- Great power
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Für die Kennzeichnung der außergewöhnlichen geopolitischen Rolle eines Staates wurden und werden verschiedene Begriffe – Großmacht, Hegemonialmacht, Weltmacht oder Supermacht – verwendet, die unscharf gegeneinander abgegrenzt sind und deren Bedeutung im Laufe der Zeit auch Veränderungen unterworfen war.
Inhaltsverzeichnis
Begriffsabgrenzung
Im Deutschen werden hauptsächlich Wörter auf -macht verwendet, unter anderem Großmacht, Weltmacht und Supermacht, wobei der erste Wortteil grob die Größe der Interessensphäre sowie den beigemessenen staatlichen Einfluss beschreibt.
Während eine Großmacht nur innerhalb einer bestimmten Region eine herausragende Rolle spielt, kann eine Weltmacht weltweit ihren Einfluss geltend machen. Zum Teil wird Weltmacht auch dann verwendet, wenn ein Reich den gesamten ihr bekannten Teil der Welt beherrschte, zum Beispiel beim Römischen Reich. Der Begriff Supermacht bezieht sich ausschließlich auf die bipolare Weltordnung mit den zwei überragenden Konkurrenten Vereinigte Staaten und Sowjetunion, bzw. nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion auf die Vereinigten Staaten allein.
Kriterien
Maßgeblich für die geopolitische Beurteilung eines Landes ist die Frage, welchen Einfluss es auf andere Länder durch politische, ökonomische oder militärische Maßnahmen oder auch nur durch deren Androhung zu nehmen in der Lage ist. Indirekt spielt darüber hinaus auch eine Rolle, welchen Einfluss das Land auf andere Länder über Faktoren nimmt, die meist nur indirekt oder im Bedarfsfall von der herrschenden Klasse des Landes beeinflusst werden, zum Beispiel seine wirtschaftliche Stärke, Migrationsströme oder der „Export“ weltanschaulicher Ideen.
Einflusssphäre
Die Geschichte der Menschheit war schon immer geprägt durch die Bildung lokaler und regionaler Mächte, die in gegenseitiger Konkurrenz standen und sich gegenseitig bekämpften. Immer wieder entstanden dabei Situationen, in denen die einzelnen Länder aufgrund eines ungefähren Kräftegleichgewichtes nicht in der Lage waren, andere Länder zu besiegen und dauerhaft besetzt zu halten. Hierdurch kommt es in der Region zu einem temporären Gleichgewicht zwischen annähernd gleichwertigen Parteien. Allerdings kommt es immer wieder zur Bildung von Mächten, die deutlich größer sind als alle oder zumindest die Mehrheit der übrigen Länder. Jene regionale Großmacht wird diese übrigen Länder dann in der Regel sukzessiv einverleiben, bis
- die verfügbaren Kräfte durch die Kontrolle besetzter Gebiete, die Sicherung der Außengrenze, innere Unruhen oder andere Aufgaben derarten gebunden sind, dass eine weitere Expansion unmöglich ist,
- die Großmacht wegen der Gefahr eines Auseinanderfallens auf eine weitere Expansion verzichtet,
- die Großmacht wegen innerer Konflikte auseinanderfällt,
- die Großmacht mit einer neuen Großmacht konfrontiert wird,
- sich das Kräfteverhältnis zu Ungunsten der Großmacht verschiebt.
Es besteht eine Wechselwirkung zwischen der faktischen Großmachtstellung bzw. die Aussicht darauf und dem politisch-kulturellen Anspruch darauf im Selbstverständnis des entsprechenden Landes.
Verschiedene Mächte in der Geschichte
Frühe Großmächte waren unter anderem das alte Ägypten, Babylon, das Assyrische Reich, das Reich der Hethiter, das Alt- bzw. Neupersische Reich, Karthago, Athen, Sparta, Makedonien/Alexanderreich, das Seleukidenreich, das Römische Reich und das Kaiserreich China.
