Gilbert-Meulengracht-Syndrom

Gilbert-Meulengracht-Syndrom
Klassifikation nach ICD-10
E80.4 Gilbert-Meulengracht-Syndrom
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Morbus(Gilbert-)Meulengracht, Meulengracht-Krankheit, Gilbert-(Meulengracht-)Syndrom oder auch Icterus intermittens juvenilis besteht, wenn die Bilirubinwerte durch eine autosomal-rezessiv vererbbare Störung des Bilirubintransports und -abbaus in den Zellen erhöht sind. Krankheitsursache ist eine angeborene leichte Stoffwechselstörung der Leber.

Die Krankheit ist benannt nach dem Dänen Einar Meulengracht, welcher maßgeblich an der Erforschung dieser Krankheit beteiligt war. Ein weiterer Namensgeber ist Augustin Nicolas Gilbert (1858–1927), der bereits um 1900, zusammen mit Pierre Lereboullet (1874–1944), an der Krankheit forschte.

Inhaltsverzeichnis

Häufigkeit

Ungefähr fünf Prozent der Bevölkerung sind betroffen, wobei die Symptomatik stark variieren kann. Eine Behandlung ist jedoch in seltenen Fällen (starke Verfärbung der Augäpfel oder der Haut, häufige Niedergeschlagenheit usw. - s. u.) notwendig.

Ursache

Die Ursache für die Krankheit findet sich im Prozess des Hämoglobinabbaus: Die Blutkörperchen werden nach etwa 120 Tagen erneuert. Der rote Blutfarbstoff, das Hämoglobin, wird im Knochenmark, in der Milz und der Leber in mehreren Schritten abgebaut und in eine wasserlösliche Form überführt.

  1. Schritt: Der rote Blutfarbstoff, das Hämoglobin, wird mittels der Häm-Oxigenase über α-Hydroxihämin zu Biliverdin abgebaut.
  2. Schritt: Biliverdin wird mittels der Biliverdin-Reduktase zu unkonjugiertem Bilirubin (wasserunlöslich) reduziert.
  3. Schritt: Das unkonjugierte Bilirubin wird durch die mikrosomalen UDP-Glukuronyltransferase (UDP-GT) mit Glukuronsäure zu konjugiertem Bilirubin (wasserlöslich).
  4. Schritt: Das konjugierte Bilirubin wird mit der Galle und dem Urin ausgeschieden.

Bei Morbus Meulengracht-Patienten ist die Aktivität der UDP-Glukuronyltransferase auf ca. 30% eines gesunden Menschen herabgesetzt und somit die Bildung des konjugierten Bilirubins erschwert. Die Folge daraus ist ein erhöhter Bilirubin-Serumspiegel mit all seinen unangenehmen Folgen (s. u.).

Symptome

Als Symptom treten gelb gefärbte Haut und Augen (Ikterus) auf. Der Gallensalzspiegel und andere Leberwerte sind üblicherweise normal, wodurch kein Hautjucken auftritt wie bei anderen Erkrankungen, die mit einer Gelbfärbung der Haut einhergehen. Alle anderen Symptome sind unspezifisch und es ist noch nicht gesichert, ob sie wirklich mit dem erhöhten Bilirubinwert zusammenhängen. Jedoch lassen sich bei vielen Patienten mangelnde Konzentrationsfähigkeit, Übelkeit, Gliederschmerzen, Bauchschmerzen, Diarrhoe und Depressionen nachweisen. Prolongiertes Fasten, Alkohol und Stress sind zu vermeiden, da hierdurch eine Symptomverschlechterung sicher ist.

Diagnostik und Konsequenzen

Morbus Meulengracht kann durch Nikotinsäure- oder Fastentests eindeutig bestimmt werden. Eine Leberpunktion ist heutzutage nicht mehr notwendig.

Bei Gesundenuntersuchungen werden in der Regel auch Bilirubinwerte erfasst (Harn und Blut). Bei Morbus Meulengracht finden sich Werte, die etwa doppelt so hoch sind wie der Grenzwert. Eine weitere sicherere Möglichkeit der Diagnostik ist eine molekulargenetische Untersuchung.

Therapie

Morbus Meulengracht ist nicht heilbar. Es gibt einige Medikamente, die Betroffene nicht einnehmen sollten, wie zum Beispiel Paracetamol und bestimmte Chemotherapeutika. Dies liegt an der unterschiedlich starken Ausprägung, für die Morbus Meulengracht bekannt ist und der daraus resultierenden schlechten Entgiftungsleistung des wichtigsten Entgiftungsorgans des Körpers - der Leber.

Der Namenszusatz „juvenilis“ verweist eventuell auf die Möglichkeit, dass Menschen möglicherweise nur in jungen Jahren von der Krankheit betroffen sein könnten. Etwa ab dem 40. Lebensjahr soll sie sich manchmal auswachsen können. Dies trifft aber eher selten bis gar nicht zu, da es sogar Patienten gibt, bei denen Morbus Meulengracht erstmals mit über 40 diagnostiziert wurde (Grund: unspezifische Beschwerden) und es sich hier immerhin um einen angeborenen Gendefekt handelt, dessen Möglichkeit sich "auszuwachsen" naturgemäß eher sehr begrenzt sein dürfte.

Neuere Arbeiten spekulieren, dass das chronisch erhöhte Bilirubin möglicherweise vor Arteriosklerose schützen könnte.[1][2] Möglicherweise trifft dies auch auf kolorektale Karzinome zu.[3]

Wenn gehungert/gefastet wird, kommt es zu Problemen (Abbau von roten Blutkörperchen): die Farbe der Augen wird gelblicher, Kopfschmerzen treten häufig auf. Hungerzustände, z. B. durch Fasten, sind daher zu vermeiden, ebenso Alkohol und Stress.

Morbus Meulengracht korreliert bei den Betroffenen mit dem Problem, Giftstoffe langsamer abzubauen als der Durchschnitt. Alkohol, Tabak, Schmerzmittel und die Pille werden schlechter vertragen. Morbus Meulengracht geht außerdem mit einer erhöhten Migräne-Anfälligkeit einher.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Schwertner HA (2003). Bilirubin concentration, UGT1A1*28 polymorphism and coronary artery disease. Clin Chem 49: 1039-1040. PMID 12816897
  2. Vitek L, Jirsa M, Brodanova M et al. (2002). Gilbert syndrome and ischemic heart disaease: A protective effect of elevated bilirubin levels. Atherosclerosis 160: 446-456. PMID 11849670
  3. Zucker SD, Horn PS & Sherman KE (2004). Serum bilirubin levels in the U.S:. population: Gender effect and inverse correlation with colorectal cancer. Hepatology 40: 827-835. PMID 15382174
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