- Grauballemann
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Der Grauballe-Mann ist eine Moorleiche, die 1952 in Jütland im Nebelgårds Mose, einem Kesselmoor von 130 m Durchmesser in Grauballe 8 km nordöstlich von Silkeborg in Dänemark gefunden wurde. Der im 3. Jahrhundert vor Chr. verstorbene Mann lebte in der vorrömischen Eisenzeit und ist neben dem Tollund-Mann die besterhaltene und bekannteste dänische Moorleiche. Der Grauballe-Mann wird im Moesgård-Museum bei Århus ausgestellt.
Inhaltsverzeichnis
Fund
Der Torfstecher Tage Busk Sørensen stieß am 26 April 1952 bei seiner Arbeit im Moor etwa einem Meter unter der Oberfläche auf die Leiche. Zunächst hielt er die freigelegte Schulter für eine Baumwurzel, erkannte aber beim Weitergraben, dass es sich um eine menschliche Leiche handelt. Darauf kontaktierte er den Arzt Ulrik Balslev, der seinerseits das Historische Museum Århus mit Peter Vilhelm Glob informierte. Beide eilten zur Fundstelle um die Leiche zu untersuchen und auszugraben. Glob war es auch, der der Moorleiche den Namen Grauballe-Mann gab.
Der Grauballe-Mann steckte mit angezogenem rechten Bein und rechtem Arm sowie nach hinten gerichtetem Kopf im Moor. Durch den Druck der umgebenden Moorschichten ist seine Leiche etwas zusammengedrückt, ansonsten ist sie jedoch vollständig erhalten und in einem sehr guten Zustand. Es fanden sich keine Spuren von Kleidung, Schmuck oder anderen persönlichen Gegenständen. Neben der Leiche wurden lediglich mehrere etwa drei Zentimeter lange Birkenhölzchen mit eingeritzten Symbolen gefunden.
Aufgrund der Gerbprozesse im Moor wurde die Leiche nahezu vollständig konserviert. Nach einer kurzen Untersuchung wurde der Grauballe-Mann für eine Woche im Museum der Öffentlichkeit präsentiert und von rund 20000 Besuchern gesehen. Die weitere Untersuchung und Konservierung der Leiche durch Long-Kornbak dauerte weitere 18 Monate, bevor sie dann endgültig neben anderen Opferfunden aus einem Moor bei Smederup ausgestellt werden konnte.
Untersuchung
Der etwa 34 Jahre alte und etwa 175 cm große Mann wurde durch einen fachmännisch ausgeführten, von einem bis zum anderen Ohr reichenden, Kehlenschnitt getötet. Daneben weisen Schädel und Schienbeinbereich Läsionen auf. Die genauere Untersuchung der Leiche ergab, dass der Mann zu Lebzeiten keine schwere körperliche Arbeit verrichtet hatte. Seine gepflegten Hände und Fingernägel lassen darauf schließen, dass es sich möglicherweise um einen Angehörigen der lokalen Oberschicht gehandelt hat. Die Leiche war so gut erhalten, dass Fingernägel, Haare und Bartstoppel unbeschadet die Lagerung im Moor überstanden. Seine gepflegten Haare haben durch die Einwirkung der Moorsäure eine rotblonde Farbe, die ursprüngliche Haarfarbe lässt sich jedoch nicht mehr genau bestimmen, sie war vermutlich ein dunkles Blond. Von seinen Fingern konnten, wie bei einem lebenden Menschen, klare Fingerabdrücke abgenommen werden.
Eine frühe Radiokohlenstoffdatierung (14C-Datierung) durch den Nobelpreisträger Willard Frank Libby ergab einen Sterbezeitraum des Grauballe-Mannes von 210-410 n. Chr. Weitere 14C-Datierungen im Jahre 1978 ergaben einen Todeszeitpunkt in der vorrömischen Eisenzeit von 52 v. Chr. +/- 55 Jahre. Die neuere Untersuchung einer 14C-Probe aus dem Muskelgewebe mittels Beschleuniger-Massenspektrometrie (AMS) ergab ein Todeszeitpunkt um die Jahre 375-255 v. Chr. Nach Berücksichtigung der Standardabweichungen kann ein Todeszeitpunkt um das Jahr 290 v. Chr. angenommen werden.
