Gonokokken

Gonokokken
Neisseria gonorrhoeae
Neisseria gonorrhoeae (Gram-Färbung)

Neisseria gonorrhoeae (Gram-Färbung)

Systematik
Abteilung: Proteobacteria
Klasse: Beta Proteobacteria
Ordnung: Neisseriales
Familie: Neisseriaceae
Gattung: Neisseria
Art: Neisseria gonorrhoeae
Wissenschaftlicher Name
Neisseria gonorrhoeae
(Zopf 1885) Trevisan 1885

Neisseria gonorrhoeae (syn. Gonokokken) ist ein gramnegatives, unbewegliches Bakterium. Es ist der Auslöser der Gonorrhoe (syn. Tripper) und anderer Erkrankungen.

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften

Gonokokken sind gramnegative, aerobe und unbewegliche Diplokokken. Gonokokken sind gegenüber Umwelteinflüssen, insbesondere gegen Austrocknung, sehr empfindlich. Gonokokken sind Katalase- und Zytochromoxidase-positiv.

Gonokokken fehlt im Gegensatz zu Neisseria meningitidis eine echte Kapsel. Die Membran der Gonokokken enthält jedoch Lipooligosaccharide (LOS), von denen bestimmte Unterformen Sialinsäure binden können und damit eine kapselartige Struktur aufbauen, die Serumresistenz und extrazelluläres Überleben im Wirt ermöglicht. Gonokokken entziehen sich durch antigene Variation der humoralen Immunantwort des Wirtes. Der direkte Kontakt mit den Wirtszellen erfolgt über sogenannte OPA-Proteine (OPA=opacity, da sie die Kolonien trübe erscheinen lassen). Gonokokken besitzen verschiedene OPA-Proteine im Genom. Diese werden meist nicht gleichzeitig exprimiert. Der Typ an exprimiertem OPA-Protein ist für den Organotropismus des Keimes ursächlich. Diese binden an CD66, Heparansulfat-Proteoglykan-Rezeptoren und CGM1 auf Fibroblasten, Epithelzellen und Makrophagen. Außerdem induzieren die OPA-Proteine die Phagozytose. Jedes OPA-Gen hat mehrere sich wiederholende Sequenzen (repeats) aus 5 Nucleotiden. Diese werden regelmäßig herausgeschnitten oder dupliziert, wodurch sich der reading-frame ändert und neue Varianten der OPA-Proteine entstehen. Stop-Codons entscheiden darüber, ob das Opaque-Antigen exprimiert wird oder nicht. Diesen Mechanismus nennt man Antigen-Shift, und er ist bei Neisserien sehr ausgeprägt. Da für Gonokokken die Eisenzufuhr essentiell ist, finden sich auf ihrer Oberfläche Transporter für Transferrin und Laktoferrin. Gonokokken besitzen aus Pillin aufgebaute Pili.

Gonokokken-Stämme bilden z.T. Penicillinase und entgehen damit der früher üblichen Therapie mittels Penicillin. Die Penicillinase ist meist Plasmid-kodiert.

Außerdem bilden Gonokokken eine IgA1-Protease. Diese kann IgA-Antikörper spalten. Damit setzen Gonokokken einen wichtigen Abwehrmechanismus der Schleimhäute außer Kraft. Die IgA1-Protease spaltet den konstanten Teil, Fc-Fragment, des Antikörpers vom antigenbindenden Teil, Fab-Fragment, ab. Das Fc-Fragment dient der Bindung an den Fc-Rezeptor phagozytierender Zellen. Diese Bindung und somit die anschließende Phagozytose des Erregers bleibt durch die Spaltung des Antikörpers aus. Das Fab-Fragment erkennt trotzdem, spezifisch, die Epitope der Bakterien und bindet an diese. Die Folge ist, dass die Bakterien durch körpereigene Proteine (Fab-Fragmente) maskiert werden und von den Abwehrzellen nicht mehr als fremd erkannt werden. Das Bakterium entgeht somit den Abwehrzellen und es kommt zur Chronifizierung der Erkrankung.

Ausbreitung

Gonokokken haben eine weltweite Verbreitung. Das Reservoir ist ausschließlich der infizierte Mensch. Fraglich ist, ob es Übertragungsmöglichkeiten z.B. von oder zum Haustier gibt.

Häufigkeit

Die Gonorrhoe gilt als häufige Infektion. Ein Infektionsgipfel liegt im jungen Erwachsenenalter. Die Infektion kann vor allem bei Frauen relativ asymptomatisch bzw. von Symptomen her uncharakteristisch verlaufen. Daher wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen. In Ländern mit schlechter Gesundheitsversorgung findet sich eine hohe Infektionsrate. Die Gonorrhoe ist neben der Infektion durch Chlamydia trachomatis die weltweit häufigste Geschlechtskrankheit.

