkte nach in der Philosophie des Idealismus und der Romantik.[2]

Die Ideen der Aufklärung von einer vernunftgemäßen Regierung wurden durch die Französische Revolution der breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht, wobei im 19. Jahrhundert dann "Gesellschaft" zur Übersetzung von engl. society und frz. société eingesetzt wurde. Der Begriff der civil society oder "bürgerlichen Gesellschaft" diente dem aufkommenden Bürgertum als Gegenbegriff zum absolutistischen Fürstenstaat. Fortan wurde der Begriffsdualismus Staat/Gesellschaft grundlegend für die politische Philosophie des Liberalismus.[3]

Biosoziologisch gesehen ist der Mensch von Natur in Gesellschaft, mit (bereits) Aristoteles' Worten also ein ζώον πολιτικόν (zóon politikón), ein auf „Staaten-(Gemeinden-, Poleis-)Bildung angelegtes Wesen“.

Der Begriff „Gesellschaft“ bezeichnet dabei sowohl die Menschheit als ganze (gegenüber z. B. dem Tierreich), als auch bestimmte Gruppen von Menschen, beispielsweise ein Volk, oder einen strukturierten, räumlich abgegrenzten Zusammenhang zwischen Menschen (z. B. „die schwedische Gesellschaft“) oder für ein durch die Dichte und Multiplexität sozialer Interaktionen abgegrenztes Knäuel (cluster) im Netzwerk der Menschheit.

Die Bezeichnung „Gesellschaft“ ist als zentraler Grundbegriff der Soziologie umstritten. Nach Marx ist die Gesellschaft die Summe der Beziehungen und der Verhältnisse unter den Individuen und nicht die Individuen als solche. [4] Analytisch eingeführt wurde der Terminus in der sich etablierenden Soziologie durch Ferdinand Tönnies 1887 in seinem Werk Gemeinschaft und Gesellschaft. Tönnies stellt dem Begriff Gemeinschaft, welche sich durch gegenseitiges Vertrauen, emotionale Anbindung und Homogenität auszeichnet, den Begriff Gesellschaft gegenüber, derer sich die Akteure mit jeweils individuellen Zielen bedienen. Dies führt zu einer nur losen Verknüpfung der Individuen in der Gesellschaft. Beide, „Gemeinschaft“ und „Gesellschaft“, sind für ihn gemeinsamer Gegenstand der Soziologie. Dieser axiomatisch abgestützte und streng deduktiv gewonnene „Gesellschafts“-Begriff i. e. S. wird in der Soziologie noch verwendet; jedoch von den meisten Soziologinnen und Soziologen wird er nicht benutzt; sie bevorzugen sehr oft einen lockereren innerwissenschaftlichen Wortgebrauch. Max Weber knüpft mit seinem Begriff Vergesellschaftung noch stark an Tönnies’ Merkmale an.

Niklas Luhmann spricht von einer „Gesellschaft“, wenn konformes bzw. abweichendes Verhalten in Bezug auf Normen und Werte festgelegt ist und eine entsprechende Differenzierung von Erwartungen und Reaktionen vorhanden ist (Luhmann – „Interaktion, Organisation und Gesellschaft“, in: Ders., „Soziologische Aufklärung, Bd. 2: Aufsätze zur Theorie der Gesellschaft“, 1975).

Konkrete Anwendung des Begriffs

Für konkrete Anwendungen des Begriffs wird die Grenze der Gesellschaft wegen allzu schlecht bestimmbarer Allgemeinbegriffe meist da angesetzt, wo (vermeintlich) die Gemeinsamkeit endet, die mit der Verwendung des Begriffs angedeutet werden soll. Diese Gemeinsamkeiten werden nach verschiedenen Kriterien abgegrenzt. So werden einzelne Länder (Abgrenzungskriterium: Landesgrenzen) als Gesellschaften bezeichnet, ebenso wie Kulturen (Abgrenzungskriterium: Kulturgrenzen) und soziale Systeme.