Die Großmächte des Frühmittelalters waren das zum Byzantinischen Reich gewandelte Römische Reich, das Frankenreich, das islamische Kalifat und weiterhin China. Im Hochmittelalter entstanden aus dem Frankenreich das Heilige Römische Reich und Frankreich. Das Osmanische Reich verdrängte das Byzantinische Reich als Großmacht. Zeitweise galten die beiden oberitalienischen Stadtrepubliken Genua und Venedig, die den Handel im Mittelmeerraum beherrschten, das Ägypten der Ayyubiden und der Mamluken sowie die Mongolenreiche als Großmächte. Auf dem amerikanischen Doppelkontinent etablierten sich im 15. Jahrhundert die Reiche der Inka und Azteken als Großmächte.
In der frühen Neuzeit galten auch Spanien und Portugal auf Grund ihrer Kolonien als Großmächte, später kamen dann noch die Niederlande, Russland, Schweden, Polen-Litauen, Österreich, Frankreich, England und nach dem Siebenjährigen Krieg Preußen hinzu. Mit dem Verlust einiger ihrer Kolonien bzw. Gebiete im 18. und 19. Jahrhundert verloren die iberischen Länder und die Niederlande jedoch diesen Status wieder, Schweden wurde im Großen Nordischen Krieg durch die neue Großmacht Russland zurückgedrängt. Polen-Litauen verschwand nach den drei Teilungen Polens von der Landkarte. Auf dem indischen Subkontinent etablierte sich seit dem 16. Jahrhundert das Mogulreich als lokale Großmacht.
Auf dem Wiener Kongreß und in den Jahrzehnten danach bestimmten die fünf erstmals wörtlich so genannten Großmächte Großbritannien, Österreich, Preußen, Russland und das besiegte Frankreich die europäische Ordnung. Das ehemals so mächtige Osmanische Reich galt nur noch als regional bedeutende Macht ("Kranker Mann am Bosporus"). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg Italien in den Kreis der Großmächte auf, Österreich wandelte sich zu Österreich-Ungarn und Preußen zum Deutschen Kaiserreich. Außerhalb Europas gewannen die USA nach dem Sezessionskrieg und Japan nach dem Russisch-Japanischen Krieg den Status als Großmächte.
Vor dem Beginn des Zweiten Weltkrieges galten das Deutsche Reich, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, die Sowjetunion und die USA als Großmächte. Die Siegermächte behielten nach Kriegsende ihren Status. Der Besitz von Atomwaffen wurde ein weiteres Kriterium für den Großmacht-Status. Während des Kalten Krieges waren die USA und die Sowjetunion die dominierenden Großmächte, weshalb man sie auch als Supermächte bezeichnete.
Heutige Situation
Allein der Besitz von Atomwaffen ist kein Kriterium für eine Großmacht, weswegen die Stellung von Staaten wie Indien, Pakistan oder Israel, die Nuklearmächte sind, nicht eindeutig zu definieren ist. Nach dem Zerfall der Sowjetunion und dem Verbleib der USA als einzige, dominierende Weltmacht spricht man vermehrt von regionalen Großmächten, zu denen, neben den Atommächten, Staaten wie Japan (auf Grund der wirtschaftlichen Leistung) oder Deutschland (gilt als Wirtschaftsmotor der EU) bzw. auch die gesamte Europäische Union gezählt werden. Auch kann man im Allgemeinen Russland und die Volksrepublik China dazu zählen, die von vielen (insbesondere den Medien) als eine zukünftige Weltmacht gesehen wird. Weiterhin entwickeln sich nach allgemeiner Auffassung der Iran in der Golfregion und Indien im indischen Ozean zu regionalen Großmächten.
Liste der ehemaligen und aktuellen Großmächte
Diese Liste enthält die oben erwähnten historischen und aktuellen Großmächte mit ihrem ungefähren Zeitraum ihres Auftretens als Großmacht. Teilweise sind keine Unterbrechungen angegeben, wenn es sich um kurze Zeiten handelt. Die heutigen Großmächte sind rot markiert.
Land Zeitraum des Großmacht-Status Altes Ägypten
Ägypten der Ptolemaier3150–332 v. Chr.
323-30 v. Chr.Assyrisches Reich 1600–609 v. Chr. Reich der Hethiter 1350–1200 v. Chr. Altpersiches Reich
Partherreich
Neupersiches Reich550-330 v. Chr.
141 v. Chr. - 224 n.Chr.
