Graft-versus-Tumor-Effekt

Graft-versus-Tumor-Effekt
Klassifikation nach ICD-10
T86.01 Akute Graft-versus-host-Krankheit, Grad I und II
T86.02 Akute Graft-versus-host-Krankheit, Grad III und IV
T86.03 Chronische Graft-versus-host-Krankheit, begrenzte Form
T86.04 Chronische Graft-versus-host-Krankheit, ausgeprägte Form
T86.09 Graft-versus-host-Krankheit, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Unter der Graft-versus-Host-Reaktion (GvHR; deutsch: Transplantat-Wirt-Reaktion; englisch: Graft-versus-Host-Disease (GvHD)) versteht man eine immunologische Reaktion, welche in der Folge einer allogenen Knochenmark- oder Stammzelltransplantation auftreten kann.[1] Bei der GvHR reagieren vor allem die im Transplantat enthaltenen T-Lymphozyten eines Spenders gegen den Empfängerorganismus. Am häufigsten äußern sich Symptome der GvHR an der Haut, der Leber, am Darm und am Auge. Die GvHR wird dabei nach Ausprägung und Anzahl der befallenen Organe in vier Schweregrade eingeteilt[2].

Das Risiko, eine GvHR zu entwickeln hängt eng mit der Kompatibilität ab, welche durch das humane Leukozyten-Antigen (HLA) bestimmt wird. Bei allogener Transplantation von HLA-identischen Geschwisterspendern entwickeln jedoch trotz optimaler Vorsorge ca. 30 bis 40 % der Patienten eine akute GvHR leichter bis mittlerer Ausprägung; ca. 10 % erleiden eine schwer kontrollierbare GvHR[3]. Verschiedene Techniken der Aufbereitung von Transplantaten haben zwar das Risiko von GvHR und therapieassoziiertem Frühversterben (early treatment related mortality, TRM) verkleinert, sie führte jedoch nicht zu einer messbaren Erhöhung der Überlebensrate [4].

Immunsuppressiva wie Ciclosporin, Kortikosteroide, Antimetabolite und monoklonale Antilymphozyten-Antikörper werden heute routinemäßig eingesetzt, um die GvHR besser kontrollieren zu können. Obwohl die GvHR bei allogenen Stammzell- oder Knochmarktransplantationen ein beträchtliches Gesundheitsrisiko darstellt, kann eine moderate Form der GvHR dem Empfänger auch nutzen, da T-Zellen des Transplantats auch etwaige verbliebene Tumorzellen des Wirtes zerstören (Graft-versus-Malignancy-Effekt).

Graft-versus-Malignancy (GvM)

Während es sich bei der GvHR um eine unerwünschte Reaktion der Spenderlymphozyten auf den Wirtsorganismus handelt, ist die gegen maligne Zellen gerichtete Reaktion, auch „Graft-versus-Leukemia“ (GvL) oder allgemeiner „Graft-versus-Malignancy“ genannt, durchaus erwünscht. Verantwortlich für diese Reaktion sind vor allem die CD56+/CD3- NK-Zellen des Spenders – diese sind in der Lage, Krebszellen auch ohne spezifische Antigenerkennung zu lysieren[5]. Die Funktion der NK-Zellen wird hierbei durch ein Zusammenspiel verschiedener stimulierender und inhibierender Zell-Zell-Interaktionen reguliert [6]. In letzter Zeit ist vor allem die Gruppe der Immunglobulin-ähnlichen Rezeptoren (KIRs) in das wissenschaftliche Interesse gerückt. Diese Oberflächenrezeptoren werden von NK-Zellen exprimiert und erkennen Epitope, wie sie für den MHC-I-Komplex typisch sind[7].

