Glukokorticoide

Glukokorticoide

Glucocorticoide, veraltet Glukokortikoide, zählen zu den Corticosteroiden, einer Klasse von Steroidhormonen aus der Nebennierenrinde. Die natürlich vorkommenden Glucocorticoide sind Abkömmlinge des Progesterons. Zu diesen zählen Cortisol und Corticosteron, mit einem Anteil von 95 % beziehungsweise 5 % beim Menschen. Daneben gibt es von den Glucocorticoiden abgeleitete, künstliche Corticoide mit glucocorticoider Wirkung.

Die Glucocorticoide haben vielfältige physiologische Wirkungen. Sie beeinflussen den Stoffwechsel, den Wasser- und Elektrolythaushalt, das Herz-Kreislaufsystem und das Nervensystem. Ferner wirken sie entzündungshemmend und immunsuppressiv.

Inhaltsverzeichnis

Biosynthese

Die Biosynthese der Glucocorticoide startet wie bei allen Steroiden entweder beim mit der Nahrung aufgenommenen Cholesterin, oder (dies ist der wichtigere Weg) beim Isopren, einem C5-Lipid, welches aus Acetyl-CoA gebildet wird. Sechs Isopren-Moleküle können zu der typischen Ringstruktur der Steroide polymerisiert und zyklisiert werden. Es gibt einen ausgeprägten Tagesrhythmus mit einem Minimum um Mitternacht und einem Maximum zwischen 6 und 8 Uhr morgens.

Abbau

Wie andere Corticoide werden die Glucocorticoide in der Leber inaktiviert und vorwiegend über die Gallenflüssigkeit, zu 10 % auch über den Urin, in Form von inaktiven Konjugaten ausgeschieden.

Stoffwechselwirkungen

Physiologisch

Glucocorticoide fördern in natürlicher Konzentration die Gluconeogenese, also die Neubildung von Kohlenhydraten aus Proteinen und Fetten. Protein- und Lipiddepots werden abgebaut und zur Energiegewinnung eingesetzt. Dies äußert sich in erhöhter Konzentration von Glucose, Aminosäuren und Fettsäuren im Blut, sowie derer Abbauprodukte. Chronische Überproduktion der Hormone erzeugt eine als Cushing-Syndrom bekannte Erkrankung.

Genauer gesagt, haben Glucocorticoide eine verstärkende Wirkung auf die Glucagon-induzierte Expression der Gluconeogenese-Enzyme. Die komplizierten Mechanismen können hier nur exemplarisch an einem der Enzyme, der Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase (PEPCK), erläutert werden: PEPCK katalysiert die Bildung von Phosphoenolpyruvat aus Oxalacetat, unter Verbrauch von einmal GTP. PEPCK ist dabei ein Schlüsselenzym der Gluconeogenese, die im Hungerzustand bei niedrigem Blutzucker abläuft. Mehr PEPCK entsteht mittels verstärkter Transkription vom PCK1-Gen, das für dieses Enzym PEPCK kodiert. Der Ablauf dieser Signaltransduktion:

Das Hormon Glucagon bindet an seinen Glucagon-Rezeptor auf der Zellmembran. Hierdurch löst sich die GDP-bindende α-Untereinheit von den β- und γ-Untereinheiten des heterotrimeren membrangebundenen Gs-Proteins und dissoziiert zum Rezeptor, wo ein Austausch von GDP gegen GTP stattfindet. Die so aktivierte a-Untereinheit aktiviert die Adenylatcyclase mehrere Moleküle ATP zu cAMP umzusetzen. Ein hoher cAMP-Spiegel aktiviert die Proteinkinase A, die ihrerseits das cAMP-responsible-Element-Bindeprotein (CREB) phosphoryliert, das an CRE, einem regulatorischen Bereich des PCK1-Promotors, gebunden ist, so dass das PCK1-Gen exprimiert wird.
Das Glucocorticoid bindet an seinen nukleären Rezeptor, der gebunden am Hitzeschockprotein 90 (Hsp90) inaktiv im Cytosol lokalisiert ist. Durch Bindung des Liganden dissoziiert Hsp90 ab und der Glucocorticoidrezeptor homodimerisiert (aktiver Zustand) und transloziert als Rezeptor-Ligand-Komplex in den Zellkern, wo der Komplex als Transkriptionsfaktor an eine palindromische Sequenz bindet, dem Glucocorticoid-responsiven-Element, das einen weiteren regulatorischen Bereich im PCK1-Promotor darstellt. Die Wirkung von CRE/CREB-P wird somit potenziert.

Pharmakologisch

In vielfach höherer Dosis, wie sie nur nach Anwendung von Medikamenten erzielt wird, treten weitere Wirkungen auf: Die Protein-Synthese wird gehemmt, die Antikörperproduktion des Immunsystems vermindert und Entzündungsvorgänge werden unterdrückt. Noch höhere Dosen, die nur hochwirksame künstliche Glucocorticoide wie Dexamethason erreichen, wirken dem Kreislaufschock bei lebensgefährlichen Erkrankungen und Verletzungen entgegen.

Therapeutischer Einsatz

Glucocorticoid-Präparate haben entzündungshemmende Wirkung. Sie werden zur Therapie beispielsweise bei allergischem Schnupfen oder bei Asthma bronchiale verwendet. Hochwirksame Varianten werden bei akuten Notfällen (Anaphylaxie, Sepsis, Schock) eingesetzt. Andere Präparate können topisch (örtlich) eingesetzt werden, zum Beispiel auf der Haut oder in der Nase. Heute sind zahlreiche topische Glucocorticoide verfügbar, wie Budesonid oder Fluticasonpropionat.