Krankheiten

Gonorrhoe: Die Gonorrhoe verläuft beim Mann meist als schmerzhafte und eitrige Urethritis. Steigt die Erkrankung über die Harnröhre auf, so kann es zur gonorrhoischen Prostatitis und Epididymitis kommen. Harnröhrenstrikturen und Infertilität können die Folge sein. Die Symptome können nach Wochen wieder verschwinden.

Bei Frauen verläuft der Großteil der Infektionen ohne wesentlich Symptome. Bei den übrigen Patientinnen findet sich Ausfluss, schmerzhafte Miktionen und eitrige Sekretionen aus der Urethra. Steigt bei Frauen die Infektion auf, so kann sich eine Adnexitis und eine sogenanntes pelvic inflammatory disease (PID) entwickeln. Daraus kann Sterilität resultieren. Bei Schwangeren ist das Risiko hierfür erhöht. Außerdem kann es zur Infektion der Frucht und der Fruchtblase kommen (Chorionamnionitis) mit dem Risiko eines Abortes.

Gonoblennorrhoe: Dies ist eine eitrige Keratokonjunktivitis des Neugeborenen. Die Infektion der Augen entsteht beim Geburtsvorgang bei einer infizierten Mutter. Es besteht die Gefahr der Perforation und Erblindung. Daher wird seit dem 19. Jahrhundert die Credé-Prophylaxe mit Silbernitrat bzw. Penicillin durchgeführt.

Außerdem können Gonokokken die Konjunktiven, den Pharynx und den Mastdarm infizieren. Außerdem gibt es eine disseminierte Infektion mit Befall z.B. eines Gelenkes, der Lunge u.a. Organen.

Übertragung

Die Übertragung der Gonokokken erfolgt meist als Schmierinfektion beim Geschlechtsverkehr. Neugeborene infizieren sich durch vaginale Schmierinfektion bei der Geburt. Zur Prophylaxe wird (in Österreich und der Schweiz) Neugeborenen Silbernitratlösung in die Augen getropft.

Inkubationszeit

Die Inkubationszeit liegt beim Mann zwischen zwei und fünf Tagen und bei der Frau bis zu drei Wochen.

Pathogenese

Gonokokken heften sich über spezielle Pili an die Schleimhautzellen der Harnröhre bzw. des Gebärmutterhalses an. Dabei spielt das Adhäsin Pillin eine große Rolle. Einige Gonokokken induzieren durch die Opa-Proteine eine Endozytose an Schleimhautzellen und werden auf der Lumen-abgewandten Seite wieder ausgeworfen (sog. Transzytose). Gonokokken werden von Granulozyten phagozytiert und können meist auch abgetötet werden. Nur ein Teil der Gonokokken überlebt intrazellulär. Die Gewebsschädigung erfolgt durch Induktion einer eitrigen Entzündung und Komplementaktivierung und dadurch bedingter Zerstörung des befallenen Epithels. Dafür scheint v.a. das Lipopolysaccharid der Bakterienzellwand eine große Rolle zu spielen.

Therapie

Die Therapie erfolgt heute wegen der zunehmenden Verbreitung penicillinasebildender Gonokokken mit Ceftriaxon bzw. einem Cephalosporin der dritten Generation. Da sich häufig eine Doppelinfektion mit Chlamydien finden lässt, wird zusätzlich Doxycyclin eingesetzt. Eine Coinfektion mit Syphilis sollte ausgeschlossen werden. Der Therapie-Erfolg wird nach einer Woche mittels Abstrich kontrolliert. Wichtig ist auch die Partner-Behandlung, um Kreuzinfektionen auszuschließen (sog. Ping-Pong-Gonorrhö). Die Credé-Prophylaxe ist die vorbeugende Behandlung von Neugeborenen mit 1%iger Silbernitratlösung oder Penicillin. Eine Meldepflicht besteht nicht. Ein Impfstoff ist wegen der hohen Variabilität der Opa- und Pillin-Proteine nicht verfügbar.

Diagnostik

Der Nachweis einer Gonokokkeninfektion wird meist mikroskopisch gestellt. Dabei finden sich die typischen semmelförmigen Diplokokken meist im Inneren von Granulozyten. Zur Sicherung der Diagnose erfolgt eine Erreger-Anzucht z.B. auf Kochblut-Agar. Bei Frauen kann die Mikroskopie eines Zervix-Abstrichs negativ ausfallen, da sich die Erreger tief in den Krypten aufhalten können.

Historisches

Albert Neisser entdeckte die Gonokokken im Jahre 1879 im Urethralabstrich eines Patienten. Carl Siegmund Franz Credé führte 1881 die nach ihm benannte Prophylaxe ein. Ernst Bumm gelang 1885 erstmals die Anzucht von Gonokokken.


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