- Gilbert and George
-
Gilbert & George (Gilbert Prousch, *19. September 1943 in St. Martin in Thurn, Italien und George Passmore, *8. Januar 1942 in Plymouth, Großbritannien) sind ein im Londoner East End ansässiges Künstlerpaar. Gilbert & George arbeiten fast ausschließlich als Paar. Ihre Arbeiten hatten wesentlichen Einfluss auf die Young British Artists.
Inhaltsverzeichnis
Überblick
Gilbert & George inszenieren vor allem sich, ihr Leben, ihre Gedanken und Gefühle in großformatigen Werken. Sie verwenden dabei viele künstlerische Techniken, zu weiten Teilen in Mischform. Ihr Anliegen ist eine niedrigschwellige, einfach verständliche „Kunst für alle“.
Gilbert & George wurden mit großformatigen Fotoarbeiten ab den späten 1970er Jahren einem breiteren Publikum bekannt. Ihre Werke kreisen bevorzugt in spielerisch-naiver wie provokant-kitschiger Weise um Themen wie Pietismus, Religion, Sexualität und Diskriminierung. Beispielsweise zeigt das Tableau Black Church Face von 1980 das regungslose, aber vorwurfsvoll wirkende Gesicht eines schwarzen Jungen vor dem Altar einer englischen neogotischen Kirche. Betrachter werden mit dieser scheinbar „anklagenden Frömmigkeit“ ohne jeglichen Lösungsansatz in der Vielfalt seiner Interpretationsmöglichkeiten allein gelassen.[1]
In ihrer teilweise grellen, poppig-sakralen Bildsprache erinnern die imposanten Fotoarbeiten der beiden oft an viktorianische Glasmalereien und beeindrucken durch ihre Größe, wie beispielsweise Death after Life von 1984 mit einer Breite von 13,7 Metern.
Aufmerksamkeit in den Medien erregte häufig die Darstellung in ihren Werken von Geschlechtsorganen und Fäkalien.[2] In ihren letzten Ausstellungen 2007 wendeten sich Gilbert & George insbesondere gegen den Katholizismus.[2]
Leben
Gilbert wurde in San Martin de Tor, Italien, geboren und studierte an der Wolkensteiner und Halleiner Kunstschule sowie der Kunstakademie in München Kunst, bevor er nach England zog. George wurde in Plymouth, Großbritannien geboren und studierte am Dartington Adult Education Centre, am Dartington Hall College of Art und der Oxford School of Art, heute Oxford Brookes University.
Die beiden trafen sich erstmals am 25. September 1967 als sie eine Skulpturenklasse der St. Martins School of Art, heute Central Saint Martins College of Art and Design belegten.[3] Beide sagen, sie wären zusammengekommen, da George die einzige Person gewesen sei, die Gilberts schlechtes Englisch verstanden habe. In einem Interview des Daily Telegraph von 2002 sagten sie über ihr Zusammentreffen: „Es war Liebe auf den ersten Blick.“ [4]. Es wird angenommen, dass Gilbert & George eine Beziehung führen.
Performancekünstler
Bekannt wurden Gilbert & George als Performancekünstler. Als Studenten bildeten sie „The Singing Sculpture“ (1970). Dafür standen sie, mit goldener Metallicfarbe bemalt, stundenlang auf einem Tisch und posierten zu einer Aufnahme von „Underneath the Arches“, eines Liedes des populären britischen Gesangs- und Comedypaares Flanagan and Allen, zeitweise für Stunden.
Einige Werke aus den frühen 1970er Jahre bestanden darin, sich selbst zu filmen, während man sich betrank. Die zusammenpassenden Businessanzüge, die sie bei diesen Aktionen trugen, wurden zu einer Art Markenzeichen der beiden; Gilbert & George erscheinen selten ohne sie in der Öffentlichkeit. Sie lehnen es ab, ihre Aktionskunst von ihrem alltäglichen Leben zu trennen und beharren darauf, dass all ihre Aktivitäten Kunst seien. Das Paar betrachtet sich als Lebende Skulptur.
Fotomontagen
Gilbert & George ist durch die großformatigen Fotomontagen bekannt geworden, etwa die Cosmological Pictures (1993), die in extrem hellen Farben erstellt sind, von hinten beleuchtet werden und mit schwarzen Rasterfeldern belegt sind, um den Eindruck von Glasmalereien zu erwecken.
Gilbert & George selbst sind häufig in den Werken zusammen mit Blumen, ihren Freunden, Anspielungen auf christliche Symbolik und Jugendlichen dargestellt. Die frühen Arbeiten waren in schwarz-weiß gehalten, dann kamen rote und gelbe Noten hinzu. Später sind die einfachen einer größeren Bandbreite gesättigterer Farben gewichen. Sonofagod (2005) kehrte zu einer dunkleren, düstereren Palette zurück.
