Gottessohn

Gottessohn

Der Ausdruck Sohn Gottes oder Gottessohn ist ein Ehrentitel in einigen Religionen des Altertums. Im Judentum bezeichnet er das erwählte Volk, einzelne gerechte Israeliten, von JHWH erwählte Könige Israels und manchmal den erwarteten Messias.

Im Christentum wird Jesus von Nazaret als einziger Sohn Gottes verkündigt, den Gott von Ewigkeit her zur Erlösung aller Menschen gesandt habe. Das Glaubensbekenntnis zu Jesus Christus als dem menschgewordenen Sohn Gottes wurde bis zum Konzil von Chalcedon (451) zum Kernbestand der kirchlichen Christologie und Trinitätslehre.

Inhaltsverzeichnis

Alter Orient und Antike

Ein Herrscher wurde in der Gottkönigsideologie altorientalischer Großreiche seit etwa 2000 v. Chr. oft als Gottessohn bezeichnet. In Altägypten bezeichnete man den Pharao als Sohn des Gottes Amun. Im Hellenismus wurde Alexander der Große als „Sohn des Zeus“ verehrt. Diesen Titel übernahmen die Seleukiden.

Nach Tod und Vergottung Julius Caesars ließ sich Augustus ab 27 v. Chr. als erster römischer Kaiser „Gottessohn“ (theou hyios) und „Gott aus Gott“ (theos ek theou) nennen. Dies begründete den römischen Kaiserkult, den die folgenden römischen Kaiser fortsetzten.

Judentum

Der Tanach grenzt den Glauben der Israeliten gegen den Polytheismus, seine Götterpantheone und gegen die Vergötterung von Lebewesen und Gegenständen ab. Dies zeigen gerade die Stellen, die Einflüsse altorientalischer Mythologie spiegeln: So zeugen die Gottessöhne in Gen 6,2 EU mit langem Leben ausgezeichnete Nachkommen Adams, also Menschen, keine Götter.

Hos 11,6 EU nennt das ganze erwählte Volk IsraelSohn Gottes. In den Königspsalmen wird ein inthronisierter Herrscher Israels öfter so genannt (Ps 2,7 EU; 28 EU). Die umgebenden Motive zeigen den Einfluss der altorientalischen Hofsprache. Dabei fehlt jedoch die Vorstellung, der König sei physisch von Gott „gezeugt“; der Titel drückt hier vielmehr eine Personenwahl nach Analogie einer Adoption aus. Der König wird damit zum Führer des ganzen erwählten Gottesvolks beauftragt und rechtlich zur Einhaltung von Gottes Willen verpflichtet.

In der Dynastiezusage 2_Sam 7,14 EU wird König David von Gott mit „mein Sohn“ angeredet. Für die Annahme, der Sohn-Gottes-Titel sei von dort aus auf den Messias als Heilsbringer der Endzeit übertragen worden, gibt es im Tanach keinen Beleg. Ein späteres Zitat dieser Zusage (1_Chr 17 EU) nennt den Davidnachfolger vielmehr „Knecht“.[1]

Nur die Schriftrollen vom Toten Meer (entstanden etwa 200-100 v. Chr.) kombinieren den Messiastitel einmal mit den Titeln Sohn Gottes und Sohn des Höchsten (4Q 246). Dagegen fehlt der Sohn-Gottes-Titel in allen jüdischen Schriften, die vom Messias reden, zwischen 100 vor und 100 nach Chr.[2]

Christentum

Jesus Christus Sohn des Allmächtigen Gottes

Neues Testament

Das Urchristentum bezog den aus der Bibel bekannten Titel exklusiv auf Jesus von Nazaret, um dessen einzigartiges Verhältnis zum Gott Israels auszudrücken. „Sohn Gottes“ oder „(der) Sohn“ ist neben Christus („Gesalbter“) und Kyrios („Herr“ als Gottesanrede) einer der häufigsten Hoheitstitel für Jesus im Neuen Testament (NT). Er taucht in fast allen NT-Schriften auf und fehlt nur in den Pastoralbriefen, dem 2. Thessalonicherbrief, Jakobusbrief, 1. Petrusbrief und Judasbrief. [3]

Das Markusevangelium stellt den Gottessohn von Anfang an in den Vordergrund (Mk 1,1 EU). Bei seiner Taufe (1,11 EU) und seiner vorösterlichen Verklärung (9,7 EU) habe Gott Jesus vom Himmel her zu seinem geliebten Sohn erklärt. Damit bekräftigte der Autor Israels Erwählung zum Volk Gottes, aus dem Jesus stammt. Auch die Dämonen, die Jesus ausgetrieben habe, hätten ihn als Sohn Gottes erkannt und angeredet (3,11 EU; 5,7 EU). Die apokalyptische Endzeitrede ordnet den Sohn und seine Aufgabe in der Welt betont dem Vater unter (13,32 EU). Angesichts seines Sterbens am Kreuz habe der römische Offizier, der die Hinrichtung beaufsichtigte, als Erster bekannt (15,26 EU) : Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn. Darum sollen die Nachfolger Jesu den auferstandenen Kyrios verkünden und in seinem Namen Dämonen austreiben (16,15-19 EU). Dieses Verständnis des Gottessohns als des von Gott zur endgültigen Rettung der Welt erwählten Heilsbringers greifen andere NT-Schriften auf (Joh 1,14 EU, Hebr 2,9 EU, Phi 2,7 EU u.ö.).

