Glyzerintrinitrat

Glyzerintrinitrat
Strukturformel
Struktur von Glycerintrinitrat
Allgemeines
Name Glycerintrinitrat
Andere Namen

IUPAC: Propan-1,2,3-triyltrinitrat, Propan-1,2,3-trioltrinitrat, Nitroglyzerin, Glyceryltrinitrat, Trisalpetersäureglycerinester, Trisalpetersäurepropan-1,2,3-triolester, "Nobels Sprengöl", Blasting oil, Glycerinum trinitricum

Summenformel C3H5O9N3
CAS-Nummer 55-63-0
PubChem 4510
ATC-Code
Kurzbeschreibung gelbliche Flüssigkeit [1]
Eigenschaften
Molare Masse 227,09 g/mol [1]
Aggregatzustand

flüssig

Dichte

1,59 g·cm–3 [1]

Schmelzpunkt

13,5 °C (rhombisch, stabil) [1]
2,8 °C (triklin, labil) [1]

Siedepunkt

160 °C (20 hPa) [1]

Dampfdruck

0,25 Pa [1] (20 °C)

Löslichkeit

schlecht in Wasser, gut in Aceton, Methanol, Diethylether

Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung aus RL 67/548/EWG, Anh. I [2]
Explosionsgefährlich Sehr giftig Umweltgefährlich
Explosions-
gefährlich
Sehr giftig Umwelt-
gefährlich
(E) (T+) (N)
R- und S-Sätze R: 3-26/27/28-33-51/53
S: (1/2)-33-35-36/37-45-61
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
MAK

keine MAK, da cancerogen[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Glycerintrinitrat oder Glyceroltrinitrat, auch Trisalpetersäureglycerinester ist ein bekannter Sprengstoff und hat die Summenformel C3H5(ONO2)3. Die geläufige Bezeichnung Nitroglycerin ist gemäß IUPAC-Nomenklatur irreführend, da das Präfix Nitro- auf eine Kohlenstoff-gebundene NO2-Gruppe hinweist. Im Glycerintrinitrat jedoch ist der Alkylrest über ein verbrückendes Sauerstoffatom an den Stickstoff gebunden, weswegen es sich um einen Triester der Salpetersäure handelt.

Noch exakter als Glycerintrinitrat wäre demnach die Bezeichnung Glycerintris(nitrat), das Präfix tris weist darauf hin, dass es sich beim Säurerest nicht um ein Kondensat aus drei Molekülen HNO3 handelt, sondern dreimal mit je einem Molekül verestert wurde. Da die Bezeichnung Glyzerin lediglich der Trivialname des dreiwertigen Alkohols Propan-1,2,3-triol ist, ist für dessen Salpetersäureester (also das so genannte Nitroglyzerin) die Bezeichnung Propantrioltrinitrat ebenfalls korrekt.

„Glycerol“ ist ebenso ein anderer Name für Glycerin, der die korrekte Endung -ol für einen Alkohol trägt, statt -in, das für Amine reserviert ist. Zudem schließt es anders als „Propantriol“ auch die Position der Hydroxylgruppen mit ein, obgleich man ohne Angabe ohnehin von Glycerin ausgeht.

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften

Glycerintrinitrat ist bei Standardbedingungen eine farblose, geruchlose und schlecht wasserlösliche Flüssigkeit. Es hat einen süßlichen Geschmack, und schon die Einnahme einer geringen Menge Glycerintrinitrat (0,01 g) führt zu Kopfschmerzen. Der Schmelzpunkt liegt je nach Polymorph bei 2,8 °C oder 13,5 °C. Glycerintrinitrat explodiert bereits bei einem Fallhammerversuch mit einem 2 kg Fallhammer aus 10–12 cm Höhe. Die Flüssigkeit wird in extrem kurzer Zeit vollständig in gasförmige Produkte umgewandelt, was zu einer massiven Volumenausdehnung führt.[3]

