Gienke

Gienke

Horst Gienke (* 18. April 1930 in Schwerin) war von 1972 bis 1989 Bischof der Pommerschen Evangelischen Kirche.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Horst Gienke wurde am 18. April 1930 in Schwerin als Sohn eines Beamten geboren. Von 1948 bis 1953 studierte Gienke in Rostock evangelische Theologie. Danach war er Gemeindepfarrer in Blankenhagen bei Ribnitz und in Rostock. Von 1964 bis 1972 war Gienke Leiter des Predigerseminars der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs in Schwerin. 1970 wurde er für das Amt des Bischofs der Mecklenburgischen Landeskirche vorgeschlagen, die Synode wählte jedoch Heinrich Rathke ins Bischofsamt. Am 1. Januar 1972 wurde er zum Landessuperintendenten von Schwerin berufen. Im März 1972 wurde Gienke als Nachfolger von Friedrich-Wilhelm Krummacher zum Bischof der damaligen "Evangelischen Landeskirche Greifswald" gewählt (bis 1968 und ab 1990: Pommersche Evangelische Kirche). Ab 1972 führte ihn das Ministerium für Staatssicherheit als "Inofiziellen Mitarbeiter". Von 1973 bis 1976 und 1987 bis 1989 war er Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche der Union (EKU) in der DDR. 1980 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Sektion Theologie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald verliehen. Von seiner Jugendzeit in der Jungen Gemeinde Schwerin angefangen, über seine gesamte Wirkungszeit in der evangelischen Kirche bis zu öffentlichen Äußerungen in seiner Alterszeit, zeigte Horst Gienke eine Offenheit für den Diskurs sowohl mit Gleichgesinnten wie auch mit Andersdenkenden, ganz gleich, aus welchem Glaubens-, Lebens- und Politikbereich sie kamen. Seine charakteristische Grundeinstellung war dabei immer die Suche nach Gemeinsamkeiten im Interesse der Menschen und der Versuch, in der Gesellschaft vorhandene Feindbilder zu überwinden. Im November 1989 wurde Gienke, dessen autoritäres Amtsverständnis sowie dessen SED-nahe Amtsführung zunehmend kritisiert worden waren, von der Landessynode zum Rücktritt aufgefordert und im Anschluss mit seiner Zustimmung in den vorläufigen Ruhestand versetzt.

Gienke ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Rücktritt als Bischof

Am 11. Juni 1989 wurde in Greifswald in einem Festakt unter Anwesenheit des Generalsekretärs des Zentralkomitees der SED und DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker der Dom St. Nikolai nach umfangreicher Sanierung wieder eingeweiht. Das Projekt war in den Kirchenkreisen umstritten, weil für viele andere Kirchenbauten Geld fehlte. Besonders die von Gienke ohne Rücksprache mit Synode und Kirchenleitung erfolgte Einladung Honeckers stieß auf Ablehnung. Der Festgottesdienst, der einer der letzten großen öffentlichen Auftritte Honeckers vor seinem Sturz am 18. Oktober 1989 war, wurde daher von vielfältigen Protesten begleitet.

Als kurz nach dem Festakt ein Briefwechsel zwischen Gienke und Honecker im SED-Organ "Neues Deutschland" veröffentlicht wurde, in dem die Kirchenblätter wegen ihrer kritischen Berichterstattung über die Domeinweihung angegriffen wurden, geriet Gienke immer mehr unter Druck. Im September 1989 forderte schließlich der Greifswalder Pfarrkonvent die Mitglieder der Kirchenleitung schriftlich auf, dem Bischof das Misstrauen auszusprechen. Gleichzeitig wurde Gienke aufgefordert, sein Amt niederzulegen. Die Kirchenleitung stellte sich jedoch nach heftigen Kontroversen am 21. September 1989 hinter Gienke.

Die Landessynode folgte dieser Position auf ihrer anschließenden Herbsttagung nicht, sondern sprach Gienke mit 32 zu 30 Stimmen das Misstrauen aus, da "seit längerer Zeit ein tiefgreifender, zunehmender Vertrauensschwund im Blick auf die Amtsführung des Bischofs" eingetreten sei.[1] Nach einer Bedenkzeit zog Gienke die Konsequenz und trat von seinem Amt zurück. Die Kirchenleitung versetzte Gienke daraufhin in den Ruhestand.

