- Girardengo
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Costante Girardengo (* 18. März 1893 in Novi Ligure; † 9. Februar 1978 in Cassano Spinola) war ein italienischer Radrennfahrer.
Er gewann zweimal den Giro d’Italia, sechsmal Mailand–Sanremo und dreimal die Lombardei-Rundfahrt. Er kann als der erste wirkliche Star in der Geschichte des Radsports bezeichnet werden.
Inhaltsverzeichnis
Biographisches
Karrierestart
Als Girardengo im Jahr 1912 Profi wurde, konnten sicherlich weder er noch die heißblütigen italienischen Tifosi ahnen, dass hier der erste große Seriensieger des Radsports auf der Bühne erschienen war, auch wenn ein neunter Platz bei der sehr schweren Lombardei-Rundfahrt im Debütjahr aufhorchen ließ.
Doch schon im Folgejahr 1913 wurde seine Klasse deutlich: Er holte den ersten von insgesamt neun italienischen Meisterschaftstiteln auf der Straße – schon damals der mit Sicherheit umkämpfteste nationale Titel im Radsport. Außerdem gelang ihm ein Etappensieg und der sechste Gesamtrang beim Giro d’Italia sowie ein Sieg beim sehr langen Eintagesrennen Rom-Neapel-Rom.
Im Folgejahr 1914 wiederholte er den Sieg bei der italienischen Meisterschaft und gewann eine weitere Etappe beim Giro: den längsten dort jemals ausgefahrenen Tagesabschnitt von Lucca nach Rom über 430 Kilometer.
Doch gerade als seine Karriere Fahrt aufgenommen hatte, wurde sie jäh unterbrochen: Man kann nur ahnen, wie seine Palmares aussehen würden, wenn nicht der Erste Weltkrieg für das Ausfallen des Giro und der meisten anderen Rennen in den Jahren 1915 bis 1918 gesorgt hätte.
Als der Rennbetrieb 1917 langsam wieder in Gang kam, brauchte Costante etwas länger, um seine Hochform wiederzufinden. So gelangen ihm in diesem Jahr nur diverse gute Platzierungen. Eine Platzierung jedoch, der zweite Platz bei Mailand–Sanremo, deutete an, was Girardengo berühmt werden lassen sollte: denn ein Jahr später, 1918, holte er dort, bei der sogenannten Classicissima, den ersten von insgesamt sechs Siegen, ein Rekord der erst über fünfzig Jahre später vom größten Radfahrer aller Zeiten, Eddy Merckx, übertroffen werden sollte.
Das Traumjahr
Das Jahr 1919 überbot alles bisher erreichte: Costante gewann zum dritten Mal die italienische Straßenmeisterschaft und dominierte den Giro d’Italia von der ersten bis zur letzten Etappe im rosa Trikot mit sieben Etappensiegen – mit dem Sieg beim damals wichtigsten Rennen der Welt war er endgültig zum Champion geworden. Er rundete das Jahr im Herbst mit dem Sieg beim zweiten großen italienischen Klassiker, der Lombardei-Rundfahrt, ab.
Doch die Hoffnungen (und Befürchtungen), diese Dominanz könne die nächsten Jahre anhalten, bestätigten sich nicht: Zwar setzte er seine Serie an italienischen Meisterschaften ungebrochen bis 1925 fort und gewann weiter wichtige Klassiker, jedoch gab er bei den drei folgenden Giri d’Italia jeweils vorzeitig auf (auf der zweiten, fünften und vierten Etappe) und das, nachdem er beim Giro 1921 die ersten vier Etappen in Folge gewonnen hatte.
Der zweite Girosieg
Doch alle, die Girardengo als Sieger für große Rundfahrten schon abgeschrieben hatten, sollten 1923 eines besseren belehrt werden: Schon im Frühjahr das dritte Mal bei Mailand-San Remo erfolgreich, fand er im Giro seine Form von 1919 wieder – Gesamtsieg und ganze acht Etappensiege waren die Folge.
Nach einem für seine Verhältnisse unauffälligem Jahr 1924 wurde 1925 das letzte große Jahr von Girardengo: Sein neunter nationaler Meistertitel, der vierte Sieg bei Mailand-San Remo und ein zweiter Gesamtrang hinter dem kommenden Star Alfredo Binda beim Giro mit sechs Etappensiegen, zeigten deutlich, dass Costante auch mit 32 Jahren noch zu großen Leistungen fähig war.