  • Art: Sekundär-Sprengstoff
  • Wasserlöslichkeit: 1500 mg/l bei 20 °C
  • Dampfdruck: 3,5·10-4 mbar bei 20 °C
  • Detonationsgeschwindigkeit: 6700–8500 m/s (7600 m/s (Dichte: 1,599 g/cm³)[4])
  • Bleiblockausbauchung: 52 cm³/g[4]
  • Schlagempfindlichkeit: 0,2 Nm[4]
  • Reibempfindlichkeit: bis 36 kp Stiftbelastung keine Reaktion[4]
  • Grenzdurchmesser Stahlhülsentest: 24 mm[4]
  • Sauerstoffbilanz: +3,5
  • Dichte: 1,59 g/cm³
  • Toxizität: Gesundheitsschädlich

Verwendung

Sprengstoff

Glycerintrinitrat wird als Sprengstoff verwendet. Wegen der starken Stoß- und Erschütterungsempfindlichkeit ist die Handhabung allerdings eher schwierig. Alfred Nobel gelang es 1867, Glycerintrinitrat in Kieselgur einzulagern. Das entstehende Dynamit war einfacher zu benutzen. Da aber dessen Anteil von 25 Prozent inaktiven Kieselgurs die Sprengkraft reduzierte, gelang es ebenfalls Nobel 1875 mit der Sprenggelatine, einem Gemisch aus Nitroglycerin und Schießbaumwolle (Zellulosenitrate), eine ideal zerfallende Mischung herzustellen (Ballistit, Cordit). Später wurde Glycerintrinitrat als Sprengstoffbestandteil wegen seines hohen Gefrierpunkts teilweise durch Nitroglykol (Ethylenglykoldinitrat; EGDN) ersetzt, das erst bei -22 °C gefriert. Nitroglykol ist allerdings recht flüchtig und daher in warmen Ländern mit nur wenig prozentualen Anteil an Sprengöl im Gesamtsprengstoff nicht zu empfehlen. Glycerintrinitrat ist dagegen heute noch ein wichtiger Bestandteil vieler Treibladungspulver. In geringen Mengen zugesetzt erhöht es die Sprengkraft von Ammonsalpetersprengstoffen.

Medizin

In der Medizin wird es wegen seiner gefäßerweiternden Wirkung (Freisetzung von Stickstoffmonoxid) unter dem Namen Glyceroltrinitrat als Mittel bei Angina Pectoris, Herzinsuffizienz (Nitrolingual® Pumpspray) verwendet. Siehe auch organische Nitrate. Unter dem Geheimnamen „Glonoine“ wurde die alkoholische Lösung seinerzeit auch Nobel gegen seine Angina Pectoris verschrieben. Herzinfarkte werden auch als „nitroresistent“ bezeichnet, da bei einem Verschluss der Koronararterien die vasodilatative Wirkung des freigesetzten Stickstoffmonoxid keinen therapeutischen Effekt hat.

Neben der Anwendung beim Angina pectoris Anfall, kommt es in der Notfallmedizin weiterhin auch bei Linksherzinsuffizienzen und kardial bedingten Lungenödemen zur Anwendung, da es die Herzvorlast herabsetzt. Weitere Anwendungsgebiete sind die Hypertensive Krise und spastische Harnleiter- und Gallenkoliken. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass es zu lebensgefährlichen Komplikationen kommen kann, wenn das Medikament Viagra bis zu 48 Stunden vor der Einnahme des Präparats genommen wurde.[5]

Nebenwirkungen

Zu den Nebenwirkungen des Mittels zählen eine Erhöhung des intrakraniellen Drucks, eine mögliche Reflextachykardie sowie Kopfschmerzen, Flush und ein Hitzegefühl.[5]

Herstellung

Glycerintrinitrat wird durch die Veresterung der drei Hydroxylgruppen von wasserfreiem Glycerin mit einer Mischung aus Salpetersäure und Schwefelsäure, der so genannten Nitriersäure, hergestellt.