In Offb 2,18 EU stellt sich der erhöhte Christus der Gemeinde von Thyatira als Sohn Gottes vor. Nur an dieser Stelle kommt der Titel in der der Johannesoffenbarung vor. Deren Verfasser stellt Christus als den wahren Sohn Gottes gegen die sich ebenso nennenden römischen Kaiser.[4] Zudem bereitet der Titel das Zitat des Sohn-Gottes-Psalms am Ende desselben Sendschreibens vor (Ps 2,8f. in Offb 2,27). Dieses stellt den Christus treuen Nachfolgern in Thytira eine Teilhabe an der Machtstellung des Sohnes Gottes in Aussicht.[5]

Dafür, dass der historische Jesus sich selbst als Sohn Gottes verstand, fehlen jedoch direkte Anhaltspunkte.[6] Zwar deuten die Rahmenhandlungen der Wunderberichte diese Heiltaten als Zeichen seiner Sohnschaft; auch die Sündenvergebung und Toraauslegung verweisen auf diese Vollmacht. Doch in Eigenaussagen Jesu fehlt der Titel; dafür findet sich dort immer der Titel des Menschensohns.

Patristik

Die Kirchenväter Clemens von Alexandrien im 2. Jahrhundert und Origenes im 3. Jahrhundert lehren, dass der Logos, der in Jesus verkörpert sei, notwendig sei für Gott, sich der physischen und der geistigen Welt zu offenbaren. Der Logos-Jesus sei ebenso ewig wie der Schöpfer.

Arius im 4. Jahrhundert meinte, der Logos-Jesus sei, wie Origenes es lehre, dem Vater (= Gott) untergeordnet, nicht vom Vater ewig gezeugt, kein richtiger Gottessohn, diese Bezeichnung sei ein Ehrenname und Jesus ein Adoptiv-Sohn Gottes (Arianismus).

Athanasius war im 4. Jahrhundert ein entschiedener Gegner des Arius. Er lehrte, dass der Logos-Jesus als ewige Zeugung Gottes, des Vaters, nur aus dem Vater, dem Urprinzip emaniert sei: Christus ... mit dem Zusatznamen Jesus, ist der menschgewordenen Logos oder Sohn Gottes, die zweite Person der Dreifaltigkeit mit einer menschlichen Natur. [7] Der Sohn sei also ebenso dem Vater wesensgleich (Homousie), nicht nur wesensähnlich (Homoiusie). Die Vorstellung der Homousie wurde im Konzil zu Nicäa 325 als Kirchenlehre festgelegt.

Mystik

In der Mystik des Meister Eckhart erscheint der "Sohn Gottes" als Ziel der Selbst-Erkenntnis des Menschen: Die Leute wähnen, da und da sei Gott einmal Mensch geworden. Dem ist nicht also; denn Gott ist sowohl hier wie dort Mensch geworden und um und um ist er Mensch geworden, auf dass er auch dich als seinen eingeborenen Sohn gebäre und als nichts weniger.[8]

Literatur

Einzelnachweis

  1. Martin Hengel: Der Sohn Gottes, 1975, S. 71ff
  2. Martin Karrer: Jesus Christus im Neuen Testament, Göttingen 1998, S. 191
  3. Martin Karrer: Attribute und Benennungen Jesu, in: Jesus Christus im Neuen Testament, Göttingen 1998, S. 352f
  4. Heinz Giesen: Die Offenbarung des Johannes, RNT, Regensburg 1997, S. 118
  5. Akira Satake: Die Offenbarung des Johannes, KEK 16, Göttingen 2008, S. 169 u. 174f.
  6. Hans Conzelmann, Andreas Lindemann: Arbeitsbuch zum Neuen Testament 12. Auflage, Mohr/Siebeck, UTB 52, S. 491
  7. Joseph Pohle, in: Kirchliches Handlexikon, von Michael Buchberger, I, Sp. 927
  8. Meister Eckhart, Vom Wunder der Seele, Eine Auswahl aus den Traktaten und Predigten, Reclam Universal Bibliothek Nr. 7319, S. 55

Weblinks


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