- Gorz
-
André Gorz (* Februar 1923 in Wien als Gerhard Hirsch; † 22. September 2007 in Vosnon, Département Aube, Frankreich) war ein französischer Sozialphilosoph österreichischer Herkunft. Seit den fünfziger Jahren lebte er als Publizist in Frankreich, war Mitarbeiter Jean-Paul Sartres und Mitbegründer des Nachrichtenmagazins Le Nouvel Observateur.
Über lange Jahre ein Anhänger Sartres existentialistischer Variante des Marxismus, brach Gorz mit Sartre nach dem Pariser Mai 1968. André Gorz wandte sich der politischen Ökologie zu und wurde deren führender Theoretiker. Zentrales Thema in den Überlegungen Gorz’ ist stets die Frage der Arbeit: Befreiung von der Arbeit, gerechte Verteilung der Arbeit, Entfremdung in der Arbeit. Gorz gehörte zu den entschiedensten Befürwortern eines bedingungslosen Grundeinkommens.
Inhaltsverzeichnis
Biografie
André Gorz wurde als Sohn eines jüdischen Wiener Holzhändlers und einer katholischen, aus Dresden stammenden Sekretärin geboren. Sein Geburtsname war Gerhard Hirsch. Sein Vater konvertierte 1930 wegen des sich ausbreitenden Antisemitismus zum katholischen Glauben und nahm den Familiennamen Horst an. Der nationalsozialistischen Verfolgung entging Gorz durch seine Schulausbildung in einem katholischen Schweizer Internat in Lausanne (unter dem Namen Gérard Horst), das er auf Betreiben seiner Mutter ab 1939 besuchte. Er begann anschließend ein Chemiestudium an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne, während er gleichzeitig bereits Übersetzungen aus dem Englischen erstellte, philosophische Essays und politische Artikel für eine Schweizer Genossenschaftszeitschrift verfasste. In der Schweiz lernte er seine aus Schottland stammende spätere Frau Dorine kennen.
Bei einer Vortragsreise Sartres durch die Schweiz kam es 1946 zu einer ersten Begegnung, aus der sich eine langjährige literarisch-philosophische Zusammenarbeit entwickelte. 1949 siedelte Gorz nach Frankreich um, wo er zunächst unter anderem als Pressereferent und später als Privatsekretär des indischen Militärattachés in Paris tätig war, aber bald Redakteur bei der Zeitung Paris Presse wurde. Zu dieser Zeit taucht auch erstmals der Name Gorz auf; von nun an veröffentlichte er als Journalist unter dem Namen Michel Bosquet und seine sozialphilosophischen Arbeiten unter André Gorz (Görz war der Name der Stadt, in der die Militärbrille seines Vaters hergestellt worden war). 1954 wurde der bis dahin staatenlose Gorz französischer Staatsbürger dank der Unterstützung von Pierre Mendès-France. [1]
1960 wurde Gorz ein Redaktionsmitglied der von Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir gegründeten Zeitschrift Les Temps Modernes und 1964 Mitbegründer und stellvertretender Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Le Nouvel Observateur. In Deutschland gehörte er zum Beraterkreis des damaligen Magazins Technologie und Politik, deren Herausgeber Freimut Duve war.
In den 1960er Jahren war Gorz politisch besonders aktiv und schuf sich einen Ruf als Theoretiker der Arbeiterselbstverwaltung und galt seit den 1970er Jahren als Befürworter der politischen Ökologie. Im Mittelpunkt aktueller Publikationen stand Gorz’ Begriff der Emanzipation als einer Befreiung, die die industrialistische Tradition der Linken zugunsten einer politischen Moral von Autonomie und Gemeinsinn hinter sich ließ. Zentrale Themen blieben aber distributive Überlegungen über Wissen und Arbeit.