Man unterscheidet diskontinuierliche und kontinuierliche Herstellungsverfahren. Bei diskontinuierlichen Verfahren wird eine bestimmte Menge Nitriersäure vorgelegt und bei starker Kühlung kleine Mengen Glycerin zugegeben. Aufgrund der Wärmeentwicklung und einer autokatalytischen Zersetzung bei Temperaturen über 30 °C bergen diese Methoden jedoch häufig unkalkulierbare Risiken. Das Auftreten von Nitroglycerindämpfen kann wegen der blutdrucksenkenden Wirkung (s.o.) zum Bewusstseinsverlust führen, was dadurch die Kontrolle über die Temperaturen bei der Herstellung unmöglich und damit eine unkontrollierte Zersetzung wahrscheinlich werden lässt.

Um die Glycerintrinitratmengen in den einzelnen Verarbeitungsstufen so gering wie möglich zu halten und die Produktivität zu erhöhen, wurden daher kontinuierliche Herstellungsverfahren entwickelt. Im einfachsten Fall werden Nitriersäure und Glyzerin kontinuierlich in ein gekühltes Rohrsystem gegeben und mischen sich dort aufgrund der laminaren Strömungsverhältnisse. Die modernsten Verfahren benutzen Injektorpumpen, bei denen die durchfließende Nitriersäure einen Unterdruck erzeugt, mit dem das Glyzerin angesaugt und in dem Säurestrahl verwirbelt wird. Die Temperatur liegt bei etwa 70 °C.

Allgemein erfordert die Synthese von Glycerintrinitrat besondere Sorgfalt und Kenntnisse im Umgang mit Gefahrstoffen, es darf daher nur in professionellen Laboratorien hergestellt werden.

Zerfallsgleichung (allgemein)

\mathrm{4 \ C_3H_5(ONO_2)_3 \longrightarrow 12 \ CO_2 + 10 \ H_2O + 5 \ N_2 + 2 \ NO}
Glycerintrinitrat zerfällt zu Kohlenstoffdioxid, Wasser, Stickstoff und Stickstoffmonoxid.

Geschichte

Im Jahre 1847 stellt der Turiner Arzt und Chemiker Ascanio Sobrero erstmals Nitroglycerin her, aus dem Alfred Nobel 1867 Dynamit gewann. 1875 wurde dann von ihm aus Nitroglycerin und Zellulosenitrat (Kollodiumwolle) der bis dahin stärkste gewerbliche Sprengstoff, die Sprenggelatine, hergestellt. Diese Mischung wurde dann kurze Zeit später im härtesten Urgestein beim Bau des Gotthardtunnels in der Schweiz mit ausgezeichnetem Erfolg angewendet. Daraus wurden mit Zuschlagstoffen die schwächeren Gelatine-Dynamite hergestellt. Bei Verwendung des Ammonsalpeters in diesen Mischungen auch schon durch Nobel wurden die Grundlagen für die heute verwendeten Sprengstoffe geschaffen.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h Eintrag zu CAS-Nr. 55-63-0 in der GESTIS-Stoffdatenbank des BGIA, abgerufen am 30. März 2008 (JavaScript erforderlich).
  2. Eintrag zu CAS-Nr. 55-63-0 im European chemical Substances Information System ESIS
  3. R. Blume: Berechnung der Gasmenge bei der Explosion von 1 Mol Nitroglycerin.
  4. a b c d e Köhler, J.; Meyer, R.; Homburg, A.: Explosivstoffe, 10. vollständig überarbeitete Auflage, 2008 Wiley-VCH Weinheim, ISBN 978-3-527-32009-7
  5. a b D. Kühn, J. Luxem, K. Runggaldier: Rettungsdienst (3. Auflage). Urban & Fischer Verlag, München 2004, ISBN 3-437-46191-5. 

Literatur

  • Richard Escales: Nitroglyzerin & Dynamit. SurvivalPress, 1908 Reprint 2002, ISBN 3-8311-4362-5.
  • Josef Köhler, Rudolf Meyer: Explosivstoffe. 9. Auflage, S. 215 ff. Wiley-VCH 1998, ISBN 3-527-28864-3.
  • Alfred Stettbacher: Die Schieß- und Sprengstoffe. 2. Auflage, Leipzig 1933.

Weblinks


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