Wirkungen: An der Bronchialschleimhaut Entzündungshemmung und Abschwellung – die Hyperreaktivität der Bronchialschleimhaut wird vermindert – sowie an der Bronchialmuskulatur Krampflösung. Beide Wirkungen treten frühestens 30 Minuten nach der Zufuhr des Arzneimittels auf.

Nebenwirkungen

In Abhängigkeit von der Stärkeklasse und Lokalisation können bei auf der Haut angewandten (topischen) Corticosteroiden bei langfristiger Applikation (Wochen bis Monate) oder bei systemischer (das heißt nicht örtlicher) Anwendung Nebenwirkungen auftreten: Wasserspeicherung im Gewebe (Ödem) und damit Gewichtszunahme, Schwächung der Immunabwehr, Förderung der Entstehung von Magengeschwüren, Förderung der Entstehung und Verstärkung eines bestehenden Diabetes mellitus, Förderung und Verstärkung eines bestehenden Knochenschwundes (Osteoporose), bei inhalativer Gabe Heiserkeit. Glucocorticoide behindern die Umwandlung des Vitamin D3 in den aktiven Liganden Calcitriol. Deshalb ist es während einer systemischen Corticoidtherapie, wenn Vitamin D genommen werden muß, notwendig, Vitamin D in aktiver Form als Alphacalcidol (derzeitige Medikamente in Deutschland: "EinsAlpha", "Bondiol", "Doss"), zu verwenden. Die kurzdauernde Stoßtherapie bei akuten Erkrankungen ist praktisch nebenwirkungsfrei.

Generischer Name Handelsname Biologische Halbwertzeit Äquivalenzdosis
Cortison sehr kurz 25
Cortisol sehr kurz 20
Cloprednol Synthestan®  ? 2,5–5
Prednison Decortin® kurz 5
Prednisolon Decortin® H kurz 5
Methylprednisolon Urbason® kurz 4
Deflazacort Calcort®  ? 7–9
Fluocortolon Ultralan® mittel 5
Triamcinolon Volon® mittel 4
Dexamethason Fortecortin® lang 0,75–1
Betamethason Celestan® solubile lang 0,75

Topische Anwendung

Werden Glucocorticoide nicht systemisch, sondern nur an bestimmten Stellen, meist auf der Haut, (also topisch) angewandt, so zeigen die einzelnen Wirkstoffe durchaus andere relative Wirksamkeiten als bei parenteraler Applikation. Möglichst wünschenswert ist hier eine stark entzündungshemmende/antiproliferative Wirkung, um verschiedene Hauterscheinungen, wie Ekzeme, verschwinden zu lassen, ohne dabei die Haut an sich zu weit zu atrophieren (abzubauen). Außerdem kann es bei starken Wirkstoffen, längerer Anwendung und großer Applikationsfläche oder stark reduzierter Barrierefunktion der Haut zu spürbaren systemischen (meist unerwünschten) Wirkungen der Corticoide kommen.

Um das dermale Wirkprofil zu verbessern, werden intelligente Steroide entwickelt, welche schneller metabolisiert werden. Ihre Hauptwirkung soll nur oberflächlich zur Geltung kommen, indem sie in tieferen Schichten oder in der Zirkulation rasch abgebaut werden. Diese schnellere Metabolisierung wird durch spezielle Addukte am Corticoidmolekül erreicht: Beispiele sind Prednicarbat, Mometasonfuroat, Hydrocortsonbutyrat, -aceponat, Methylprednosolonaceponat. Solche Addukte können auch die biologische Wirksamkeit, sowohl topisch als auch systemisch, modifizieren.

Topisch angewandte Wirkstoffe werden nach der Wirkstärke der Substanzen unterteilt:

Klasse 1 - schwach wirksam
Hydrocortison(-acetat), Prednisolon, Fluocortinbutylester, Triamcinolonacetonid, Dexamethason, Clocortolonpivalat(-hexanoat).
Klasse 2 - mittelstark wirksam
Clobetasonbutyrat, Hydocortisonaceponat, Dexamethason(-sulfobenzoat), Alclomethasondipropionat, Flumethasonpivalat, Triamcinolonacetonid, Fluoprednidenacetat, Fluorandrenolon, Hydrocortisonbutyrat, Hydrocortisonbuteprat, Betamethasonbenzoat, Fluorcortolon.
Klasse 3 - stark wirksam
Mometasonfuroat, Betamethasonvalerat, Fluticasonpropionat, Halomethason, Betamethasondipropionat, Fluocortolon(-hexanoat), Fluocinolonacetonid, Diflorasondiacetat, Desoximethason, Fluocinonid, Amcinonid, Halcinonid, Diflucortolonvalerat.
Klasse 4 - sehr stark wirksam
Diflucortolonvalerat, Clobetasolpropionat.

Anwendungen

Bei der topischen Anwendung werden die Wirkstoffe je nach Ausgangszustand der Haut in Lösungen, Salben, Cremes oder Fettsalben eingebracht. Zur Behandlung infizierter Effloreszenzen (Hauterscheinungen) werden diesen oft antibakterielle oder antimykotische Stoffe beigefügt. Ist die Hautstelle stark schuppend, so kann zur Auflösung der Schuppen Harnstoff oder Salicylsäure (3+ prozentig) beigemengt werden. Dies begünstigt auch die Resorption der Glucocorticoide. Zur Wirkverstärkung kann durch einen Okklusionsverband ein Aufweichen der oberen Hautschichten erreicht werden.

Auch bei anderen lokalen Entzündungsreaktionen, zum Beispiel im Auge, besteht die Möglichkeit einer lokalen Cortisontherapie, zum Beispiel mittels Depotspritze (oder entsprechenden Augentropfen).

Siehe auch

Literatur

  • Hans J. Hatz: Glucocorticoide. Stuttgart 1998, ISBN 3-8047-1486-2.
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