Die Wachablösung
Im Jahr 1926 kam die Wende in seiner Karriere: Nach dem fünften Sieg bei Mailand-San Remo wurde Girardengo nach der unglaublichen und einmaligen Serie von sieben italienischen Meisterschaften in Folge erstmals wieder geschlagen und musste sich mit dem zweiten Platz begnügen – erneut besiegt von Alfredo Binda. Die Wachablösung war endgültig vollzogen, die Ära Girardengo ging ihrem Ende entgegen.
Dies sollte im Jahr 1927 noch deutlicher werden, als er sich bei der erstmals ausgetragenen Weltmeisterschaft (auf der Nürburgring-Nordschleife in Deutschland) wieder Binda geschlagen geben musste und seinen einzigen Sieg in diesem Jahr ausgerechnet im Tandem mit Binda beim Mailänder Sechstagerennen holte.
Girardengo sollte noch neun Jahre professionellen Radsport betreiben, doch mit seinen nunmehr 35 Jahren konnte er mit den jungen Spitzenfahrern nicht mehr Schritt halten. Lediglich der sechste Sieg bei Mailand-San Remo im Jahr 1927 ließ noch einmal seine einstige Klasse durchscheinen.
Im Mai 1936 (und damit zwei Monate nach Alfredo Binda!) beendete Costante Girardengo, der erste große Heroe des Radsports, seine aktive Sportlerlaufbahn.
Nach dem Karriereende
Nach dem Ende seiner Karriere wurde Costante Namensgeber der Radmarke GIRARDENGO, die (wie damals üblich) auch einen eigenen Profi-Rennstall unterhielt, als deren sportlicher Leiter Costante fungierte. Für das Team fuhr unter anderem der dreimalige Weltmeister Rik van Steenbergen, der 15 Etappensiege beim Giro holen konnte und somit auch für ein italienisches Team sehr interessant war: 1951 holte er für Girardengo sogar den zweiten Platz im Gesamtklassement.
Il Bandito e il Campione
Eine wahre und tragische Geschichte aus dieser Zeit dreht sich um Girardengos Freundschaft zu einem der bekanntesten zeitgenössischen Banditen Italiens: Sante Pollastri, der zu den größten Fans von Costante zählte. Ihm gelang es stets, der Polizei zu entkommen. Erst als ein Polizist seine Verehrung für den Radprofi erkannte, gelang es, Sante Pollastri bei einem Rennen nahe der Zieldurchfahrt festzunehmen, wo er auf die Ankunft seines Freundes wartete. So wurde Sante seine Begeisterung für die Triumphe des Freundes zum Verhängnis.
Vom italienischen Musiker Francesco De Gregori wurde die Geschichte in seinem Lied Il Bandito e il Campione, Text und Musik von Luigi Grechi (Künstlername von Luigi De Gregori, dem Bruder von Francesco), vom gleichnamigen Album (1992/1993) aufgegriffen, der Refrain lautet:
- Vai Girardengo vai grande campione
- Nessuno ti segue su quello stradone
- Vai Girardengo non si vede più Sante
- È dietro a quella curva è sempre più distante
- Fahr Girardengo, fahr großer Champion
- Niemand folgt Dir auf dieser Straße
- Fahr Girardengo, Sante sieht man nicht mehr
- Er ist hinter dieser Kurve, er ist immer weiter entfernt
Palmarès (Auszug)
- 2x Giro d’Italia (1919, 1923)
- 30x Etappensieger
- 6x Mailand–Sanremo (1918, 1921, 1923, 1925, 1926, 1928)
- 3x Lombardei-Rundfahrt (1919, 1921, 1922)
- 9x italienischer Straßenmeister (1913, 1914, 1919, 1920, 1921, 1922, 1923, 1924, 1925)
- 5x Rom-Neapel-Rom (1913, 1921, 1922, 1923, 1925)
Weblinks