224-651 n. Chr.Karthago 500-146 v. Chr. Athen 490-338 v. Chr. Sparta 404-375 v. Chr. (Spartas Hegemonie auf dem Peloponnes) Makedonien (Alexanderreich) 356-323 v. Chr. Seleukidenreich 321-129 v. Chr. Römisches Reich
Byzantinisches Reich264 v. Chr.-641 n. Chr.
395-1204Kaiserreich China
Volksrepublik China221 v. Chr.-1901 n. Chr.
1976-heuteFränkisches Reich 487-843 Kalifat 636-1258 Heiliges Römisches Reich 955-1555 Republik Venedig 991-1797 Frankreich 1124-1815, 1852-1871,
1914-1940, 1945-heuteMongolisches Reich 1162-1368 Ägypten der Ayyubiden
Ägypten der Mamluken1171–1252
1252–1517Osmanisches Reich 1299-1814 Aztekenreich 1428-1521 Inkareich 1438-1533 Österreich
Österreich-Ungarn1477-1866
1867-1918Portugal 1495-1580 Spanien 1517-1700 Zarentum Russland
Russisches Reich
Sowjetunion
Russland1547-1721
1721–1917
1922-1991
1991-heutePolen-Litauen 1569-1791 Niederlande 1581-1795 England
Großbritannien
Vereinigtes Königreich1588-1707
1707-1801
1801-heuteMogulreich 1605-1858 Schweden 1611-1719 Preußen
Deutsches Reich
Bundesrepublik Deutschland1756-1871
1871-1945
1955-heuteVereinigte Staaten 1865-heute Italien 1882-1945 Japan 1905-1945
1970-heuteÄhnliche Begriffe
Hypermacht ist eine 1999 entstandene Begriffsschöpfung des damaligen französischen Außenministers Hubert Védrine, um die aktuelle dominierende Stellung der USA in der Politik, Wirtschaft, Kultur, in den Massenmedien und beim Militär zu kritisieren.
Siehe auch
Literatur
- Holger Afflerbach: Der Dreibund: Europäische Großmacht- und Allianzpolitik vor dem Ersten Weltkrieg. Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs 92. Vienna, Köln, Weimar 2002
- Dülffer, Jost u.a.: Vermiedene Kriege - Deeskalation von Konflikten der Großmächte zwischen Krimkrieg und Erstem Weltkrieg (1856-1914). München 1997
- Henry A. Kissinger: Das Gleichgewicht der Großmächte. Metternich, Castlereagh und die Neuordnung Europas 1812-1822. 2. Aufl., Zürich 1990
- Egmont Zechlin: Bismarck und die Grundlegung der Deutschen Grossmacht. Stuttgart 1930
- O. Redlich: Österreichs Aufstieg zur Großmacht. 4. Aufl. 1962
- Boris Shiryayev: Großmächte auf dem Weg zur neuen Konfrontation?. Das „Great Game“ am Kaspischen Meer: eine Untersuchung der neuen Konfliktlage am Beispiel Kasachstan. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2008, ISBN 978-3-8300-3749-1.
Weltmacht
- Xuewu Gu & Hanns W. Maull: Die prekäre Weltmacht: Grundzüge der Außenpolitik Chinas im 21. Jahrhundert. Nomos, Baden-Baden 2005.
- Immanuel Wallerstein: Absturz oder Sinkflug des Adlers? – Der Niedergang der amerikanischen Macht. VSA-Verlag 2004, 274 Seiten. ISBN 3-89965-057-3.
- Emmanuel Todd: Weltmacht USA: ein Nachruf (dt. Après l'empire). 5. Aufl., Piper, München [u. a.] 2003; 264 Seiten, ISBN 3-492-04535-9.
- Vjaceslav I. Dasicev: Moskaus Griff nach der Weltmacht – die bitteren Früchte hegemonialer Politik. Mittler, Hamburg [u.a.] 2002; 543 Seiten, ISBN 3-8132-0798-6.
- Christian Hacke: Zur Weltmacht verdammt – die amerikanische Außenpolitik von J. F. Kennedy bis G. W. Bush. bpb: Bundeszentrale für Politische Bildung; 2., aktualisierte u. erw. Aufl., Bonn 2003
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