Wer Soziologie betreibt, wird immer fragen, wer erfolgreich eine Gesellschaft definiere. Dies ist schwieriger als beim Staat (auch der Nation) zu ermitteln, der durch völkerrechtlichen Vertrag oder erfolgreiche Proklamation entsteht, oder selbst beim Volk, das sich im Selbstverständnis durch symbolische, miteinander eng vernetzte Medien (Sprache, Liedgut, Abstammungs- und andere Mythen usw. als solches versteht, oft mit dichterischer Nachhilfe – vgl. Homer, Dante, Luther; Nationaldichter). Wer aber definiert z. B. die polnische Gesellschaft, d. h. grenzt das oben angesprochene Knäuel im sozialen Netzwerk Ostmitteleuropa als das polnische ab? Vermutlich Soziolog/inn/en.

Den politischen Eliten kann das kaum Recht sein. Die konservative Politikerin Margaret Thatcher stellte die Existenz von Gesellschaft überhaupt in Abrede.

Soziologische Schulen und ihr Zugriff zur Gesellschaft

Bei Tönnies ist „Gesellschaft“ eine besondere Form gegenseitiger gewollter Bejahung von Menschen, die sich dieser Form als eines Mittels zur Erreichung ihrer individuellen Ziele bedienen (s. o.).

Im (z. B.) Strukturfunktionalismus bildet sich aus Akteuren dann eine Gesellschaft, wenn sie in der Lage ist, mittels bestimmter sozialer Funktionen die menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. Talcott Parsons, aber auch: den Funktionalismus). Funktional darauf ausgerichtet bilden sich Institutionen und ohne die Herausbildung von entsprechenden Strukturen ist eine dauerhafte Bedürfnisbefriedigung nicht möglich. Auch ein Robinson Crusoe überlebt nur, weil er die Methoden zur Bewältigung der Welt (Normen, Werte, Fähigkeiten) verinnerlicht hat, weil er die Gesellschaft in sich trägt – z. B., wenn er auf seiner einsamen Insel fromm wird. Akteur (oder, strittig, Individuum) und Gesellschaft stehen in einem wechselseitigem Abhängigkeitsverhältnis. Langfristig stabilisieren sich Gesellschaften nur, wenn sie sich über Sozialisation Strukturen und Wertvorstellungen reproduzieren. Ursprüngliche Instanz ist hier durch biologische Determination die Kernfamilie (sogar dies ist umstritten).

Gesellschaft in systemtheoretischen Begriffen ist, mit Luhmann ausgedrückt, das umfassendste soziale System, die Einheit, die keine soziale Umwelt mehr hat und alle (anderen) sozialen Systeme, Verhältnisse und Tatbestände umfasst. Anders ausgedrückt ist Gesellschaft alles, was durch Kommunikation füreinander erreichbar ist.

Für Pierre Bourdieu ist Gesellschaft nicht völlig erklärbar. Es gebe aber zwei zu unterscheidende Ebenen: die Ebene der sozialen Praxis, in der sich das Leben nach Regelmäßigkeiten abspiele, deren Ablauf die Akteure zum großen Teil unbewusst inkorporiert haben, und die Ebene der Theorie der Praxis, wo untersucht werden müsse, die unbewussten, in ihrer Gesamtheit kaum wahrgenommenen Machtverhältnisse der sozialen Praxis aufzudecken, und zwar dort, wo sie weitest gehend mit den Gewohnheiten des Handelns, des Wahrnehmens und Beurteilens bricht. Bourdieus sehr einflussreiches Werk enthält damit eine gesellschaftskritische Komponente.

Auch in der heutigen Soziologie ist die Verwendung des Begriffes Gesellschaft umstritten. So fordert z. B. der britische Soziologe John Urry für eine Soziologie des 21. Jahrhunderts die Abkehr von der Analyse von Gesellschaften (Sociology Beyond Societies, London 2000).