1909 Luigi Ganna | 1910, 1911 Carlo Galetti | 1912 Atala (nur Teamwertung) | 1913 Carlo Oriani | 1914 Alfonso Calzolari | 1919, 1923 Costante Girardengo | 1920 Gaetano Belloni | 1921, 1922, 1926 Giovanni Brunero | 1924 Giuseppe Enrici | 1925, 1927–1929, 1933 Alfredo Binda | 1930 Luigi Marchisio | 1931 Francesco Camusso | 1932 Antonio Pesenti | 1934 Learco Guerra | 1935 Vasco Bergamaschi | 1936, 1937, 1946 Gino Bartali | 1938, 1939 Giovanni Valetti | 1940, 1947, 1949, 1952, 1953 Fausto Coppi | 1948, 1951, 1955 Fiorenzo Magni | 1950 Hugo Koblet | 1954 Carlo Clerici | 1956, 1959 Charly Gaul | 1957 Gastone Nencini | 1958 Ercole Baldini | 1960, 1964 Jacques Anquetil | 1961 Arnaldo Pambianco | 1962, 1963 Franco Balmamion | 1965 Vittorio Adorni | 1966 Gianni Motta | 1967, 1969, 1976 Felice Gimondi | 1968, 1970, 1972–1974 Eddy Merckx | 1971 Gösta Pettersson | 1975 Fausto Bertoglio | 1977 Michel Pollentier | 1978 Johan de Muynck | 1979, 1983 Giuseppe Saronni | 1980, 1982, 1985 Bernard Hinault | 1981 Giovanni Battaglin | 1984 Francesco Moser | 1986 Roberto Visentini | 1987 Stephen Roche | 1988 Andy Hampsten | 1989 Laurent Fignon | 1990 Gianni Bugno | 1991 Franco Chioccioli | 1992, 1993 Miguel Induráin | 1994 Eugeni Berzin | 1995 Tony Rominger | 1996 Pawel Tonkow | 1997, 1999 Ivan Gotti | 1998 Marco Pantani | 2000 Stefano Garzelli | 2001, 2003 Gilberto Simoni | 2002, 2005 Paolo Savoldelli | 2004 Damiano Cunego | 2006 Ivan Basso | 2007 Danilo Di Luca | 2008 Alberto Contador
1907 Lucien Petit-Breton | 1908 Cyrille van Hauwaert | 1909 Luigi Ganna | 1910 Eugène Christophe | 1911 Gustaven Garrigou | 1912 Henri Pélissier | 1913 Odiel Defraeye | 1914 Ugo Agostini | 1915 Ezio Corlaita | 1917, 1920 Gaetano Belloni | 1918, 1921, 1923, 1925, 1926, 1928 Costante Girardengo | 1919 Angelo Gremo | 1922 Giovanni Brunero | 1924 Pietro Linari | 1927 Pietro Chiesi | 1929, 1931 Alfredo Binda | 1932 Alfredo Bovet | 1933 Learco Guerra | 1934 Joseph Demuysère | 1935, 1938 Giuseppe Olmo | 1936 Angelo Varetto | 1937 Cesare del Cancia | 1939, 1940, 1947 Gino Bartali | 1941 Pierino Favalli | 1942 Adolfo Leoni | 1943 Cino Cinelli | 1946 Fausto Coppi | 1951 Louison Bobet | 1952, 1953 Loretto Petrucci | 1954 Rik van Steenbergen | 1955 Germain Derijcke | 1956 Alfred de Bruyne | 1957, 1959 Miguel Poblet | 1958 Rik van Looy | 1960 René Privat | 1961 Raymond Poulidor | 1962 Emile Daems | 1963 Joseph Groussard | 1964 Tom Simpson | 1965 Arie den Hartog | 1966, 1967, 1969, 1971, 1972, 1975, 1976 Eddy Merckx | 1970 Michele Dancelli | 1973, 1978, 1979 Roger de Vlaeminck | 1974 Felice Gimondi | 1977 Jan Raas | 1980 Pierino Gavazzi | 1981 Fons de Wolf | 1982 Marc Gomez | 1983 Giuseppe Saronni | 1984 Francesco Moser | 1985 Hennie Kuiper | 1986, 1992 Sean Kelly | 1987 Eric Mächler | 1988, 1989 Laurent Fignon | 1990 Gianni Bugno | 1991 Claudio Chiapucci | 1993 Maurizio Fondriest | 1994 Giorgio Furlan | 1995 Laurent Jalabert | 1996 Gabriele Colombo | 1997, 1998, 2000, 2001 Erik Zabel | 2002 Mario Cipollini | 2003 Paolo Bettini | 2004, 2007 Óscar Freire | 2005 Alessandro Petacchi | 2006 Filippo Pozzato | 2008 Fabian Cancellara | 2009 Mark Cavendish
Personendaten NAME Girardengo, Costante KURZBESCHREIBUNG italienischer Radrennfahrer GEBURTSDATUM 18. März 1893 GEBURTSORT Novi Ligure STERBEDATUM 9. Februar 1978 STERBEORT Cassano Spinola
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