Einige Serien ihrer Bilder haben die mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen, da sie gesellschaftlich tabuierte Darstellungen verwendet haben, etwa Nacktheit, Geschlechtsverkehr und Körperflüssigkeiten wie Kot, Urin und Sperma. Der Titel der Serie Naked Shit Pictures (1995) (dt. nackte Scheiße-Bilder) wurde breit rezipiert. 1986 wurden Gilbert & George von linken Kommentatoren kritisiert, da eine Serie von Werken wie die Verherrlichung 'rauher Kerle', etwa Skinheads wirkte, während das Bild eines Asiaten den despektierlichen Titel Paki trug, der allgemein zur Schmähung pakistanischer Migranten verwendet wird.
Im Mai 2007 waren Gilbert and George Thema der BBC-Dokumentation 'Imagine'. Am Ende der Sendung wurde ein Werk namens Planed zum freien Download für 48 Stunden auf den Websites von BBC und Guardian angekündigt. Personen, die das Werk heruntergeladen, ausgedruckt und die Teile zusammengefügt haben, besitzen jetzt einen originalen 'Gilbert & George'.
Lange Jahre waren sie in der Fournier Street, Spitalfields, East London ansässig. Seit 2000 werden ihre Werke in der zeitgenössischen Galerie White Cube, Hoxton Square ausgestellt.
Öffentliche Sammlungen (Auswahl)
- Museum of Contemporary Art Sydney
- S.M.A.K. - Stedelijk Museum voor Actuele Kunst, Gent
- Museum Ludwig, Köln
- Stedelijk Museum, Amsterdam
- Guggenheim-Museum Bilbao
- Migros Museum für Gegenwartskunst, Zürich
- National Portrait Gallery, London
- Tate Britain, London
- Museum of Contemporary Art (Chicago)
- Solomon R. Guggenheim Museum, New York City
Ausstellungen (Auswahl)
- 1968 Robert Fraser Gallery, London
- 1970 Konrad Fischer Galerie, Düsseldorf
- 1971 Whitechapel Art Gallery, London; Stedelijk Museum, Amsterdam; Kunsthalle Düsseldorf/ Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf
- 1972, 77, 82 documenta 5, documenta 6, documenta 7, Kassel
- 1978 Biennale Venedig
- 1981 Biennale de São Paulo; Kunsthalle Düsseldorf
- 1982 – Zeitgeist
- 1984 Solomon R. Guggenheim Museum, New York
- 1987 Städtische Galerie im Lenbachhaus, München
- 1992 Kunstmuseum Aarhus
- 1993 National Art Gallery, Peking
- 1996 Stedelijk Museum, Amsterdam
- 1997 Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris; Stockholm Konsthall
- 1998 Galerie Ropac, Paris; David Zwirner, New York
- 1999 Chac Mool Gallery, Los Angeles
- 2000 Museum für Moderne Kunst, Frankfurt; Gagosian Gallery, Los Angeles; Parkhaus, Düsseldorf
- 2001 White Cube 2, London
- 2002 Kunsthaus Zürich; Kunsthaus Bregenz; Portikus, Frankfurt
- 2005 Biennale Venedig
- 2006 Bonnefantenmuseum, Maastricht
- 2007 Tate Modern, London, The Major Exhibition, 15. Februar - 7. Mai 2007
- 2007 Haus der Kunst, München, Die grosse Ausstellung, 11. Juni - 9. September 2007
- 2007 Museo d´ Arte Contemporanea Castello di Rivoli, Turin, Die grosse Ausstellung, 17. Oktober 2007 - 13. Januar 2008
- 2008 Brooklyn Museum, Brooklyn, NY, USA, 3. Oktober 2008 - 11. Januar 2009
Auszeichnungen
- Turner Prize 1986
Bibliographie (Auswahl)
- Gilbert & George - Die große Ausstellung, Ostfildern 2007 - ISBN 3775719717
- The Complete Pictures, London 2007 - ISBN 1854376810
- François Jonquet: Gilbert & George - intimate conversations with François Jonquet, New York 2005 - ISBN 0714844357
- Hans-Ulrich Obrist und Robert Violette (Hrsg.): The Words of Gilbert and George, London 1997 - ISBN 0500280150
Einzelnachweis
- ↑ Honour, Fleming: Weltgeschichte der Kunst, 1991, S.627f
- ↑ a b NZZ: Exkrement, Sperma . . . und Gott 31. März 2007
- ↑ NZZ: NZZ: Ein Leben als Skulptur 25. März 2007
- ↑ Telegraph, 05.28.02
Weblinks
- Eintrag bei Kunstaspekte.de
- Informationen zur Bilderserie „Naked Shit Pictures“ (engl.)
- Gilbert und George in der Tate Gallery (eng.)
- Gilbert & George bei artfacts.net
- Gilbert & George at the Brooklyn Museum New York Teil 1, Teil 2 Video auf VernissageTV
Wikimedia Foundation.