Weltgesellschaft

Tönnies’ und Luhmanns Ansätze erlauben – wie die vieler anderer soziologischer Makrotheoretiker – auch die Konzeption einer Weltgesellschaft (bei Karl Marx durch den durchdringenden Ausbeutungsmechanismus im Kapitalismus; bei Ludwig Gumplovicz durch den Krieg zwischen Gruppen; bei Ferdinand Tönnies durch den Fernhandel; bei Niklas Luhmann durch Anschluss von Kommunikationmedien wie etwa durch Zahlungen von Geld; usw.).

Marxismus

Die Gesellschaft wird hier nach dem geschichtlichen Entwicklungsstand der Produktionsverhältnisse beschrieben, wobei Marx zunächst drei grundlegende Gesellschaftsformationen beschreibt:

  • die ursprüngliche primäre oder archaische Formation (Urgesellschaft) auf dem Boden des Gemeineigentums und sozialer Homegenität, die sich auf ihrer letzten und höchsten Entwicklungsstufe mit der Teilung der Arbeit, mit individuell genutztem Gemeineigentum allmählich sozial differenziert und in die sekundäre Formation hinüberzuwachsen beginnt.
  • die sekundäre Formation der auf großem Privateigentum basierenden sozialheterogenen Gesellschaften (asiatische Produktionsweise, Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus und bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft)
  • die kommunistische Gesellschaftsformattion mit dem Sozialismus als ihrer ersten Entwicklungsstufe

Ähnlich wie Marx die höchste Stufe der primären Formation, z. B. in der Form der Markgenossenschaften, als eine Übergangsform zur sekundären Formation bestimmt hat, begreift Marx die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft als die bereits sich vollziehende erste Negation der alten Klassengesellschaften noch innerhalb ihres historischen Rahmens, also als eine transitorische Form, die "in ihrem Schoße" die Voraussetzungen für die kommunistische Formation hervorbringt.

Literatur

  • Norbert Elias: Was ist Soziologie? Juventa, München 1970
  • Johannes Heinrichs: Logik des Sozialen. Woraus Gesellschaft entsteht. Steno, München 2005
  • Karl-Heinz Hillmann: Gesellschaft. In: Wörterbuch der Soziologie. 4. Auflage. Kröner, Stuttgart 1994, ISBN 3-520-41004-4
  • Peter Koslowski: Evolution und Gesellschaft. Eine Auseinandersetzung mit der Soziobiologie. 2. Auflage. Mohr Siebeck, Tübingen 1984
  • Niklas Luhmann: Die Gesellschaft der Gesellschaft. 1997, ISBN 3-518-28960-8
  • Gunter Runkel: Allgemeine Soziologie. Gesellschaftstheorie, Sozialstruktur und Semantik. Oldenbourg, München/Wien 2005, ISBN 3-486-57708-5 (v.a. Kap. 2: Soziologische Klassiker und ihre Theorien)
  • Ferdinand Tönnies: Gemeinschaft und Gesellschaft.1887; Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005
  • Bernard Willms: System und Subjekt oder die politische Antinomie der Gesellschaftstheorie. In: Franz Maciejewski (Hrsg.): Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie. Suhrkamp, Frankfurt 1973, ISBN 3-518-06101-1, S. 43–77

Siehe auch

Quellen

  1. Theodor Geiger: Gesellschaft. In: Alfred Vierkandt, (Hg.): Handwörterbuch der Soziologie. Ferdinand Enke : Stuttgart 1982. ISBN 3-432-91551-9
  2. Theodor Geiger: Gesellschaft. In: Alfred Vierkandt, (Hg.): Handwörterbuch der Soziologie. Ferdinand Enke : Stuttgart 1982. ISBN 3-432-91551-9
  3. Theodor Geiger: Ideologie und Wahrheit. Eine soziologische Kritik des Denkens. Luchterhand : Neuwied und Berlin 2. Aufl. 1968. S. 93f
  4. Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 1857

Weblinks


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