Im Jahre 2001 folgten weitere medizinische Untersuchungen in den Universitätskrankenhäusern von Århus und Skejby. An der Leiche wurden umfangreiche DNA-Tests und Untersuchungen per Computertomographie und Magnetresonanztomographie durchgeführt. Mit Hilfe dieser Daten konnte ein 3D-Modell der Leiche für eine Rekonstruktion des Kopfes und eine Gesichtsrekonstruktion erstellt werden. An dem ansonsten gesunden jungen Mann wurde eine beginnende rheumatische Arthrose sowie Zahnkaries diagnostiziert. Die Läsion im Schädelbereich sind erst nach seinem Tode durch die Lagerung im Moor entstanden und auf den Druck des umgebenden Erdreichs zurückzuführen. Die umfangreichen Studien erbrachten zahlreiche neue Informationen wie beispielsweise, dass der Tote seine Haare regelmäßig schneiden ließ und er sich zuletzt etwa 3 Wochen vor seinem Tod rasierte. Seine letzte Mahlzeit bestand aus mehreren verschiedenen Getreidesorten, wie Gerste, Weizen, Hafer, weiterhin wurden die Samen von mehr als 60 verschiedenen Kräutern, Unkräutern und Gräsern gefunden. Es waren keine Spuren von frischem Obst oder Kräutern erhalten, so dass er wahrscheinlich in der Winterzeit zu Tode gekommen ist. Ein Todeszeitpunkt im Winter kann auch eine Erklärung für den außerordentlich guten Erhaltungszustand der Leiche sein. Durch die Lagerung im eiskalten Wasser wurden die natürlichen Abbauprozesse des Leichnams extrem verlangsamt. Zur weiteren Konservierung wird die Leiche in der Ausstellungsvitrine in einer Stickstoffatmosphäre aufbewahrt.
Deutung
Wie bei anderen gewaltsam ums Leben gekommenen Moorleichen ist sich die Wissenschaft nicht einig, ob der Grauballe-Mann zur Strafe getötet wurde oder Teil eines Menschenopfers wurde. Es konnten keine sicheren Hinweise gefunden werden, die eine Straf- oder Opferthese eindeutig belegen. Die bei der Leiche gefunden Birkenhölzchen könnten ein Hinweis für ein geworfenes Los sein, die die Opferthese wahrscheinlicher erscheinen lassen.
Vermischtes
Bereits kurz nach dem Bekanntwerden des Fundes gab es um den Grauballe-Mann einen kleinen Disput. Nachdem eine örtliche Bäuerin in der Leiche einen 1887/1888 verschwundenen Mann erkannt haben wollte - es sei der rote Kristian, ein Säufer aus der Gegend, der öfter betrunken im Moor herumgezogen sei -, kamen immer mehr Leute, die in der Leiche denselben Kristian erkannt haben wollten. Dieser Fall wurde von mehreren Zeitungen aufgegriffen und thematisiert. Professor Glob äußerte jedoch nach einer ersten Datierung starke Zweifel an dieser Theorie, die durch spätere 14C-Datierungen schließlich bestätigt wurde. Der Fund des Grauballe-Mannes inspirierte den Künstler Joseph Beuys 1969 zur Schaffung seiner sozialkritischen Skulptur Grauballemann.[1]
Literatur
- Pauline Asingh, Niels Lynnerup (Hrsg.): Grauballe Man. An Iron Age Bog Body Revisited. Jutland Archaeological Society Publications. Aarhus University Press, Aarhus 2007, ISBN 978-8788415292. (in Englisch)
- Geoffrey Bibby: Der Mann von Grauballe. Forhistorisk Museum, Højbjerg 1974.
- Peter Vilhelm Glob: Die Schläfer im Moor. Winkler, München 1966
- Michael Gebühr: Moorleichen in Schleswig-Holstein. Wachholtz, Neumünster 2002 ISBN 3-529-01870-8
- Wijnand van der Sanden Mumien aus dem Moor - Die vor- und frühgeschichtlichen Moorleichen aus Nordwesteuropa. Drents Museum / Batavian Lion International, Amsterdam 1996. ISBN 90-6707-416-0
- Peter Pieper: Moorleichen. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Heinrich Beck, Dieter Geuenich, Heiko Steuer (Hrsg.) Bd. 20. de Gruyter, Berlin – New York 2001. ISBN 3-11-017164-3
Einzelnachweise
Weblinks
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