Als Liganden für inhibitorische KIR-Rezeptoren dienen vor allem die HLA-C Moleküle, welche auf vielen Zellen des Körpers zu finden sind. Die KIR-HLA Interaktion ist dabei einem hohen genetischen Polymorphismus unterworfen. Die HLA-C-Kompatibilität ist unter diesem Aspekt für hämatopoetische Stammzelltransplantationen von Bedeutung – sind Zellen des Empfängers nicht in der Lage, die passenden KIR-Liganden zu exprimieren, so werden diese Zellen das Ziel der zum unweigerlichen Zelluntergang führenden NK-Zell-Aktion[6].

In der Theorie sollte diese Inkompatibilität daher, neben den erwünschten Effekten der GvL-Reaktion, auch zu einem generalisierten Auftreten einer GvHR beitragen; paradoxerweise ist dies nicht der Fall. Wie italienische Mediziner zeigen konnten, stand die Inkompatibilität der KIR-Liganden bei einer familiär-allogenen Stammzelltransplantation zwar tatsächlich im Zusammenhang mit dem Auftreten von alloreaktiven NK-Zellen, welche nicht durch den MHC-I-Komplex der Empfängerzellen blockiert werden konnten - eine derartige Konstellation führte aber zu einer reduzierten Rezidivrate bei AML-Hochrisikopatienten, ohne das Risiko einer GvHD oder eines Graftfehlers maßgeblich zu erhöhen [8].

Zu ähnlichen Ergebnissen gelangten polnische Forscher bei der Untersuchung von 130 Patienten, die eine allogene Stammzelltransplantation von nicht verwandten Spendern erhalten hatten[9]. Englische Forscher konnten in diesem Zusammenhang bei einer retrospektiven Betrachtung von 220 Stamzelltransplantationen zwischen HLA-kompatiblen Zwillingen bei myeloischen und lymphatischen Erkrankungen die HLA-C Merkmale des Empfängers als wichtigen prognostischen Faktor ausmachen [10].

Quellen

  1. Jacobsohn DA, Vogelsang GB: Acute graft versus host disease. Orphanet J Rare Dis. 2007 Sep 4;2:35. PMID 17784964
  2. Martino R, Romero P et al.: „Comparison of the classic Glucksberg criteria and the IBMTR Severity Index for grading acute graft-versus-host disease following HLA-identical sibling stem cell transplantation. International Bone Marrow Transplant Registry .“ Bone Marrow Transplant 1999; 24(3): S. 283-287 Abstract
  3. Kanda Y, Chiba S: „Allogeneic hematopoietic stem cell transplantation from family members other than HLA-identical siblings over the last decade (1991-2000).“ Blood 2003; 102(4): S. 1541-1547 Abstract
  4. Lee CK, DeMagalhaes-Silverman M et al.: „Donor T-lymphocyte infusion for unrelated allogeneic bone marrow transplantation with CD3+ T-cell-depleted graft.“ Bone Marrow Transplant 2003; 31(2): S. 121-128 Abstract und andere.
  5. Robertson MJ, Ritz J: „Biology and clinical relevance of human natural killer cells.“ Blood 1990; 76(12): S. 2421-2438 Abstract
  6. a b Farag, Fehniger et al.: „Natural killer cell receptors: new biology and insights into the graft-versus-leukemia effect.“ Blood 2002; 100(6): S. 1935-1947 Abstract
  7. Ruggeri L, Capanni M et al.: „Role of natural killer cell alloreactivity in HLA-mismatched hematopoietic stem cell transplantation .“ Blood 1999; 94(1): S. 333-339 Abstract
  8. Ruggeri L, Capanni M et al.: „Effectiveness of donor natural killer cell alloreactivity in mismatched hematopoietic transplants.“ Science 2002; 295(5562): S. 2097-2100 Abstract Artikel
  9. Giebel S, Locatelli F et al.: „Survival advantage with KIR ligand incompatibility in hematopoietic stem cell transplantation from unrelated donors.“ Blood 2003; 102(3): S. 814-819
  10. Cook MA, Milligan DW: „The impact of donor KIR and patient HLA-C genotypes on outcome following HLA-identical sibling hematopoietic stem cell transplantation for myeloid leukemia.“ Blood 2004; 103(4): S. 1521-1526

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