André Gorz nahm sich am 22. September 2007 gemeinsam mit seiner schwer kranken, 83-jährigen Frau Dorine in ihrem gemeinsamen Haus in Vosnon (Aube) das Leben.[2]
Zitat
„Das Ziel einer Gesellschaft, in der ein(e) jede(r) weniger arbeitet, damit alle Arbeit finden und besser leben können, wird somit heute zu einem der wichtigsten Faktoren des Zusammenhalts der Gewerkschaft und der Erneuerung sozialer Freiheitsbewegungen.“
– Kritik der ökonomischen Vernunft: [3]
Werke (Auswahl)
- Strategy for labor: a radical proposal. Beacon Press (1968)
- Die Aktualität der Revolution. Nachtrag zur Strategie der Arbeiterbewegung (1970)
- Zur Strategie der Arbeiterbewegung im Neokapitalismus (1974)
- Kritik der Arbeitsteilung (1974)
- Ökologie und Politik. Beiträge zur Wachstumskrise (1977), (1980)
- Socialism and revolution. Allen Lane (1975)
- Der Verräter (1980, Ü. Eva Moldenhauer)
- Abschied vom Proletariat (1980, Ü. Heinz Abosch)
- Wege ins Paradies. Thesen zur Krise, Automation und Zukunft der Arbeit. (Originaltitel: Les chemins du paradis. Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer.) Rotbuch Verlag, Berlin 1983 ISBN 3-88022-279-7
- Kritik der ökonomischen Vernunft (1989, Otto Kallscheuer)
- Arbeit zwischen Misere und Utopie (1999, Ü. Julia Wolf)
- Wissen, Wert und Kapital. Zur Kritik der Wissensökonomie. (Aus dem Französischen von Jadja Wolf.) Rotpunktverlag, Zürich 2004 ISBN 978-3-85869-282-2
- Brief an D. Geschichte einer Liebe. (Originaltitel: Lettre à D. Histoire d´un amour. Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer.) Rotpunktverlag, Zürich 2007 ISBN 978-3-85869-353-2
- Essays
- André Gorz: Welches Wissen? Welche Gesellschaft? Textbeitrag zum Kongress „Gut zu Wissen“, Heinrich-Böll-Stiftung, 5/2001
- Vom totalitären Vorhaben des Kapitals. Notizen zu Jeremy Rifkins „The Age of Access“. In: Widerspruch. 40, 2001 (Auszug im Freitag, 6. Juli 2001)
- Interviews
- Von der Entsinnlichung und Privatisierung des Denkens. Wissen, Wert, Kapital Interview: Thomas Schaffroth In: WoZ vom 26. März 2003
Literatur
- Hans Leo Krämer, Claus Leggewie (Hrsg.): Wege ins Reich der Freiheit. André Gorz zum 65. Geburtstag. Berlin, 1989, Rotbuch, ISBN 3880227411
Einzelnachweise
- ↑ http://multitudes.samizdat.net/article2724.html
- ↑ Am Morgen des 24. September 2007 fand eine Freundin des Paares an der Eingangstür des Hauses die Nachricht, Besucher sollten „die Polizei verständigen“. Todestag war bereits der 22. September 2007.
- ↑ Kritik der ökonomischen Vernunft; Berlin, 1989; S. 318
Weblinks
- Literatur von und über André Gorz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Rezension bei Perlentaucher
- Nachruf von Stefan Steinberg wsws.org, 1. November 2007
- Kulturzeit (3sat): Erzfeind Kapital – André Gorz über die Ökonomie des Wissens
- Video mit Gorz in Kulturzeit
- „Von Luft und Liebe“ Rezension von Gorz' „Brief an D.“ von Elisabeth von Thadden in der Zeit vom 20. September 2007
- André Gorz. Der Verabschieder des Proletariats. in der taz vom 26. September 2007
- Die Freiheit wählen Nachruf im Tagesspiegel vom 26. September 2007
- André Gorz ist tot Blogbeitrag mit Angaben zum Todeszeitpunkt
Personendaten NAME Gorz, André ALTERNATIVNAMEN Hirsch, Gerhard (Geburtsname); Horst, Gérard (Pseudonym); Bosquet, Michel (Pseudonym) KURZBESCHREIBUNG französischer Sozialphilosoph österreichischer Herkunft GEBURTSDATUM Februar 1923 GEBURTSORT Wien STERBEDATUM 24. September 2007 STERBEORT Vosnon
Wikimedia Foundation.