"Inoffizieller Mitarbeiter" des Ministeriums für Staatssicherheit

Nach Gienkes Rücktritt wurde durch Medienberichte bekannt, dass dieser vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) seit 1972 als IM (Inoffizieller Mitarbeiter) "Orion" geführt worden war.[2] In der Folgezeit wurden diese Berichte durch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt.[3][4][5] Die Bezirksverwaltung Rostock des Ministeriums für Staatssicherheit hatte Gienke als IM unter der Nummer I/1066/72 registriert.[6] Nach eigener Aussage hat Gienke bis 1989 insgesamt 37 vertrauliche Gespräche mit MfS-Offizieren geführt, in denen es allerdings lediglich um "grundsätzliche Fragen nach politischen Entscheidungen sowie dem inneren und wirtschaftlichen Gefüge des Staates" gegangen sei.[7] Diese Gespräche verstießen klar gegen den allgemeinen Konsens in den Landeskirchen der DDR, dass unabhängig von den konkreten Inhalten kirchlicherseits keinerlei Kontakte zum MfS unterhalten werden sollten.[3]

Nachdem seine Identität als Inoffizieller Mitarbeiter des MfS aufgedeckt worden war, bestritt Gienke, sich bewusst als IM zur Verfügung gestellt zu haben. Gegen den in der Presse erhobenen Vorwurf, für die Stasi gearbeitet zu haben, reagierte er 1996 in seiner Autobiographie mit einer Kritik an der in der Bundesrepublik garantierten Freiheit von Presse und Wissenschaft: "Was ist eine Gesellschaft wert, deren Freiheit ungestraft dazu mißbraucht werden kann, den Ruf anderer zu beschmutzen oder gar zu zerstören?"[8] Obwohl Gienkes Tätigkeit für das MfS als gesichert zu werten ist, kann das genaue Ausmaß der Zusammenarbeit zwischen Gienke und der Staatssicherheit derzeit nicht geklärt werden, da die aus 6 Bänden bestehende Akte nicht im Bestand der BStU vorhanden ist.[9] Nach Angaben der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen wurde die Akte im Zuge der "Wende" am 4. Dezember 1989 vernichtet.[10]

Veröffentlichungen

  • Von Bethlehem bis Jerusalem. Unterwegs im Land der Bibel. 1990, ISBN 3746100968.
  • Dome, Dörfer, Dornenwege. Lebensbericht eines Altbischofs. Rostock 1996, ISBN 3356006967.

Literatur

  • Rahel von Saß: Der 'Greifswalder Weg'. Die DDR-Kirchenpolitik und die evangelische Landeskirche Greifswald von 1980 bis 1989. Herausgegeben von der Landesbeauftragten Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehem. DDR, Schwerin 1998, ISBN 3933255082.
  • Irmfried Garbe, Wolfgang Nixdorf (Hrsg.): Dom St. Nikolai Greifswald. Gemeindekirche zwischen Politik und Polemik. Studien zur Greifswalder Landeskirche und zur Wiedereinweihung des Domes 1989. Herausgegeben im Auftrag der Landessynode der Pommerschen Evangelischen Kirche, Schwerin 2005, ISBN 3935749430.

Weblinks

Quellen

  1. Landeskirchliches Archiv Greifswald, Pressestelle der Evangelischen Landeskirche Greifswald (Hrsg): Greifswalder Informationsdienst. Nr. 4 (1989), S.1
  2. DER SPIEGEL 17/1992 vom 20. April 1992, Seite 40ff, http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=13688002&aref=2006/05/12/cq-sp199201700400047.pdf&thumb=false [Zugriff am 12. Mai 2008]
  3. a b Rahel von Saß: Der 'Greifswalder Weg'. S. 48
  4. Robert F. Goeckel: Der Weg der Kirchen in der DDR. In: Heydemann, Kettenacker (Hrsg): Kirchen in der Diktatur. Drittes Reich und SED-Staat. Fünfzehn Beiträge. Göttingen 1993, S.177f.
  5. Clemens Vollnhals: Die kirchenpolitische Abteilung des Ministeriums für Staatssicherheit. In: Clemens Vollnhals (Hg.): Die Kirchenpolitik von SED und Staatssicherheit. Eine Zwischenbilanz, Berlin, 2. Auflage 1997, S. 89.
  6. Thomas Auerbach, Matthias Braun, Bernd Eisenfeld, Gesine von Prittwitz, Clemens Vollnhals: Hauptabteilung XX. Staatsapparat, Blockparteien, Kirchen, Kultur, »politischer Untergrund«, Seite 96, Anmerkung 38, in: Anatomie der Staatssicherheit. Geschichte, Struktur und Methoden (MfS-Handbuch). Zugriff am 20. August 2008
  7. Horst Gienke: Dome, Dörfer, Dornenwege. Lebensbericht eines Altbischofs. Rostock 1996, S. 379f.
  8. Horst Gienke: Dome, Dörfer, Dornenwege. Lebensbericht eines Altbischofs. Rostock 1996, S. 368.
  9. Rahel von Saß: Der 'Greifswalder Weg'., S. 49, Anm. 152
  10. Thomas Auerbach, Matthias Braun, Bernd Eisenfeld, Gesine von Prittwitz, Clemens Vollnhals: Hauptabteilung XX. Staatsapparat, Blockparteien, Kirchen, Kultur, »politischer Untergrund«, Seite 96, Anmerkung 38, in: Anatomie der Staatssicherheit. Geschichte, Struktur und Methoden (MfS-Handbuch). Zugriff am 20. August 2008

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